Was die Fassadenbegrünung in Städten bringt
Noch ist es Frühling und die Temperaturen halten sich vornehm zurück. Doch im Sommer wird es in Österreich in dicht bebauten Stadtgebieten wieder Tropennächte geben, in denen es auch nachts nicht unter 20 Grad abkühlt.
Als es vor 10 Jahren die ersten Fassadenbegrünungen gegeben hat, spielte dieses Thema noch keine große Rolle. „Das Hitzeproblem war damals nicht so präsent. Damals hat man grüne Fassaden konzipiert, weil diese die Feinstaubbelastung reduzieren und CO2 aus der Luft nehmen“, erzählt Johannes Leitner, Geschäftsführer der Firma Green Urban Life, die Fassaden und Dächer begrünen. Laut Leitner entzieht ein Quadratmeter Begrünung mit 25 Pflanzen im Schnitt 2,3 Kilogramm CO2 und produziert 1,7 Kilogramm Sauerstoff.
Natürliche Klimaanlage
Seit die Hitzebelastung im urbanen Raum steigt, wird jedoch ein weiterer Effekt immer wichtiger, den Fassadenbegrünung mit sich bringt: die „natürliche Klimaanlage“. Wenn vor oder an einer Fassade Pflanzen wachsen, kann sich diese nicht mehr so stark aufheizen. „Eine dunkle Hausmauer könnte bis zu 60 Grad heiß werden, eine von Pflanzen geschützte, begrünte Mauer erreicht maximal 30 Grad“, erklärt Björn Schoas von der Umweltberatung. „Pflanzen nehmen Wasser auf und geben es durch Verdunstung wieder ab. Auch dadurch entsteht ein zusätzlicher Kühleffekt“, sagt Schoas.
Dieser Kühlungseffekt ist etwa für jene spürbar, die am Gebäude vorbeigehen. Sie merken an einem heißen Sommertag straßenseitig einen Temperaturunterschied von bis zu 12 Grad. „Bei einem Innenhofprojekt haben wir bereits eine Kühlung von 14 Grad erreicht“, erzählt Leitner von Green Urban Life.
Positive Effekte für die Umgebung
Speziell in Großstädten können die kühleren Fassaden auch in der Nacht etwas dazu beitragen, die Hitzebelastung zu senken. „Tropennächte entstehen dadurch, dass versiegelte Flächen Hitze wieder abgeben. Wenn sich eine Fassade nicht aufheizt, speichert sie auch nicht die Wärme und kann sie in der Nacht auch nicht mehr abgeben“, erklärt Schoas von der Umweltberatung.
Laut dem Landschaftsarchitekten Daniel Zimmermann ist Fassadenbegrünung allerdings „weniger wirksam, als wenn man einen Baum pflanzt, der eine Krone ausbildet. Es wirkt weitgehend am Objekt selbst, aber um Hitzepole wegzubringen, reicht es nicht“, meint Zimmermann. Ein großer Baum mit Krone würde hingegen auch die versiegelte Fläche darunter, wie etwa die Straße und den Gehsteig, beschatten und so die Temperatur bzw. das Aufheizen senken.
„Das Wichtigste wäre: Autos raus und Flächen entsiegeln. Fassadenbegrünung hat höchstens einen zusätzlichen Effekt“, so der Landschaftsarchitekt. Er erklärt dies unter anderem damit, dass die größten Hitzepole in Straßenzügen von parkenden Autos ausgehen. „Autos haben eine hohe Abstrahlungswärme, das stimmt. Aber wenn man mit einer Infrarotkamera durch die Straßen spaziert und die Temperatur von Fassaden abliest, wird man in den Straßenzügen einen deutlichen Temperaturunterschied feststellen können“, entgegnet Leitner von Green Urban Life.
Bis zu 3 Grad Kühlung im Innenraum
Für Gebäudebewohner*innen ist der Effekt auch im Inneren zu bemerken: Etwa 3 Grad kühler ist es in Innenräumen durch die Außenbegrünung. „10 bis 20 Prozent der Kühlkosten lassen sich damit einsparen“, fügt Leitner hinzu.
