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App soll Rehabilitation nach einem Schlaganfall beschleunigen

Wer einen Schlaganfall erlitten hat, benötigt oft viel Zeit dafür, um plötzlich verloren gegangene motorische Fähigkeiten wiederzuerlangen. Für möglichst rasche Erfolge ist es notwendig, dass Patientinnen und Patienten auch ohne professionelle Anleitung täglich Übungen durchführen. An der FH Campus Wien wird nun eine App entwickelt, die diese oft mühsame Aufgabe leichter machen soll.

"Abhängig davon, wie stark das Hirn geschädigt ist und welcher Hirnbereich betroffen ist, kommt es nach einem Schlaganfall zu einem großen Spektrum an motorischen und kognitiven Einschränkungen", erklärt Lena Rettinger, die Leiterin des interdisziplinären Projekts "eTherapy". Forschende der Masterstudiengänge Health Assisting Engineering sowie Software Design und Engineering und von den Bachelorstudiengängen Computer Science and Digital Communications sowie Physiotherapie bringen dabei ihre Expertise ein.

App statt Notizen auf Papier

Patientinnen und Patienten durchlaufen üblicherweise eine stationäre Rehabilitation und werden anschließend daheim von Physiotherapeutinnen und Ergotherapeutinnen betreut. Zusätzlich ist, wie erwähnt, selbstständiges Training notwendig.

Bisher bekommen Patienten mit Schlaganfall dazu meist mündliche Erklärungen von Therapeutin oder Therapeut und schriftliche Notizen für Zuhause. Eine App könnte diese Informationen deutlich bereichern. Sie soll Übungen unter anderem durch Videos veranschaulichen und Patientinnen und Patienten an die regelmäßige Durchführung erinnern. Jeder Patient kann damit einen individuellen, übersichtlichen und einfach verständlichen Übungsplan erhalten.

Übungen mit Realitätsbezug

Den Fokus legt die App auf Übungen für Schultern, Arme, Hände und Rumpf. "Wir orientieren uns am sogenannten Armbasis- und Armfähigkeitstraining - beides Übungsprogramme, die von der Deutschen Gesellschaft für neurologische Rehabilitation in ihren Leitlinien empfohlen werden", erklärt Rettinger. "Zusammengefasst geht es um das häufige Wiederholen einzelner Bewegungen in der Schulter, Ellenbogen, Hand und Fingern.

Wichtig dabei ist, den Zusammenhang zu alltäglichen Bewegungen in den Vordergrund zu stellen. Durch viele Wiederholungen und den Alltagsbezug lernt das Hirn." Anders ausgedrückt, übt die Patientin oder der Patient z.B. zuerst das Öffnen und Schließen der Finger und im nächsten Schritt fokussiert das Training auf das Beugen und Strecken des Ellenbogens. Wenn diese Bewegung dazu benutzt wird, ein Kaffeehäferl zu greifen und zum Mund zu führen, ist der Bezug zum täglichen Leben klar hergestellt.

Überzeugende Veränderung

Bei allen Übungen sei es wichtig, sie mehrmals pro Woche, am besten täglich auszuführen, meint Rettinger. Um die erkrankten Personen dazu zu animieren und um sie "an der Stange zu halten", setzt das Entwicklungsteam in der App besonders auf sogenannte "Persuasive Design Principles". Diese haben sich bereits bei anderen Apps, die eine Verhaltensänderung herbeiführen sollen, bewährt. Dabei motivieren spezielle Features in der App, wie beispielsweise Personalisierung des Inhalts, Erinnerungen und Anregungen zur Selbstkontrolle, die Nutzerinnen und Nutzer dazu, ihren Trainingsplan einzuhalten.  

Im ersten Entwicklungsschritt bedienen die beteiligten Personen dieselbe Benutzeroberfläche. Die Auswahl der Übungen erfolgt direkt in der App der Patientinnen und Patienten. "Für die Zukunft ist auch ein Remote-Zugriff für therapeutische Personen angedacht", sagt Rettinger. Sie sollen dadurch sehen können, welche Übungen die zu Betreuenden durchgeführt haben. Für diesen Schritt seien allerdings noch einige Datenschutzmaßnahmen umzusetzen.

Pilotstudie

Bei der Entwicklung der App werden Physio- und Ergotherapeutinnen stark miteinbezogen. Rettinger: "Uns ist wichtig, nah an den tatsächlichen Bedürfnissen der therapierenden Personen dran zu sein und ihr Feedback einzuholen." Ab 2021 wird dann eine Pilotstudie durchgeführt, an der zehn Personen aus dem Therapiebereich und 20 Personen nach Schlaganfall teilnehmen sollen. Ihre Erfahrungen werden mit qualitativen Interviews erhoben und analysiert. "Eine große Studie mit Kontrollgruppe wäre dann der logische nächste Schritt."

Geleitet wird das Projekt eTherapy vom Studiengang Health Assisting Engineering, der die Schnittstelle von drei Departments der FH Campus Wien bildet: Gesundheitswissenschaften, Technik und Angewandte Pflegewissenschaft. Obwohl die App für Schlaganfallpatienten primär einen Forschungshintergrund hat, kann sich Projektleiterin Rettinger eine Kommerzialisierung vorstellen: "Wir versuchen immer, möglichst marktnah zu entwickeln, sodass zumindest im Raum steht, dass am Ende ein tatsächliches Produkt dabei herauskommt."

 

Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und FH Campus Wien entstanden.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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