Fehlende Regulierung: So sollen Menstruationsartikel sicherer werden
Manchmal scheint es, als wäre unsere Welt unglaublich penibel reguliert. So gibt es etwa einen Standard, der den Abstand der einzelnen Sprossen in einem Grillrost regelt, damit kein Würstchen in die Kohle fällt. Derart genaue Vorgaben bei viel wichtigeren Produkten wie Menstruationsartikel gibt es zum Schutz der Frauen absurderweise hingegen nicht. So sind Produkte wie Tampons, Binden oder Menstruationstassen, die Frauen direkt im oder am Körper tragen, in der EU kaum reguliert.
Prinzipiell gilt ein Tampon dann als sicher, wenn er während der Menstruation nicht ausläuft. Ob er aber auch gesundheitlich unbedenklich ist, darauf bekommen Frauen auch im 21. Jahrhundert noch keine klare Antwort. Denn aufgrund der geringen Regulierung fehlen bis heute entsprechende Methoden, um diese Hygieneartikel und ihre Auswirkungen auf den Körper zu prüfen.
Chemische Analysen
Der Bedarf ist aber groß. Denn Einwegprodukte wie Tampons können Rückstände von Pestiziden, Schwermetallen oder Plastik enthalten. Menstruationstassen aus Silikon beinhalten hingegen sogenannte zyklische Siloxane. Das sind chemische Verbindungen, deren Gesundheitsrisiko bisher ebenfalls kaum erforscht ist.
Die österreichischen Forschungsinstitute OFI, LVA und IWI der Austrian Cooperative Research (ACR) wollen daher im Rahmen des Projekts Leifs („Let it flow safely“), das aus Mitteln des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft gefördert wird, Methoden entwickeln, mit denen sich toxikologische Eigenschaften der Materialien und mikrobiologische Risiken in Bezug auf allergische Reaktionen oder Infektionen untersuchen lassen.
„Mit chemischen Analysen wollen wir möglichst viele Substanzen, die sich aus den Produkten herauslösen und vom Körper aufgenommen werden können, chemisch detektieren, analysieren und identifizieren“, sagt die Projektleiterin Elisabeth Mertl vom OFI der futurezone.
Verpackungen prüfen
Daneben sollen biologische Tests Auskunft darüber geben, wie sich die Substanzen in den Produkten auf den Körper auswirken. Der Fokus liege auf Irritationen und Sensibilisierung der Haut. Parallel sollen auch die Verpackungen untersucht werden. „Denn wenn eine Verpackung sehr eng um das Produkt verschweißt ist, können auch von ihr aus gewisse Substanzen auf das Produkt übergehen“, sagt sie.
Im Vordergrund stehen wiederverwendbare Produkte wie waschbare Stoffbinden oder Periodenunterwäsche, da in diesem Segment das größte Marktwachstum erwartet wird. „Bei diesen Produkten weiß man nicht, inwieweit sie sich über die Zeit verändern und ob das jeweilige Produkt auch nach einem Jahr noch genauso zu verwenden ist oder sich schon eine Abnützung erkennen lässt“.
Informationen dazu sollen Alterungssimulationen bringen. Damit kann Mertl die Produkte im Labor künstlich schnell altern lassen. Daneben wolle sie die ideale Reinigung von Mehrwegprodukten ermitteln, mit der sich über die Zeit anhäufende Keime entfernen lassen.
Erste Versuche
Die entstehenden Testverfahren sollen am Ende eine systematische Sicherheitsbewertung der Artikel ermöglichen. Ziel sei, Methoden zu entwickeln, die nicht spezifisch nur für ein Material, sondern universell einsetzbar sind. „Man hat gesehen, wie schnell die Entwicklung von Menstruationstassen vorangegangen ist. Plötzlich waren viele Produkte auf dem Markt“, sagt die Biotechnologin. Für Innovationen sei es daher sinnvoll, wenn nicht erst eine neue Prüfmethode aufgebaut werden muss, sondern man auf eine bereits bestehende zurückgreifen kann.
