Wie die Mega-Flut vorhersagbar wird
Überschwemmungen zählen, neben Erdbeben und Stürmen, zu den zerstörerischsten Naturkatastrophen. Durch den Klimawandel kann es immer häufiger dazu kommen, dass historische Höchststände von Flüssen und anderen Gewässern übertroffen werden. Die Vorhersage, wo es zu einer Mega-Flut kommen könnte, ist schwierig. Hydrologen der TU Wien haben nun in einem Projekt eine neue Methode entwickelt, die den Überraschungsfaktor von Hochwässern verringert und Prognosen präziser macht.
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Wo, aber nicht wann
Eine Mega-Flut könnte man auch als Hochwasser beschreiben, das im Mittel einmal alle 1000 Jahre vorkommt, erklärt Günter Blöschl vom Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie der TU Wien. Mit der neuen Methode könne man besser vorhersagen, ob es in einem bestimmten Gebiet zu einer Flutkatastrophe kommt, aber nicht, wann sie eintreten könnte.
Um die Hochwassergefahr an einem Ort zu ermitteln, wurden bisher die Pegelstände der Vergangenheit herangezogen und an die Entwicklungen des Klimawandels angepasst. Wie sich gezeigt hat, hat das manchmal nicht gereicht, um Mega-Fluten vorherzusehen. Das Forscherteam der TU Wien stellt dagegen einen europaweiten Vergleich von Orten mit hydrologisch ähnlichen Eigenschaften an. Dazu zählen etwa durchschnittliche Niederschläge, Eigenschaften von Böden, die Art der Landnutzung und die Größe der Einzugsgebiete – also aus welchem Gebiet Niederschläge zu einem Fluss zusammenlaufen.
Katastrophen wären vorhersagbar gewesen
Entscheidend für die Vorhersage ist nicht, welche Wasserstände es an einem Ort bereits gegeben hat, sondern welche es an all jenen Orten mit ähnlichen hydrologischen Eigenschaften gegeben hat. Daraus ergeben sich neue mögliche Obergrenzen. Die Methode wurde auf Überschwemmungen in der jüngeren Vergangenheit angewendet. Wie sich zeigte, hätte man damit unter anderem die Möglichkeit für die Flutkatastrophe im Rheingebiet 2021 vorhersagen können.
Daten aus 200 Jahren
Wichtig seien Prognosen weniger für die Dimensionierung des Hochwasserschutzes. Dämme, Rückhaltebecken, etc. seien auf hundertjährliche Hochwässer ausgerichtet. „Es geht vielmehr um Alarmpläne, also darum, was passiert, wenn der Hochwasserschutz überschritten wird“, sagt Blöschl. Außerdem wichtig seien Prognosen für die Gestaltung von Frühwarnsystemen und Evakuierungsmaßnahmen.
Für das Forschungsprojekt wurden Daten von mehr als 8.000 Messstationen in Europa aus den Jahren 1810 bis 2021 zusammengetragen. Das sei schwierig gewesen, aber durch strategische Partnerschaften mit Hydrologen aus allen Ländern gelungen.
Unterschiede zwischen kleinen und großen Gebieten
Interessant sei der Vergleich der Daten vor allem für Gebiete mit kleinem Wassereinzugsgebiet. Dort sei die Variabilität bei Wasserständen höher und es gebe meist weniger Messungen. „In kleinen Gebieten sind Gewitter öfter relevant für Hochwässer. Je größer das Einzugsgebiet ist, desto weniger Einfluss haben Gewitter“, sagt Blöschl.
In einem Gebirgstal sei die Infiltrationsfähigkeit von Böden ein wichtiger Faktor, also wie viel Wasser der Boden aufnehmen kann. Wird die Aufnahmefähigkeit überschritten, kommt es zu einem Abfluss. In größeren Gebieten sei der so genannte Sättigungsflächenüberschuss relevanter. Wenn es tagelang regnet, sättigt sich der Boden immer mehr mit Wasser, bis der Grundwasserspiegel irgendwann an die Oberfläche tritt. Dann entstehe ein großes Hochwasser, erklärt Blöschl.
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Fakten
14.000 Kubikmeter
Wasser pro Sekunde – so viel Donauwasser floss im August 1501 durch Wien. Beim Bau der Neuen Donau wurde der Hochwasserschutz auf diesen Rekordwert ausgelegt.
1,81 Milliarden Menschen
weltweit sind laut der Weltbank einem hohen Risiko von Überschwemmungen ausgesetzt. Das Städtewachstum in Flutregionen erhöhe die Gefahr.
Vergleichbare Gebiete
Beim innereuropäischen Vergleich von Gebieten gelte: Klimaregion und Landschaft müssen ähnlich sein. Man könne also nicht Schweden mit Italien vergleichen oder Österreich mit der Ukraine. „Dort ist der Faktor Schneeschmelze viel größer als bei uns“, sagt Blöschl: „Auch Polen ist nicht gut vergleichbar, dort regnet es um die Hälfte weniger. Rumänien mit den Karpaten ist wiederum gut mit Österreich vergleichbar, oder Frankreich.“
Beim Hochwasserschutz sei Österreich hervorragend aufgestellt, sagt der Experte. Es gebe aber immer ein Restrisiko und es sei gut, dieses zu kennen. Wien sei etwa dank der Neuen Donau auf ein 1000-jährliches Hochwasser vorbereitet. „Aber es kann ein 5000-jährliches auftreten. Das ist unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich.“