Ein besseres Leben für Stadtbäume
Bäume sind für Städte und ihre Bewohner, die mit den Folgen des Klimawandels zurechtkommen müssen, ein Segen. Sie spenden Schatten, kühlen die Luft und filtern Staub heraus. Stadtverwaltungen täten also gut daran, mehr Bäume zu pflanzen und ihnen optimale Lebensbedingungen zu bieten. Momentan fristen Bäume in Städten allerdings ein tristes Dasein. Sie werden meist in sehr enge Gruben (Baumscheiben) gepflanzt, die die Ausbreitung der Wurzeln und damit das Wachsen des gesamten Baumes behindern. Die Wasseraufnahme wird dadurch ebenfalls erschwert und die künstliche Bewässerung ist keine dauerhafte Lösung.
Trockenheit, Hitze, Salz
"Dabei hat der Klimawandel dramatische Auswirkungen auf Bäume", meint Daniel Zimmermann von 3:0 Landschaftsarchitektur. Gerade im Frühjahr, wo Bäume eigentlich in den Saft gehen, hat es in den vergangenen Jahren lange Trockenperioden gegeben. Dazu kommen Hitzestress und die Ausbreitung von Schädlingen, die unter den wärmeren Bedingungen gut gedeihen. Im Winter kommt Streusalz dazu. Dessen Verbreitung habe in jüngster Zeit drastisch zugenommen. Für Baumwurzeln ist das Salz extrem toxisch.
Das Salz ist ein Grund dafür, warum Kastanien in Städten so früh ihre Blätter verlieren. Es stört ihren Jahresrhythmus. Die beim Kastaniensterben oft genannte Miniermotte sei an sich kein Schädling, der den Baum tötet, meint Zimmermann. Ist der Baum aber bereits geschwächt, sei dies fatal. Viele Baumarten, die derzeit in Städten noch weit verbreitet sind, wird es künftig nicht mehr geben.
Wechselnde Baumarten
"Wir brauchen Bäume, die mit heißen Sommern zurechtkommen", meint Stefan Schmidt von der Höheren Bundesforschungsanstalt für Gartenbau in Schönbrunn. "Die klassische Linde kommt eigentlich aus Flussauen, die Kastanie ebenso. Bergahorn kommt aus kühlen Wäldern. Diese Bäume funktionieren bei uns nicht mehr." Stattdessen sind Arten gefragt, die an trockenes Klima angepasst sind, etwa die Gleditschie (Lederhülsenbaum), der Schnurbaum oder der Zürgelbaum. Auch Verwandte bereits verbreiteter Stadtbäume kommen mit den neuen Bedingungen besser zurecht, etwa die Silberlinde oder der Felsenahorn.
"Die ideale Stadtbaumart gibt es nicht", relativiert Baumpflegeexpertin Helga Zodl. "Es werden laufend neue Sorten selektiert und ausprobiert. Das Finden von Stadtbäumen ist ein kontinuierlicher Prozess." Viele neue Gebäude in Städten sind heute mit eher kleinen, dünnen Bäumen gesäumt. "Die kosten weniger und sind in der Erhaltung günstiger", sagt Zodl. "Aus Sicht des Klimawandels sind sie absoluter Schwachsinn", meint Zimmermann. Schmidt pflichtet bei: "Kleine Bäume sind Dekoration. Was wir brauchen, sind großkronige Bäume."
Knackpunkt Straßenbau
Idealbeispiel sind für Zimmermann zwei Platanen vor dem Hietzinger Tor in Schönbrunn. "Die sind ungefähr 200 Jahre alt und überschirmen eine Fläche von 1200 Quadratmetern. Das ist ein Riesenschatten." Dass die Bäume überhaupt so alt werden konnten, liegt für die Experten vor allem an früheren Straßenbautechniken. Durch die hätte es genügend Hohlräume im Untergrund gegeben, die durch Wurzeln erschlossen werden konnten. "Diese Bäume stehen nicht nur in kleinen Löchern, sondern erstrecken sich weit unterhalb der Straße. Dadurch haben sie auch eine sehr gute Standfestigkeit", sagt Zimmermann.
Wer die Faustregel beachte, dass das Wurzelwerk eines Baums in seiner Größe in etwa jener der Krone entspricht, könne erkennen, wieviel Platz die Wurzeln benötigen. Beim aktuellen Straßenbau wird hingegen der Unterbau so sehr verdichtet, dass Wurzeln nicht durchkommen. "So eine typische, etwa 10 Kubikmeter große Baumscheibe, wird von einem Baum in 5 Jahren durchwurzelt", meint Zimmermann. Weil das Erdreich rund um Leitungen und Rohre noch lockerer ist, umschlingen die Wurzeln diese.
