China wusste vor SpaceX, warum das Starship explodiert ist
Am 20. April startete das Starship zu seinem ersten Orbitalflug. Der Weltraum wurde aber nie erreicht – das Raumschiff von SpaceX explodierte in der Luft. Am 29. April sagte SpaceX-Chef Elon Musk auf Twitter, wo das Problem lag: Die Schubkontrolle versagte 85 Sekunden nach dem Start. Hätte man weiter beschleunigt, hätte man erfolgreich die Raketenstufen trennen können und Starship hätte den Orbit erreicht.
In China wusste man das allerdings schon Tage zuvor. Das Beijing Aerospace System Engineering Institute hat einen vollständigen Bericht zum Starship-Start verfasst, der am 27. April veröffentlicht wurde, berichtet South China Morning Post.
Smarte Schubkontrolle ausgefallen
Laut diesem Bericht hat die smarte Schubkontrolle versagt. Diese dient eigentlich dazu, um Probleme mit dem Antrieb in Echtzeit zu erkennen und einzuschreiten. Beim Start sind einige Triebwerke des Boosters ausgefallen. Hier hätte die smarte Schubkontrolle das Problem erkennen und die Reduktion des Schubs im Flug überschreiben sollen. Laut dem Institut würde SpaceX den Schub standardmäßig bei seinen Falcon-Raketen nach dem Abheben verringern, um die Belastung an der Rakete zu reduzieren.
Interessant ist, dass das Institut davon ausgeht, dass SpaceX überhaupt eine smarte Schubkontrolle verwendet hat. Dafür gibt es eine Erklärung im Bericht. Bei der kleineren Falcon 9, die SpaceX für fast alle seine Starts nutzt, hätte man bei mindestens 2 Testflügen beobachtet, wie die Rakete selbstständig fehlerhafte Antriebe deaktivierte und die Flugbahn automatisch anpasste, um den richtigen Orbit zu erreichen. Also müsste auch der Super-Heavy-Booster, der das Starship aufsteigen ließ, dieses System haben.
Telemetrie von SpaceX angeblich falsch
Eine Frame-by-Frame-Analyse, bei der jedes Einzelbild des Videomaterials betrachtet wird, zeigte laut dem Institut, dass einige Triebwerke versagten. Dies sorgte für eine ungewollte Drehung, die sich nach 80 bis 90 Sekunden im Flug ereignete. Nach den Berechnungen des Instituts hätten die verbleibenden aktiven 11 Triebwerke, deren Neigung sich verstellen lassen, nur um ein Grad bewegen müssen. Das hätte den Verlust von mindestens 8 ausgefallenen Triebwerken ausgeglichen.
Interessant ist, dass die chinesischen Wissenschaftler*innen auf 8 Triebwerke gekommen sind – laut der Telemetrie von Space sind es weniger gewesen, die ausgefallen sind. Auch das wird im Bericht angesprochen. Laut dem Institut nutze man hauptsächlich die Videoaufnahmen zur Analyse, weil die Telemetrie-Daten von SpaceX offensichtlich falsch seien.
Schon beim Start durch Betonbrocken beschädigt
Das Institut geht davon aus, dass womöglich anderes Problem dafür sorgte, dass die smarte Schubkontrolle nicht korrekt eingegriffen hat. Es könnte zu einer Situation gekommen sein, für die die Schubkontrolle nicht programmiert gewesen ist. Die Servo-Motoren, die die Neigung der insgesamt 13 verstellbaren Triebwerke ermöglichen, erhalten ihre Energie durch die Triebwerke. Möglicherweise hat der Ausfall der Triebwerke also dafür gesorgt, dass die Motoren ohne Energie waren und deshalb nicht mehr funktioniert haben. Dies würde erklären, warum das Starship nicht stabilisiert wurde, als es sich zu drehen begann.
Die chinesischen Wissenschaftler*innen haben auch eine Vermutung, warum die Triebwerke ausgefallen sind. Durch die riesige Schubkraft der Starship-Rakete wurde die Betonplatte unter der Startrampe zerfetzt. Teile davon wurden später hunderte Meter weit weg gefunden. In der direkten Umgebung wurden Tanks beschädigt. Durch die herumfliegenden Brocken und die direkte Hitze, die nicht in ein Wasserbecken sondern eben auf die Betonplatte gingen, könnten die Triebwerke schon kurz nach der Zündung beschädigt worden sein. Als Indiz dafür wird genannt, dass nach dem Start Teile des Hitzeschutzes von Starship am Startgelände gefunden wurden.
Musk widersprach dieser Theorie auf Twitter. Laut ihm gibt es keine Hinweise darauf, dass der „Stein-Tornado“ beim Start die Triebwerke oder das Hitzeschild beschädigt hätte. 3 Triebwerke wurden beim Start bewusst abgeschaltet, weil ihr Zustand nicht ideal gewesen sei.
Langer Marsch 9 ist das chinesische Starship
Dass das Institut diese Analyse nicht einfach nur macht, um Musk bei der Fehlersuche zu helfen, ist klar. Es entwickelt derzeit gerade selbst eine wiederverwendbare Rakete mit 2 Stufen, deren Größe und Design stark an das Starship erinnern. Genau wie das Starship soll auch die Langer Marsch 9 bemannte Flüge zum Mond und später zum Mars ermöglichen.