Aktuell befindet sich das Team rund um Mertl mitten in der Entwicklung. „Wir haben bereits erste Versuche mit Produkten gemacht und sind noch dabei, bestimmte Parameter beim Testen anzupassen“, sagt sie. Voraussichtlich im nächsten Jahr könnten die ausgebauten Methoden einsatzbereit sein, um verschiedene Produkte zu evaluieren. Bis diese Normen aber tatsächlich realisiert werden, werde es noch ein paar Jahre dauern. „Die ersten Grundlagen wird es wahrscheinlich in 2 bis 3 Jahren geben. Wie weit diese Grundlagen dann sind und wie detailliert sie Methoden beinhalten, ist zum aktuellen Zeitpunkt schwierig vorherzusagen“.
Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft.
ISO arbeitet an weltweit gültigen Standards für Hygieneartikel
Die Regelblutung war lange Zeit ein gesellschaftliches Tabuthema. Eine große Rolle in der Tabuisierung dürfte unter anderem die Tampon- und Bindenindustrie gespielt haben. Die hat das Blut in ihren Werbungen etwa lange Zeit mit blauer Flüssigkeit dargestellt. Daneben wurden aufgrund einer mangelhaften Regulierung und fehlender gesetzlich vorgeschriebener Sicherheitsstandards Menstruationsartikel auch kaum erforscht.
Neben dem Österreichischen Forschungs- und Prüfinstitut OFI, das im Rahmen des Projekts Leifs Methoden entwickelt, um die Sicherheit von Periodenprodukten zu prüfen, will auch die Internationale Organisation für Normung (ISO) in Zukunft international gültige Standards für Menstruationsprodukte einführen.
Einweg und Mehrweg
„Seit vergangenem Jahr beschäftigt sich auf ISO-Ebene ein technisches Komitee mit Menstruationsartikeln“, sagt die Leifs-Projektleiterin Elisabeth Mertl. Dabei geht es um die Normung von sowohl Einweg- als auch Mehrwegprodukten – unabhängig vom Material.
Mertl ist Teil dieses Komitees und wird ihre Leifs-Forschungsergebnisse in die künftigen ISO-Normen einbringen. „Ich hoffe, dass wir unseren Input liefern können, damit die Methoden in vielen Bereichen und Ländern angewendet werden können.“
Vakzine gegen „Tamponkrankheit“
Hygieneartikel können je nach Material und Immunsystem der Anwenderin unterschiedliche körperliche Reaktionen auslösen. Eine der bekanntesten Folgen ist das lebensbedrohliche Toxische Schocksyndrom (TSS). Dieses wird bei jungen Frauen unter anderem mit dem Gebrauch von Tampons infolge einer bakteriellen Infektion in Zusammenhang gebracht.
Schätzungen zufolge sollen 3 drei von 100.000 menstruierenden Frauen an TSS erkranken. Das Toxische Schocksyndrom wurde früher auch als „Tamponkrankheit“ bezeichnet – Tampons sind aber nicht ausschließlich dafür verantwortlich.
Gefährdete Menschen
Ausgelöst wird TSS durch die Giftstoffe der Bakterien Staphylokokken. Unbehandelt kann es zu einem multiplen Organversagen und zum Tod führen. Nun haben Forscher*innen der Biomedizinischen Forschung & Bio-Produkte AG gemeinsam mit der Universitätsklinik für klinische Pharmakologie der MedUni Wien den weltweit ersten Impfstoff gegen TSS entwickelt und die klinische Phase 2 absolviert.
Die Studien haben belegt, dass der „TSS1“-Impfstoff sicher und wirksam ist. Er könnte als Präventionsmaßnahme für gefährdete Menschen zum Einsatz kommen, etwa bei Frauen mit geschwächtem Immunsystem. Die Immunisierung hält dabei mindestens 2 Jahre an. Aktuell laufen die Vorbereitungen für Phase 3.