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Wie künstliche Intelligenz bei der Energiewende hilft

Bis 2030 soll der heimische Gesamtstromverbrauch zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen abgedeckt werden. Der Ausbau von Wind- und Wasserkraft, Photovoltaik, Biomasse und erneuerbaren Gasen soll helfen, dieses Ziel zu erreichen.

Durch die Energiewende und fortschreitende Digitalisierung befindet sich der Energiesektor generell im Umbruch. Während es zuvor wenige große Anbieter gab, ist das Netz aus erneuerbaren Energien aufgrund der zahlreichen „kleineren“ Produzenten inzwischen dezentral geworden.

Nicht zuletzt auch wegen der sogenannten Sektorenkopplung wird das gesamte Energiesystem außerdem immer komplexer. Dabei werden die Energiesysteme Strom, Wärme, Kälte, Verkehr und Industrie nicht mehr einzeln, sondern ganzheitlich betrachtet, um so die gesamte Energiebranche zu dekarbonisieren.

„Es sind sehr große Datenmengen verfügbar, allerdings ist es schwierig, aus diesen Datenmengen Verbesserungsmöglichkeiten abzuleiten"

Michael Zellinger, BEST

Maschinelles Lernen

Um dieses komplexer werdende Energiesystem auch weiterhin koordinieren zu können, bedarf es einer raschen und automatischen Erfassung und Verarbeitung von Daten, etwa zur Erzeugung, Speicherung oder zum Verbrauch und Bedarf von Energie.

„Es sind sehr große Datenmengen verfügbar, allerdings ist es schwierig, aus diesen Datenmengen Verbesserungsmöglichkeiten abzuleiten. Das kann mithilfe von maschinellem Lernen (ML) und künstlicher Intelligenz (KI) bewerkstelligt werden“, sagt Michael Zellinger vom BEST –  Bioenergy and Sustainable Technology – gegenüber der futurezone.

Konkret ermöglichen Methoden aus den Bereichen Big Data, ML und KI, aber auch immer leistungsfähigere Optimierungsalgorithmen, Systeme nachhaltiger zu betreiben und bei ihrer Planung sowie bei ihrem Betrieb Ressourcen zu schonen. Wie sie besser nutzbar gemacht werden können, ist Gegenstand des von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) geförderten Projekts „Boosting Sustainability with Artificial Intelligence and Optimization“ (BSAIO)

Um Unternehmen im Energiebereich im Umgang mit Nachhaltigkeit,  KI und Big Data  zukunftsfit zu machen, werden im Rahmen eines Bootcamps neben der Wissensvermittlung die Methoden direkt in Aufgabenstellungen aus der Praxis zur Anwendung gebracht.

Genauere Prognosen

Ziel dieser Qualifizierungsmaßnahme, die aus Mitteln des Bundesministeriums  für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort finanziert wird, ist es, auch weniger bekannte, aber potenzielle Methoden zur Erhöhung der Nachhaltigkeit im eigenen Betrieb einzusetzen. 

„Mithilfe von Optimierungsalgorithmen lassen sich Systeme ganzheitlich analysieren und ein optimales Setting für Energiesysteme finden"

Michael Zellinger, BEST

Die Anwendungsfälle sind dabei vielfältig: „Ein Thema waren Prognosen auf Basis von bestehenden Echtdaten – also wie sich die Netzbelastung entwickeln oder wie mein Lastmanagement agieren wird, um den zukünftigen Energiebedarf zu decken“, sagt Zellinger. Genauso gehe es aber auch um die Vermarktung von Flexibilitäten am Energiemarkt: Flexible Anbieter können Leistung und Lasten an den jeweiligen Bedürfnissen des Marktes anpassen.

Schließlich gehe es auch um die Frage, wie Produktionsanlagen am besten platziert werden können, um möglichst viel Nutzen daraus zu ziehen und wie diese Anlagen künftig effizienter gewartet werden können. Optimierungsalgorithmen helfen wiederum dabei, die Systeme nachhaltiger und umweltschonender zu planen und zu betreiben. Zellinger: „Mithilfe von Optimierungsalgorithmen lassen sich Systeme ganzheitlich analysieren und ein optimales Setting für Energiesysteme finden.“

Methoden vertieft

Das von BEST und den wissenschaftlichen Partnern Fachhochschule Wiener Neustadt (Campus Wieselburg) und Fachhochschule Joanneum (Campus Graz) geleitete Bootcamp wurde im September abgeschlossen. Zu den teilnehmenden Unternehmen zählen die Energie Steiermark AG, Salzburg AG, KELAG AG, KWB (Kraft und Wärme aus Biomasse Gesellschaft), Aigner Wasser-Wärme-Umwelt-GmbH und Ralf Ohnmacht – Technisches Büro für Maschinenbau und Energietechnik. 

„Gerade sind wir in der Nachbearbeitung“, sagt Zellinger und ergänzt: „Die Praxisprojekte, die in den jeweiligen Unternehmen gestartet wurden, werden nun weitergeführt und weiterbearbeitet.“  

Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).

Präzise Prognosen zu Wolkenbewegungen

Die Stromversorgung mittels Solarpaneelen kann durch exakte Prognosen von Wolkenbewegungen optimiert werden. In Großbritannien hat sich der Stromnetzbetreiber National Grid Electricity System Operator (ESO) daher mit dem Non-Profit-Start-up Open Climate Fix (OCF) zusammengetan, um genau dieses Ziel zu verfolgen. 

Das auf künstliche Intelligenz basierte Trackingsystem gleicht die Wolkenbewegungen mit den genauen Standorten der Solarmodule ab und erzielt damit um bis zu 50 Prozent präzisere Prognosen für Solarenergie als bisher.

Satellitenbilder lesen

Zum Einsatz kommt ein auf maschinelles Lernen (ML) gestütztes Modell, welches Prognosen in Minuten und Stunden statt in Tagen ermöglicht. Das Modell wird trainiert, Satellitenbilder zu interpretieren und zu verstehen, wie und wo sich Wolken über den Solaranlagen bewegen. 

Zuvor musste ESO bei schlechten Wetterbedingungen auf Reserve-Strom von traditionellen und teuren  erdgasbetriebenen Anlagen zurückgreifen. Mit diesen präzisen Prognosen könnten diese Anlagen nun deutlich reduziert werden. ESO kann zudem den sauberen Strom besser einplanen, die Stromversorgung verbessern und generell die Umstellung auf erneuerbare Energie fördern. 

Laut Carolina Tortora, Leiterin für Innovation Strategy and Digital Transformation bei ESO könnte das Projekt generell einen wesentlichen Einfluss auf Stromnetzbetreiber weltweit haben.

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Andreea Bensa-Cruz

Andreea Bensa-Cruz beschäftigt sich mit neuesten Technologien und Entwicklungen in der Forschung – insbesondere aus Österreich – behandelt aber auch Themen rund um Raumfahrt sowie Klimawandel.

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