Beliebtheit von Erneuerbaren Energien in Österreich sinkt
Die Klimakrise wird immer noch als das größte Problem wahrgenommen, das Österreich in den kommenden 20 Jahren blüht. Die Bevölkerung macht sich aber auch über einige andere Dinge große Sorgen, etwa die hohe Inflation, die Teuerung, leistbares Wohnen oder die Zuwanderung. Die Unterstützung für Energiewende und Klimaschutzmaßnahmen ist deswegen im vergangenen Jahr gesunken. So lautet eine Erkenntnis der Studie "Erneuerbare Energien in Österreich 2024", die am Donnerstag präsentiert wurde.
Größter Rückgang seit 2015
Seit 2015 wird die Studie jährlich gemeinsam von der Wirtschaftsuniversität Wien, der Unternehmensberatung Deloitte und Wien Energie durchgeführt. Auch im vergangenen Jahr wurden mehr als 1.100 Personen dafür befragt. Eine der Hauptfragen ist die Akzeptanz von Erneuerbaren Energieprojekten, etwa Wind-, Solar- und Wasserkraftwerken. Im vergangenen Jahr wurde dabei noch ein Spitzenwert erzielt.
79 Prozent der Befragten stimmten neuen Projekten in ihrer Gemeinde zu. Ein Grund war der Krieg in der Ukraine und der dadurch gestiegene Wunsch nach mehr Unabhängigkeit von russischem Öl und Gas. Der Krieg tobt nun immer noch, dennoch ist die Zustimmung auf 74 Prozent gesunken. Es ist der größte Akzeptanzrückgang seit 2015.
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Viel mehr Stromanbieterwechsel
Weniger häufig als noch 2022 wollen die Befragten ihren Energieverbrauch durch Verhaltensänderung oder die Senkung der Raumtemperatur reduzieren. Dafür haben 14 Prozent im Jahr 2023 ihren Stromanbieter gewechselt. "Das sind sehr viel mehr als 2022", sagt Studienleiterin Nina Hampl. "Da waren es nur 5 Prozent". Als Hauptgründe für persönliche Energiesparmaßnahmen werden die hohen Kosten und die Inflation angegeben. Der Klimaschutz ist den Befragten weniger wichtig, aber nicht in Vergessenheit geraten.
Gerade Junge interessieren E-Autos weniger
Das Kaufinteresse an Elektroautos ist laut der Studie "Erneuerbare Energien in Österreich 2024" auf einen neuen Tiefststand seit 2016 gesunken. Nur 38 Prozent der Befragten wollen sich ein E-Auto zulegen. Vor einem Jahr lag der Wert noch bei 43 Prozent. Besonders stark zurückgegangen ist die Motivation bei Unter-40-Jährigen. In der Zielgruppe, die Elektroautos gegenüber eigentlich am aufgeschlossensten ist, sank das Interesse innerhalb eines Jahres um neun Prozent (von 64 auf 55).
Pro und Contra
Gegen ein E-Auto sprechen für die Befragten hohe Anschaffungspreise und geringe Reichweiten. Letzteres sei ein Kommunikationsproblem, sagt Gerhard Marterbauer von Deloitte. Die Reichweiten von E-Autos seien für die meisten Anwendungszwecke völlig ausreichend. Wer sich ein E-Auto angeschafft hat, tat dies vermehrt wegen geringer Betriebskosten und der öffentlichen Förderung, weniger wegen des Klimas. Gestiegen ist immerhin der Anteil jener, die sich wegen der guten Erfahrungen von Freund*innen zu einem Kauf entschlossen haben. Ein Faktor für das sinkende Interesse an einem E-Auto-Kauf könnte auch mehr Carsharing sein.
Stillstand bei Heizungstausch
Einen Anstieg gegenüber 2022 gibt es bei der Verbreitung von Photovoltaikanlagen. Bei 23 Prozent ist eine am Wohngebäude installiert (2022: 19 Prozent, 2021: 13 Prozent). Wenig Veränderungen gibt es dagegen bei der Wärmeversorgung. Der Anteil von fossilen Energieträgern wie Erdgas und Heizöl bleibt konstant hoch. Dabei wäre gerade hier ein Wandel notwendig, sagt Wien-Energie-Geschäftsführer Michael Strebl: "Ohne Wärmewende gibt es keine Energiewende."
Ein gutes Drittel der Befragten sprechen sich unterdessen dagegen aus, dass Ölheizungen ab 2035 verboten werden. Mehr als die Hälfte ist gegen ein Verbot von Pkw mit Verbrennungsmotor ab 2030. Die Ablehnung von Verboten ist gegenüber 2022 deutlich gestiegen. 67 Prozent sprechen sich dafür aus, dass es eher Förderungen als Verbote geben sollte. Der Effekt des Mitte Oktober vorgestellten Erneuerbare-Wärme-Pakets, das auf Förderungen für den Heizungstausch statt Strafen setzt, ist in der aktuellen Studie noch nicht erkennbar.
Weniger Motivation für Erreichung der Klimaziele
"Sehr bedenklich" sei es, dass wesentlich weniger Befragte dem Ziel Österreichs, bis 2040 klimaneutral zu sein, zustimmen (51 gegenüber 60 Prozent 2022). "Die Teuerung hat zwar eine Zäsur bewirkt, aber die Bedeutung der Klimaziele muss man klar kommunizieren. Es gibt nur eine Umwelt", sagt Gerhard Marterbauer von Deloitte Österreich. 2022 waren noch 66 Prozent dafür, dass der Gesamtstromverbrauch im Land bis 2030 bilanziell zu hundert Prozent aus Erneuerbaren Energiequellen stammt. 2023 sind es plötzlich nur noch 55 Prozent. Marterbauer: "Das sind besorgniserregende Zahlen. Die Politik ist aufgefordert, hier Korrekturen vorzunehmen und klar aufzuzeigen, welche Vorteile die Energiewende bringt."
Sinkende Zustimmung gibt es auch für den Netzausbau. Dabei sei der maßgeblich für die Energiewende, sagt Michael Strebl. "In vielen Bereichen haben wir derzeit ein Netz, das für einen anderen Zweck als das Einspeisen von privatem Photovoltaikstrom gebaut wurde. Jahrzehntelang ging es um Kostenoptimierung, jetzt ist man verwundert, warum die Kapazitäten fehlen." Derzeit finde aber ein Umdenken statt, die Stromnetze werden erweitert. 67 Prozent der Österreicher befürworten das (2022: 72 Prozent), unterstützt durch das Argument, dass damit Blackouts vermieden werden.