Ein weiterer, angenehmer Nebeneffekt: Im Winter kommt es durch die Isolierung zu einer Wärmedämmung und es lassen sich dadurch Heizkosten einsparen. „Durch die steigenden Energiepreise kann das durchaus für manche attraktiv werden“, erklärt Schoas.
Wie viel genau sich hier einsparen lässt, hängt allerdings von verschiedenen Faktoren ab. Schoas nennt als Beispiel für eine gute Kühlung und Wärmedämmung das bekannte Gebäude der MA48 im 5. Bezirk in Wien. Bei diesem wurden 850 Quadratmeter Fassade begrünt. „Der Kühleffekt entspricht der Leistung von 45 Klimakühlgeräten, die 8 Stunden am Tag laufen. Im Winter lässt sich der Wärmeverlust in Watt pro Quadratmeter um bis zu 50 Prozent reduzieren“, sagt der Umweltberater.
„Damit man im Winter Heizleistung einsparen kann, müssen immergrüne Pflanzen gewählt werden. Außerdem spielen Wanddicke und Baumaterialien eine Rolle und wie gut die Wärmedämmung bereits vorher funktioniert. Bei schlecht isolierten Gebäuden wirkt eine großflächige Bepflanzung wie eine zweite Haut und dämmt extrem gut“, sagt Schoas. Allerdings müsste dann eine großflächige Bepflanzung gewählt werden, die wiederum mehr Kosten verursacht.
„Hier muss man mit höheren Pflegekosten für Beschneidung, Bewässerung und Dünger rechnen“, erklärt Schoas. Bei Neubauten, die bereits über eine gute Wärmedämmung verfügen, kann nicht mehr viel extra rausgeholt werden, weil es bereits sehr energieeffizient ist.
Mit diesen Kosten muss man rechnen
Apropros Kosten: Diese sind ein Hauptgrund, warum Fassadenbegrünung bisher als „Luxus-Thema“ angesehen wird. Je nach eingesetztem System unterscheiden sich auch die Kosten. So gibt es bodengebundene Systeme, bei denen Rankenpflanzen die Fassade hochwachsen. Oder aber es gibt Tröge, die an der Wand befestigt werden. „Wenn ich eine Kletterpflanze wie Wilder Wein in die Erde setze und sie hochwachsen lasse, habe ich kaum Kosten“, erklärt Schoas. Hier beginnen die Kosten bei 70 Euro pro Quadratmeter. „Bei den troggebundenen Systemen muss man mit Ausgaben von mindestens 500 Euro pro Quadratmeter rechnen“, so der Umweltberater.
Leitner von Green Urban Life erklärt, dass die Premium-Systeme seiner Firma, fix und fertig begrünt und montiert, bei 650 Euro pro Quadratmeter beginnen. „Wir arbeiten dabei mit Edelstahl und einer computergesteuerten Bewässerung inklusive Sensortechnologie, die das Optimum für Pflanzen automatisch errechnet“, sagt Leitner. Dies sei vorteilhaft, wenn es um den Wasserverbrauch geht.
„Während herkömmliche Systeme bis zu 16 Liter Wasser pro Quadratmeter verbrauchen, benötigen unsere Systeme durchschnittlich einen halben Liter Wasser pro Quadratmeter, vorausgesetzt es werden damit etwa 30 bis 32 Pflanzen bewässert“, sagt Leitner. Verbraucht werden soll dabei hauptsächlich gesammeltes Regenwasser sowie sogenanntes Grauwasser.
Förderungen helfen, Interesse zu steigern
Laut Leitner steigt die Nachfrage nach Fassadenbegrünung vor allem in jenen Städten und Ländern an, die dafür auch Förderungen vorsehen. „Dort, wo Kommunen Zuschüsse leisten, gibt es eine größere Nachfrage“, erklärt der Geschäftsführer. Auch Schoas von der Umweltberatung verzeichnet eine „stetige Zunahme an Beratungsanfragen“ zu dem Thema. Die Stadt Wien fördert Innenhofbegrünungen mit bis zu 3.200 Euro und straßenseitige Begrünungen mit bis zu 5.200 Euro. „Wir haben auch viele Anfragen von Geschäftslokalen, die die Erdgeschosszone begrünen möchten. Das ist oft schnell und leicht umsetzbar“, so Schoas. „Je mehr grün, umso besser für das Stadtklima.“