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Auf der Suche nach dem Superbaum

Die Tage der Fichte als Heilsbringer der Forstwirtschaft sind gezählt. Längst haben sich die seit einem Jahrhundert herrschenden Monokulturen als wetter- und schädlingsanfällig erwiesen. Die Auswirkungen des Klimawandels wie die anhaltende Dürre der vergangenen Jahre machten der Fichte zusätzlich zu schaffen. Für den Wald von morgen und übermorgen wird daher nach einem alternativen Superbaum sowie nach nachhaltigeren Bewirtschaftungskonzepten gesucht.

27 Baumarten gepflanzt

So auch am Hochwechsel zwischen Niederösterreich und der Steiermark. Im Forschungsprojekt „Hochwald 2“ wurden dort 27 Baumarten gepflanzt, um herauszufinden, welche davon mit den geänderten Klimabedingungen in Lagen über 1000 Metern Seehöhe gut zurechtkommen. Neben Fichte, Tanne, Kiefer und Zirbe werden mit Laubhölzern wie Buche, Eiche, Birke sowie für die Forstwirtschaft exotischeren Bäumen wie Mehlbeere, Birne und Kirsche experimentiert. Auch Douglasien wurden gepflanzt, die im Nordwesten der USA heimisch sind.

Versuchsfeld am Wechsel

Die Frage, ob sich am Forschungshorizont bereits ein neuer Superbaum abzeichne, beantwortet Projektleiter Robert Jandl vom Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) mit einem nachdrücklichen „Nein!“. „Es gibt keine Baumart, die alle Probleme löst – im Gegenteil. Je mehr Baumarten im Waldbestand vertreten sind, desto besser kann ich das Risiko infolge von Extremereignissen oder Schädlingsbefall streuen“, sagt Jandl zur futurezone. Der Trend gehe schon seit vielen Jahren in Richtung Mischwald: „Die Zeit der Reinbestände ist definitiv vorbei.“

Schweres historisches Erbe

Tatsächlich sind die vielen reinen Fichtenwälder ein historisches Vermächtnis, das bis auf die Zeit Maria Theresias zurückgeht. Um die seit dem 18. Jahrhundert stattfindende Übernutzung des Waldes zu kompensieren, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts die Fichte als Lösung eingesetzt –  unabhängig von ihren natürlichen Standorten auch in tiefergelegenen Regionen.

Das schnelle Wachstum und der gute Ertrag sollten sich Jahrzehnte später jedoch rächen – wie ein Blick aufs borkenkäfergeplagte Waldviertel und andere kahlgeschlagene Landstriche zeigt. „Bricht eine Art zusammen, ist wirtschaftlich gesehen alles verloren“, plädiert auch WWF-Waldexpertin Karin Enzenhofer für mehr Artenreichtum im Wirtschaftswald.

Auch sie warnt daher davor, einen neuen Superbaum finden zu wollen, der mittel- und langfristig erst recht wieder zu Problemen für das komplexe Waldökosystem führen könnte. Bei vielversprechenden Exoten wie der Douglasie zeige sich bereits, dass sie hinsichtlich Trockenheit und Schädlingen weniger robust sei, als gedacht.

Baumsimulator modelliert Wald der Zukunft

Auch im seit 2017 laufenden Forschungsprojekt am Wechsel konnte die Douglasie die in sie gesetzte Hoffnungen bisher nicht erfüllen. Sie fiel ebenso Früh- und Spätfrösten zum Opfer wie die versuchsweise gepflanzten Laubbäume aus den Tieflagen. Diese dürften durch den Klimawandel zwar nach oben wandern, kamen mit den derzeit herrschenden Bedingungen aber noch nicht zurecht. Als vielversprechend haben sich laut Projektleiter Jandl die nordamerikanische Drehkiefer, Birke und Lärche erwiesen.

Ein Comeback könnte zudem die heimische Tanne feiern, die unter anderem aufgrund ihres langsameren Wuchses aus den Wirtschaftswäldern verschwand, sich nun aber als mögliche Alternative für die  Fichte erweist. Da aus den Beobachtungen eines dreijährigen Aufforstungsversuchs keine validen Schlüsse für die Entwicklung der Bäume für die nächsten 60 bis 100 Jahre gezogen werden kann, wird eine Simulationssoftware eingesetzt.

Diese berücksichtigt Parameter wie Wachstumscharakteristika einzelner Baumarten, ihre Konkurrenzstärke in Mischwäldern sowie externe Faktoren wie Klima, Bodenqualität und Störungsereignisse. Auf Basis dessen werden Szenarien modelliert, wie sich der Wald entwickeln könnte.

Genetische Forschung

Viel getan hat sich auch bei der epigenetischen Baumforschung. „Wir  wissen jetzt, dass die Umwelteinflüsse an einem Standort das Genmaterial von Baumarten verändern. Das Nadelgehölz, das in Vorarlberg steht, kommt unter Umständen mit Trockenheit anders zurecht als dieselbe Baumart in den Südalpen. Sind diese Eigenheiten bekannt, kann man sie bei der Aufforstung berücksichtigen und für die erwarteten Klima-Veränderungen das beste Material finden“, erklärt Jandl.

Auch beim Eschensterben versuche man so Bäume zu finden, die gegen den dafür verantwortlichen Pilz, das harmlos klingende "Falsche Weiße Stängelbecherchen", immun sind.

Neues Bauholz gesucht

Viel geforscht wird auch in der Holzindustrie. Steht künftig weniger Fichtenholz zur Verfügung, muss  umgedacht werden. Während Möbelbau aus diversen Hölzern eine lange Tradition hat und  die Holzart mittlerweile bei Faserplatten kaum mehr eine Rolle spielt, sieht es bei Bauholz anders aus.

„Fichte hat hervorragende technologische Eigenschaften und ist leicht. Buchenholz etwa ist fast doppelt so schwer, was im Bau natürlich einen Unterschied macht. Gerade in Mitteleuropa wird daher mit Hochdruck an Lösungen gearbeitet, um eine breitere Palette von Baumarten effizient verwenden zu können“, sagt Jandl.

Teil 2: Gesunder Wald als Klimaretter: Worauf es jetzt ankommt

Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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