Mit Satelliten gegen Borkenkäfer und kaputte Wege
Corona-bedingt steht Urlaub in Österreich heuer hoch im Kurs. Neben einem der zahllosen heimischen Seen bieten sich die Berge als Rückzugsort an, um den sommerlichen Temperaturen zu entfliehen. Die Infrastruktur ist gewaltig: 75.000 Kilometer Wanderwege durchziehen die heimischen Gebirge. Über 600 Hütten sind Teil des verzweigten Netzes. Die Instandhaltung ist aufwendig.
Hunderte Wegewarte des österreichischen und anderer Alpenvereine sorgen Jahr für Jahr mit vielen Freiwilligen dafür, dass witterungsbedingte und durch Wanderer verursachte Schäden an den Pfaden behoben und Wegmarkierungen erneuert werden. Neben saisonal bedingten Ereignissen wie Schneedruck gelten vor allem auch sogenannte Massenbewegungen, wie Felsstürze, Muren, Steinschläge, aber auch Hangrutschungen als Herausforderung.
Modernes Monitoring
Um Alpenvereinen und Landesbehörden einen besseren Überblick über entsprechende Hotspots zu gewähren, arbeiten Forscher der Universität Salzburg deshalb an einem digitalen Kartierungssystem, das auftretende Schäden automatisiert erkennt und dokumentiert. Das heuer gestartete Projekt „MontEO“, das unter anderem von der FFG gefördert wird, greift dabei auf Satellitenbilder des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus zurück.
Neben der Bestandsaufnahme aktueller Problemfelder wollen die Forscher auch simulieren, welche Regionen durch solche Massenbewegungen besonders gefährdet sind. Die daraus entstehenden digitalen Karten sollen Verantwortungsträgern helfen, die Wanderwege und Hütten zu identifizieren, auf deren Instandhaltung besonderes Augenmerk gelegt werden muss.
Drei Testregionen
Zum Start konzentrieren sich die Forscher auf drei Gebiete. „Wir starten mit dem Großarl- und Kleinarltal in Salzburg, dem Karwendelgebirge in Tirol und dem oberösterreichischen Salzkammergut“, erklärt Projektleiter Florian Albrecht von der Universität Salzburg im Gespräch mit der futurezone. Bei den Karten gehe es weniger darum, Naturereignisse wie Unwetterschäden in Echtzeit zu erkennen.
Vielmehr gehe es um die mittel- und langfristige Dokumentation von Veränderungen – etwa durch den Vergleich von Aufnahmen des Vorjahres mit dem heurigen Jahr. „Das Ausmaß von Hangrutschungen und Steinschlägen ist mittels Satellitendaten oftmals leichter zu erfassen. Auch wenig frequentierte Winkel und Wege lassen sich so besser beobachten“, erklärt Albrecht.
Copernicus-System
„Das Copernicus-Programm stellt Fernerkundungsdaten zur Verfügung, von denen man vor zehn Jahren nur träumen konnte. Damit werden völlig neue Anwendungen, aber auch Zeitreihen möglich, die mittel- und langfristige Veränderungen über Jahrzehnte penibel dokumentieren und so auch Hinweise auf zukünftige Entwicklungen geben können“, erklärt Albrecht.
Die optischen Copernicus-Satelliten Sentinel 2 liefern aktuell Bilder mit einer Auflösung von 10 Metern. Das bedeutet, dass ein Pixel auf dem Foto aus dem All einer Fläche von 10 mal 10 Metern entspricht. Will man noch näher ins Detail gehen, etwa um Schäden an Wanderwegen oder im Gelände genauer erfassen zu können, kann man auch auf kommerzielle Anbieter zurückgreifen, die bei ihren Satellitenbildern Auflösungen von bis zu einem halben Meter liefern.
Waldschäden erkennen
Ebenfalls auf Satellitendaten greift das Projekt „AlpMon“ zurück, das den Zustand der alpinen Forste dokumentiert. Anders als beim Projekt der Salzburger Universität wird das System nicht nur verwendet, um eine digitale Bestandsaufnahme inklusive Baumartenverteilung und Waldbedeckung anzufertigen. Vielmehr ist es auch als Warnsystem konzipiert, das quasi in Echtzeit bei großen Schadensereignissen Alarm schlägt.
„Mit unseren Bildverarbeitungsmethoden können wir aus den Satellitenbildern die Informationen extrahieren, die auf Sturmschäden oder Befallsflächen von Borkenkäfern hinweisen. Das erspart teure Erkennungsflüge oder aufwendige Begehungen am Boden“, erklärt Projektleiter Janik Deutscher von der Joanneum Research Forschungsgesellschaft im Gespräch mit der futurezone.
Schnellere Analyse
Auch beim Projekt AlpMon vergleicht die intelligente Software historische Bildzeitreihen mit aktuellen Satellitendaten. Spielt das Wetter mit, zeigt die Software bereits ein bis zwei Tage nach dem Schadensereignis die betroffenen Gebiete an. Durchschnittlich dauert es im alpinen Raum 10 bis 12 Tage, bis die Sentinel-2-Satelliten der ESA die notwendigen wolkenfreien Bilder liefern können. Das sei aber immer noch schneller und günstiger als die jetzigen Schaderhebungen mittels Flugzeugen oder Begehung vor Ort.
„Bei einem großen Sturmereignis dauert es oft viele Wochen, bis die Forstdirektion von den zig Bundesförstern die notwendigen Informationen bekommt, um eine Schadensabschätzung durchführen zu können. Wir können diese Analyse auch für große Flächen bereits nach 2 bis 4 Wochen liefern“, sagt Deutscher.
Kampf dem Borkenkäfer
Die in dem Forschungsprojekt gewonnenen Erkenntnisse sollen nun in das gerade gestarteten Nachfolgeprojekt „BEAT IT!“ einfließen, das sich auf das durch den Klimawandel verschärfte Borkenkäferproblem konzentriert. Mit Zeitreihenanalysen und Risikomodellen, die Satellitenbilder von künstlicher Intelligenz auswerten lassen, will man die Detektion von Befallsflächen entscheidend beschleunigen und mit raschen Gegenmaßnahmen die Ausbreitung verringern.
„Die Auflösung der Sentinel-Satelliten erlaubt, bereits befallene kleine Flächen von 20 mal 20 Meter zu erkennen, da etwa die Verfärbung der Nadeln aus dem All zu erkennen ist“, sagt Deutscher. Während die jetzige Detektion vielerorts auf punktuelle Maßnahmen am Boden, wie das Aufstellen von Pheromonfallen beschränkt sei, biete das geplante System den Vorteil, dass man sich schnell einen räumlichen Überblick über die Befallssituation verschaffen könne.
Die Forscher wollen im Rahmen des Projekts nun testen, ob ein Käferbefall mittels verfeinerter Spektralanalyse sogar vor einer visuell sichtbaren Nadelverfärbung möglich ist.
Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).