Das kann hinter den mysteriösen Strukturen am Mars stecken
Am Mars kommt es an steilen Hängen vor allen in den äquatorialen Regionen und mittleren Breiten zu saisonalen Hangrutschungen. US-Forscher und der Wiener Experte für planetare Geologie, Christian Köberl, schlagen nun im Fachjournal "Science Advances" eine neue Hypothese über die Ursache dieser Massenbewegungen vor. Wie Beobachtungen in den Trockentälern der Antarktis und Laborexperimente zeigen, könnten Salze in Verbindung mit Wasser die Rutschungen verursachen.
Seit langem rätseln Wissenschafter über Fließstrukturen, die sich im Sommer regelmäßig an manchen Steilhängen auf dem Mars ereignen und "Recurring Slope Lineae" (RSL; etwa: "Wiederkehrende Hanglinien") genannt werden. Als Erklärung dafür wurden bisher zwei verschiedene Bildungsprozesse vorgeschlagen - ein "nasser" und ein "trockener".
Trockene Materialflüsse
Entweder könnte Schmelzwasser aus dem Permafrostboden dafür verantwortlich sein, "doch viele RSL treten in äquatornahen Gebieten auf, wo es keinen oder nur wenig Permafrostboden gibt", sagte Köberl, Professor für Planetare Geologie und Impaktforschung an der Universität Wien gegenüber der APA. Zudem würden Rutschungen nur bei Hangneigungen von über 27 Grad beobachtet, was bei Wasser als Ursache auch nicht logisch wäre.
Die andere Erklärung sind trockene, granulare Materialflüsse, ähnlich wie auf Sanddünen - doch dem würde wiederum das saisonale Auftreten der RSL widersprechen. "Es lassen sich also die beobachteten Rutschungen mit keinem der beiden Mechanismen vollständig erklären", so der Experte.
Hybridmodell als Lösung
Janice Bishop vom Carl Sagan Center am SETI Institute in Kalifornien (USA) und Köberl schlagen mit Kollegen nun ein Hybridmodell vor, das sowohl nasse als auch trockene Bestandteile salziger Marsböden umfasst. Demnach würden Salze, vor allem Sulfate und Chloride, vorhandenes Wasser absorbieren, sich dabei ausdehnen, zerfließen und damit das Abrutschen verursachen.
"Da braucht es nicht allzuviel Wasser, da reichen dünne Wasserfilme unter der Oberfläche, um die Korngrenzen glitschig zu machen - ein ähnlicher Effekt, den man beim Salzstreuen im Winter erzielt", so Köberl. Durch die Salze kann dieser Effekt auch bei Temperaturen von rund minus 30 Grad Celsius auftreten, wie sie im Mars-Sommer üblich sind.
Mars-Bedingungen
Ähnliche Prozesse haben der Geochemiker und seine US-Kollegen in antarktischen Trockentälern beobachtet, wo sie seit Jahren chemisch die Zusammensetzung der Sedimente untersuchen. Diese eisfreien Täler zählen zu den kältesten und trockensten Regionen der Erde, deren Oberfläche fast das ganze Jahr über trockenen Winden ausgesetzt ist. Das sind sehr ähnliche Bedingungen wie auf dem Mars - "und es sieht dort auch so aus", erinnerte sich Köberl an seinen Antarktis-Aufenthalt.
Trotz der Trockenheit enthält der Permafrostboden in den McMurdo Trockentälern in der Ostantarktis Wassereis, das in Verbindung mit starken Konzentrationen von Sulfaten und Chloriden dünne Wasserfilme bilden kann. In der Folge kommt es zur chemischen Verwitterung knapp unter der Oberfläche und Hangrutschungen. "Wir haben in den antarktischen Trockentälern auch entsprechend hohe Salzkonzentrationen entdeckt", so Köberl.
Störungen an Oberfläche
Die Forscher stützen sich bei ihrer Hypothese auch auf Laborexperimente, in denen sie zeigten, dass die Salze dünne, bewegliche Filme aus matschigem Wasser bildeten. Diese können sich über längere Zeiträume auf dem Mars ausdehnen und zusammenziehen, wodurch die fragilen Oberflächen geschwächt werden und es schließlich zu Rutschungen kommt. Ähnliche Prozesse, bei denen Salze mit Gips und Wasser im Untergrund interagieren und Störungen an der Oberfläche verursachen, bis hin zu Kollapserscheinungen und Erdrutschungen, kennt man auch vom Toten Meer in Israel und dem Salar de Pajonales in der Atacama-Wüste in Chile.
Für Köberl ist diese Arbeit ein wichtiges Beispiel dafür, dass man geologische Untersuchungen auf der Erde auf andere erdähnliche Planeten anwenden kann, und umgekehrt. "Geologische Prozesse finden in ähnlicher Weise auf den verschiedensten Körpern unseres Sonnensystems statt", so der Wissenschafter.