Wie der Lärmschutz an Autobahnen deutlich effizienter wird
Verkehrslärm ist nicht nur ein Stress- und Unruhefaktor. Für Menschen, die entlang stark befahrener Straßen wohnen, stellt er sogar ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar. Das deutsche Fraunhofer-Institut LBF und die österreichische ASFINAG sind nun auf eine Möglichkeit gestoßen, mit der man eine solche Lärmbelastung deutlich effizienter reduzieren kann.
Hinter der sperrigen Bezeichnung "vibroakustische Metamaterialen" (VAMM) versteckt sich nämlich ein möglicher Meilenstein bei der Weiterentwicklung von Lärmschutztechnologie.
In Schwingung versetzen
Schall ist im Grunde nichts anderes als Luft, die vibriert und sich bewegt. Trifft der Schall nun auf eine Wand bedeutet das nicht, dass er dadurch verschwindet. Vielmehr prallt er ab und bewegt sich in andere Richtungen fort. Zusätzlich bringt er auch die Wand zum Schwingen.
Resonanzkörper absorbieren den Schall
"Bestückt man eine solche Wand mit kleinen Resonanzkörpern, können die akustischen Vibrationen der Luft höchsteffizient an der Wand abgebaut werden", erklärt Sebastian Rieß, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut LBF im Gespräch mit der futurezone.
Das Verkehrsrauschen liege hauptsächlich auf dem Frequenzband von rund 1.000 Hertz. Entsprechend angeordnete Resonatoren können in diesem Bereich ein so genanntes Stopp-Band erzeugen, das die Schallwellen bricht und eine weitere Ausbreitung verhindert. "Der Luftschall wird dabei in Körperschall umgewandelt und im Zuge dessen von den Resonatoren absorbiert und nicht weitergeleitet", sagt Rieß.
Deutlich leiser
Laborversuche mit dieser Neuentwicklung hätten die Erwartungen deutlich übertroffen, erklärt der zuständige ASFINAG-Projektleiter Peter Rath gegenüber der futurezone. Im Vergleich zu einer herkömmlichen Lärmschutzwand konnte mithilfe der Resonatoren eine Übertragungsreduktion von bis zu 20 Dezibel erreicht werden. Zum Vergleich: Eine Verminderung des Pegels um 6 Dezibel bedeutet bereits eine Halbierung der wahrgenommenen Lautstärke.
Weniger Material notwendig
Neben der effizienteren Schallreduktion gibt es noch einen weiteren Vorteil. "Um denselben Lärmschutz bieten zu können, ist der Materialeinsatz deutlich geringer", weiß Rath. Oder umgekehrt: Mit nur wenig mehr Materialeinsatz kann ein wesentlich höherer Lärmschutz erreicht werden.
Außerdem ist ein kompletter Neubau der Schallschutzwände nicht zwingend notwendig. "Denkbar wäre etwa, dass solche Resonatoren modulartig über bereits bestehende Lärmschutzwände gelegt werden", erklärt der Projektleiter der ASFINAG.
Probebetrieb geplant
Nun geht es an die Umsetzung: Der Lärmschutz-Prototyp soll zu einem Standardprodukt weiterentwickelt und in weiterer Folge unter realen Bedingungen an stark befahrenen Straßen getestet werden.
Zunächst muss aber herausgefunden werden, wie sich eine solche Lärmschutzwand wirtschaftlich am besten umsetzen lässt. Noch in diesem Herbst wird es eine entsprechende Ausschreibung geben, um Kooperationspartner ins Boot zu holen. Geplant ist, dass die hocheffiziente Lärmschutzwand ab 2025 auf der Schnellstraße S1 im Bereich Vösendorf erstmals probeweise eingesetzt wird.
Die Autobahn als Sonnenkraftwerk
In Österreich gibt es aktuell mehr als 2.200 Autobahn- und Schnellstraßen-Kilometer. Rund 1.400 Kilometer davon werden von Lärmschutzwänden begleitet. Zusammengerechnet ergibt sich durch den Schallschutz eine Wandfläche von fast 5 Quadratkilometern.
Diese enorme bereits verbauten Fläche eröffne aktuell auch neue Möglichkeiten in Sachen Nachhaltigkeit und Innovation, heißt es von ASFINAG-Vorstand Hartwig Hufnagl gegenüber der futurezone. "In Niederösterreich erzeugen wir etwa mit Fotovoltaik grünen Strom auf Lärmschutzwänden und in Tirol ist kürzlich die erste begrünte Öko-Wand entstanden."
In diesem Sinne untersucht der österreichische Autobahnbetreiber derzeit, inwieweit sich Lärmschutzwände generell zur Gewinnung erneuerbarer Energie mithilfe von Solarpaneelen eignen. Das sieht auch das aktuelle Regierungsprogramm vor.
Das Pilotprojekt
Das "Photovoltaik-Testfeld" der ASFINAG erstreckt sich über 70 Meter bei Laxenburg an der S1 Wiener Außenring Schnellstraße. Es umfasst insgesamt mehr als 100 Photovoltaik-Paneele, mit denen rund 45.000 Kilowattstunden sauberer Strom pro Jahr produziert wird.
Sinnvoll sei es, die dadurch produzierte Energie auch gleich vor Ort zu verwenden, heißt es von der ASFINAG. Dementsprechend werde die komplette Sicherheitsausrüstung der 16 Kilometer langen südlichen S1 zu 100 Prozent mit dem selbst erzeugten Solarstrom versorgt.
Ob sich Lärmschutzwände tatsächlich für die Gewinnung grüner Energie ohne zusätzlichen Flächenverbrauch eignen, wird aber erst eine Evaluierung zeigen.
Die Anforderungen
Die Solarmodule müssen nämlich den vielfältigen und sicherheitsrelevanten Anforderungen des Straßenverkehrs tatsächlich gerecht werden. Es muss beispielsweise gewährleistet werden, dass die Autofahrer in keinster Weise durch die Module geblendet oder abgelenkt werden. Außerdem gilt es zu klären, wie aufwendig die Wartung dieser Sonnenkraftwerke ist.
Nicht unwesentlich ist auch das Thema Verschmutzung. Lagert sich auf den Fotovoltaik-Modulen nämlich Staub oder ähnlicher Schmutz ab, wird die Energieeffizienz entsprechend gemindert. Es muss also auch herausgefunden werden, in welchen zeitlichen Abständen die Solarpaneele gereinigt werden müssen und wie es sich mit der Schneeräumung verhält.