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NASAs Mond-zu-Mars-Chef: "Wir müssen unbedingt dort hin"

Amit Kshatriya hat eine schwierige Aufgabe. Bei der NASA leitet er das „Moon to Mars“-Büro. Dort sorgt er dafür, dass der ambitionierte Plan, Menschen nicht nur zum Mond, sondern darüber hinauszubringen, irgendwann gelingt. 

Die futurezone traf den NASA-Ingenieur in Wien. Bei seinem Gastvortrag „Der Mond als Schlüssel zum Weltraum“ in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften präsentierte er den aktuellen Stand des Artemis-Programms. Damit will die NASA zurück auf den Mond, um dort eine langfristige Präsenz aufzubauen. Doch das ist nur der erste Schritt, mit dem die Fähigkeit aufgebaut werden soll, um weiter in den Weltraum vorzudringen. 

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"Moon to Mars"

Amit Kshatriyas Büro betreut 6 Teilbereiche: 

  • Orion Raumschiff
  • Rakete Space Launch System (SLS)
  • Erkundungs-Bodenstation im Kennedy Space Center in Florida
  • Lunar Gateway
  • Landesysteme 
  • autonome Vehikel und menschliche Mobilität (EVA and Human Mobility), wozu auch die Entwicklung von Raumanzügen zählt

„Eine Blaupause für den Deep Space“

Kshatriyas Team hat dabei einige logistische Aufgaben zu bewältigen. Ein kurzfristiges Ziel sei es zu lernen, im Weltraum an Treibstoff zu kommen und diesen dort zu lagern, zum Beispiel im Lunar Gateway. Diese neue Raumstation zwischen Mond und Erde baut die NASA zusammen mit der ESA. „Das ist eine Schlüsseltechnologie“, erklärt Kshatriya. Der Kern der Raumfahrt sei es, schwere Frachten und eine Crew zu bewegen. Dafür brauche man geprüfte und zuverlässige Technologien, auf die man sich verlassen könne.

„Das ist eine Blaupause für den Deep Space“, sagt er. Denn sobald die Möglichkeit etabliert wird, Raketen und Raumschiffe direkt im All mit frischem Treibstoff aufzutanken, ist der Weg bereitet, um noch viel weiter ins Universum vorzudringen. Nur so könnten Menschen auch irgendwann den Mars erreichen. 

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Alles steht und fällt mit dem Wasser

Der gesamte Plan steht und fällt jedoch auch mit der Frage, ob es auf dem Mond große Mengen einfach zugänglichen Wassers gibt. Das gilt zwar als relativ sicher, Restzweifel bleiben jedoch. Das macht die Planung der gesamten Unternehmung zu einer Herausforderung, die mit jeder neuen Information Flexibilität und Anpassungsfähigkeit erfordert. 

„Man muss Risiken eingehen. Wenn wir schon alles wüssten, nimmt es das Mysterium und das Wunder der Entdeckung raus“, zeigt Kshatriya seine Begeisterung. Dabei hat er ein sehr konkretes Bild im Kopf. Eines Tages wird die erste Frau auf dem Mond stehen, an einem Ort, an dem noch nie zuvor ein Mensch war. Sie wird sich umsehen und nach Indizien Ausschau halten, die ihr mehr über diesen Ort verraten. „Für mich ist das eine überwältigende Vorstellung. Das Genie des menschlichen Gehirns erkennt Muster, die kein Orbiter oder Roboter wahrnehmen kann“, erklärt er. 

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NASA-Illustration zweier Astronautinnen, die Mondgestein untersuchen

Vertrauen in die Wissenschaft

Deswegen müsse man auch unbedingt Menschen dort hinbringen. Kshatriya ist zuversichtlich, dass sie dort finden, wonach sie suchen, denn er vertraut in die Forschung: „Wir haben fantastische Wissenschaftler auf der ganzen Welt. Sie haben sich über das Sonnensystem Gedanken gemacht, Daten über die Entstehung des Mondes ausgewertet und gelernt, wie die kosmische Maschine arbeitet. Wenn sie glauben, es gibt am Mond Wasser, gehen wir dort hin“. 

Das Wasser würde nicht nur das Überleben von Menschen sichern, indem daraus etwa Atemgas entsteht. Es wäre auch die Basis für Treibstoffproduktion. Bereits heute werden flüssiger Sauerstoff und Wasserstoff zum Antrieb von Raketen und Raumschiffen verwendet. 

Bilder und Messungen des LRO zeigen, wo sich am Südpol des Mondes Wassereis (blau) befinden könnte

Aus Wasser wird Atemluft und Treibstoff

„Wir können Wasser extrahieren, aufbereiten und in Rohstoffe umwandeln. Wir müssen in der Lage sein, vom Land zu leben“, erklärt Kshatriya. Wasser und Treibstoff immer wieder von der Erde zum Mond zu transportieren wäre ein enormer Aufwand, mit dem eine Präsenz auf dem Mond langfristig nicht erhalten werden kann. 

Wasser wird vor allem am Südpol des Mondes vermutet. Der Mond ist leicht geneigt, weshalb der Südpol nicht von der Sonne angestrahlt wird. Einerseits lässt sich die Region dadurch schlechter beobachten. Andererseits ist sie so kalt, dass in den Kratern dort große Mengen an Wassereis verfügbar sein dürften, die noch nicht verdampft sind. Erkannt hat man das mithilfe von Gesteinsproben und Daten des Lunar Reconaissance Orbiter. Einen definitiven Beweis, wie viel Wasser es gibt und wie zugänglich es ist, gibt es aber trotzdem nicht. 