Mehr Platz für die Wurzeln
"Der Baum kommt beim Wurzelvolumen schnell an seine Grenzen und kann dann nicht weiterwachsen", erklärt Zodl. Nach rund 20 Jahren stirbt so ein Baum nach und nach ab und wird dann meistens entfernt und ersetzt. Leider entfalten Bäume erst nach 25 bis 30 Jahren ihre stadtklimatischen Funktionen.
Hier setzt langsam ein Umdenken ein. Um Bäume größer und älter werden zu lassen, hat die Stadt Zürich beschlossen, Bäume nur noch an Standorten mit ausreichend Platz für die Wurzeln pflanzen zu lassen. Der Vorreiter beim nachhaltigen Baumpflanzen ist aber Stockholm. Von dort kommt das so genannte Schwammstadtprinzip.
Damit wird der durchwurzelbare Raum unter die befestigten Flächen, wie Gehsteige, Radwege oder Fahrbahnen, erweitert. In ein Skelett aus Steinen mit großen Hohlräumen wird nährstoffreiches Substrat mit Wasser eingeschwemmt. Am besten mischt man dieses aus lokal vorhandenen Materialien zusammen. Ein Baum findet bei dieser Bautechnik genügend Raum unter der Straße, um seine Wurzeln auszustrecken, ohne die Fahrbahn zu beeinträchtigen.
Idee verbreitet sich
Ein großer Vorteil dieser Methode ist auch, dass der Untergrund wie ein Schwamm wirkt, der bei Regengüssen Wasser speichern kann. Der Baum kann sich dadurch besser selbst versorgen und das Kanalsystem wird stark entlastet. "Wenn man Bäume an neuen Standorten gleich so pflanzt, ist es unwesentlich teurer als ein konventioneller Bau", meint Schmidt. Wenn es nachträglich gemacht wird, entstünden höhere Kosten, denn: "Kostentreiber ist der Aushub." Rund 35 Kubikmeter Platz seien unbedingt notwendig.
Das Schwammstadtprinzip kommt an immer mehr Orten in Österreich zur Anwendung. In Wien, Graz, Linz, Innsbruck, aber auch kleineren Städten wie dem niederösterreichischen Lanzenkirchen, gibt es entsprechende Projekte. Dass es weiter ausgerollt werden sollte, liegt für die Experten auf der Hand. "Wenn man diese Idee mal verstanden hat, gibt es keinen Grund, das nicht zu machen", sagt Schmidt. "Großkronige Bäume entscheiden darüber, ob die Stadt zukünftig noch bewohnbar ist."
Bei Neubauprojekten müssen Verkehrsplaner stärker mit Landschaftsarchitekten zusammenarbeiten und Klimaanalysen herangezogen werden, fordert Zimmermann. Die Salzstreuung soll eingeschränkt werden. Am Ende sei folgendes entscheidend: "Der Baum sollte im Mittelpunkt stehen, weil der steht stellvertretend für den Menschen - nicht das Auto."
Das Problem der Angstschnitte
Wer einen Baum auf seinem Grundstück hat, ist auch für seine Pflege verantwortlich. Ist ein Ast morsch und fällt einem Fußgänger neben dem Grundstück auf den Kopf, kann man dafür haftbar gemacht werden. Dieser Umstand führt nun allerdings dazu, dass viele Bäume gestutzt oder gar gefällt werden, bei denen das gar nicht notwendig wäre. "Wir verlieren dadurch viel vegetative Substanz, die uns vor dem Klimawandel schützen sollte", meint Landschaftsarchitekt Daniel Zimmermann. "Diese diffuse Angst, dass etwas von einem Baum abbrechen könnte und jemanden verletzt oder zu Sachschaden führt, ist verbreitet", meint Helga Zodl, die gerichtliche Sachverständige für derartige Vorfälle ist. "Das Risiko ist aber sehr gering, wenn man sich anschaut, wie viele Bäume es gibt und wie oft so etwas passiert."
In Haftungsfragen sind Bäume Häusern gleichgesetzt. "Von der baumpflegerischen Seite sind wir damit nicht glücklich, weil Bäume biologische Systeme sind und man sie nicht nach einem Standard herstellen kann." Dass sich diese rechtliche Einstufung in naher Zukunft ändert, sei nicht absehbar, meint Zodl. "Einen 100 Prozent bruchsicheren Baum gibt es nicht. Wir haben das aber zehntausende Jahre lang nicht als so gravierendes Problem gesehen, dass wir Bäume aus unserer Lebensumgebung verbannt hätten." Derzeit sei es aber manchmal so.