Gefährliche Strahlung

Doch Wasser ist nicht die einzige Unbekannte, mit der Kshatriya planen muss. Bisher ist im Artemis-Programm nur eine Mission geflogen. Das Orion-Raumschiff umrundete ohne Besatzung den Erdtrabanten. Mit Artemis II ist für 2025 eine Umrundung mit Crew vorgesehen. Auch wenn bereits 1969 die erste Mondlandung gelang, ist die Gefahr eines solchen Flugs auch mit dem heutigen Wissen nicht zu unterschätzen. „Sobald man das schützende Magnetfeld der Erde verlässt, ist der Körper Strahlung ausgesetzt“, sagt Kshatriya. 

Zusammen mit neuen Messungen und alten Apollo-Daten sorgen die Ingenieure und Ingenieurinnen mit Abschirmungen dafür, die Auswirkungen auf die Menschen minimal zu halten. Auch die Erfahrungen der ISS spielen eine wichtige Rolle. Obwohl die Internationale Raumstation in 400 Kilometern Höhe noch vom Erdmagnetfeld weitestgehend vor Strahlung geschützt ist, können starke Sonneneruptionen die Besatzung gefährden. Dafür existiert eigens ein Strahlenschutzraum, in dem sie sich im Notfall aufhalten kann. 

Astronautinnen: Helden, Entdecker, Patienten

Missionen auf der ISS können länger als ein Jahr andauern, auf dem Mond sollen Menschen höchstens 2 Monate verbringen. „Wir wissen, wie wir die Auswirkungen eines Langzeitflugs in der Schwerelosigkeit mildern können“, so Kshatriya. Wichtig sei vor allem Sport, um die Knochendichte zu erhalten. 

„Es gibt aber viele Dinge, die wir nicht wissen, weshalb wir vorsichtig sind. Unsere Astronauten sind Helden und Entdecker, aber auch Patienten in einer klinischen Studie. Wir gehen keine großen Risiken ein, bevor wir Langzeiteffekte nicht verstanden haben“, versichert er. 

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Im Zentrum künftiger Raumfahrtmissionen steht neueste Technologie, wie es schon bei der Apollo-Mission der Fall war. Damals musste etwa ein Navigationscomputer gebaut werden, der klein genug ist, um ins Raumschiff zu passen. In einer Zeit, in der Computer noch so groß wie Bücherregale waren, kam dieser Apollo Guidance Computer auf nur 61 Zentimeter Länge und 32 cm Breite, mit einem Gewicht von 32 kg. „Das Glück ist auf der Seite der Mutigen“, kommentiert Kshatriya.

Hohe Investitionen brauchen Vertrauen

Zum Mut gehört in diesem Fall aber auch eine enorme Geldmenge. Die US-Regierung hat allein für das Finanzjahr 2025 7,8 Milliarden US-Dollar für das Artemis-Programm eingeplant. Verzögerungen sorgen aber gleichzeitig immer wieder für Unmut. Während Illustrationen den Traum von Mond- und Marssiedlungen spinnen, wurde Artemis II mehrfach verschoben, zuletzt von November 2024 auf September 2025. Probleme mit einem Schaltkreis, der die Belüftung und Temperatur im Orion-Raumschiff reguliert und abfallende Teile beim Hitzeschild werfen den Start zurück.

„Es ist einfach, Vertrauen zu gewinnen, aber schwer, es zu halten. Gestaltet man ein Programm auf dem Papier, ist das einfach, flexibel, interoperabel, leicht, unter dem Budget und im Zeitplan. Sobald wir ein echtes System schaffen, ist es schwer, über dem Budget und verspätet. Der Preis dafür ist die Blamage, und ein massiver Aufwand von Ressourcen. So funktioniert die Welt“, sagt Kshatriya. 

Artemis-Zeitplan

Das sind die aktuell vorgesehenen Startzeiträume: 

  • Artemis II (Umrundung mit Besatzung): September 2025
  • Artemis III (erste Landung am Mond-Südpol): September 2026
  • Artemis IV (erster Flug zum Lunar Gateway): 2028
  • Artemis V (Mondlandung mit Zwischenstopp beim Lunar Gateway): 2029

Anschließend soll es jährliche Missionen geben

NASA-Design aus der "Explorer"-Reihe

Um das Vertrauen jener Menschen zu behalten, die durch Investitionen oder mit Steuern das Programm finanzieren, müsse man daher ehrlich sein und Fortschritt und Methoden erklären. „Wenn man das nicht macht, verliert man das Vertrauen für immer. Wir zeigen gerne einen Endpunkt, aber nicht so gerne den Weg dorthin, weil wir lieber den schlussendlichen Erfolg präsentieren. Aber wir müssen klar kommunizieren, wo es Herausforderungen gibt, auch wenn das schwer ist.“

Infrastruktur schaffen

Davon profitieren auch private Firmen und Start-ups, die ein immer wichtigerer Teil der NASA-Planung geworden sind. Statt nur einen zentralen Weg zu gehen, mit eigenen Raketen, Raumschiffen und Ländern, prescht die NASA vor und übernimmt das Risiko, um der Industrie eine Infrastruktur bieten zu können. Das Kennedy Space Center kann etwa von privaten Unternehmen wie SpaceX als Startgelände genutzt werden. Die ISS kann ebenfalls von Firmen für Experimente genutzt werden, sogar die touristische Nutzung ist möglich. Dadurch werden völlig neue Geschäftsfelder eröffnet. So ähnlich handhabt das auch die Europäische Raumfahrtagentur ESA. Ziel ist es, die für Entwicklung und Forschung eingesetzten Steuergelder wieder in die Wirtschaft zurückzuleiten. 

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Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

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