Wie realistisch sind Atom-Diamant-Batterien, die ewig halten?
In den vergangenen Tagen ließ eine britische Forschung aufhorchen. Demnach konnte erstmals eine nukleare Diamant-Batterie hergestellt werden, die mehrere Tausend Jahre lang elektrischen Strom erzeugt. Die Energiegewinnung durch den radioaktiven Prozess ist zwar nur gering, eine solche Batterie würde aber sogar nach 5.730 Jahren noch die Hälfte ihrer Leistung erbringen.
Zudem könnte man damit unabhängig von Chemikalien Energie produzieren. Deshalb könnte die Technologie auch klimaschonender sein als derzeitige Batterien. Das benötigte Material könnte man aus Atommüll gewinnen.
Entwickelt wurde der erste Diamanten-Akku von der britischen Atomenergiebehörde gemeinsam mit der University of Bristol, wo seit mehreren Jahren an solchen Energiequellen geforscht wird.
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Antworten auf die drängendsten Fragen
Werden wir künftig derartigen Diamant-Akkus im Alltag begegnen? Oder lässt sich diese Technologie vielleicht doch nicht so einfach nutzen? Und könnten nukleare Akkus eine Lösung für den Atommüll sein und gleichzeitig den Einsatz von Chemikalien reduzieren?
Wir haben uns bei den beteiligten Forschern in Bristol erkundigt, sowie an der TU Wien nachgefragt und um eine Einschätzung gebeten.
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Wie funktionieren Atom-Diamant-Batterien?
In Reaktoren von Kernkraftwerken entsteht durch radioaktive Strahlung das radioaktive Isotop C-14 (Carbon-14 bzw. Kohlenstoff-14), das normalerweise als Atommüll anfällt. Für die Diamanten-Batterien werden die C-14-Blöcke erhitzt. Dadurch wird die äußere Graphitschicht, in der die Radioaktivität konzentriert ist, zu einem Gas. Aus diesem Gas werden dann unter hohem Druck und hoher Temperatur künstliche Diamanten gepresst.
Werden künstliche Diamanten einer radioaktiven Strahlung ausgesetzt, geben sie einen schwachen elektrischen Strom ab. Da aber das Material selbst bereits strahlt, wird auf diese Weise "dauerhaft" Elektrizität erzeugt.
Die schädliche Strahlung soll durch eine 2. Diamantschicht, die aus nicht-radioaktivem Kohlenstoff besteht und als Schutzhülle dient, abgeschirmt werden. Da C-14 nur Betastrahlung abgibt, die relativ gut abgefangen werden kann, kann so die gesamte Strahlung abgeschirmt werden.
Die Energieausbeute aus dieser Betavoltaik ist äußerst gering. Die Universität Bristol spricht davon, dass ein Akku mit 1 Gramm radioaktiven C-14 in etwa 15 Joule pro Tag an Energie liefern kann. Das bedeutet, dass solche Diamanten-Batterien im Mikrowattbereich unterwegs sind.
Derartige Konzepte sind nicht ganz neu. Auch die kalifornische Firma NDB hat einen selbsterhaltenden Akku aus Carbon-14 (C-14) entwickelt, der von künstlich hergestelltem Diamant umhüllt ist.
Wird man nukleare Diamant-Akkus im Alltag sehen?
"Die ersten Anwendungen der Diamant-Betavoltaik im Alltag werden wahrscheinlich mit medizinischen Implantaten verbunden sein", zeigt sich Yannick Verbelen, leitender Forscher an der Universität Bristol gegenüber der futurezone optimistisch, dass sich die Technologie auch außerhalb der Labore anwenden lässt. Als Beispiel führt er Herzschrittmacher an.
Dort wurden Radionuklidbatterien, zu denen auch die Diamant-Akkus gehören, bereits in der Vergangenheit genutzt. Allerdings ist man bereits in den 1970er Jahren davon abgekommen, radioaktive Plutoniumbatterien einzusetzen. Mittlerweile werden Herzschrittmacher von Lithium-Iod-Feststoffbatterien angetrieben.
Etwas differenzierter sieht das Georg Steinhauser, Forschungsleiter am Atominstitut der TU Wien. Er liefert auf futurezone-Anfrage ein eher ernüchternderes Fazit: "C-14-Akkus werden niemals zum Alltag eines Konsumenten gehören." Dass man in Zukunft ein Handy oder andere Elektrogeräte damit betreibt, kann er sich nicht vorstellen
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Wo könnten diese Batterien vielleicht dennoch genutzt werden?
Höchstens in der Raumfahrt, bei Tiefseemissionen, in militärischen Anwendungen, industriellen Anlagen und dergleichen würde es Anwendungsmöglichkeiten für solche Akkus geben, so der Wiener Forscher. Ähnliche Szenarien sieht auch der britische Wissenschaftler.
Er führt Sensorsystemen zur Überwachung von Gletschern oder in der Tiefsee ins Feld. Man könnte auch atombetriebene Sensoren in den Beton einarbeiten, so Verbelen von der Uni Bristol. Damit ließe sich der Zustand von Strukturen wie Wasserkraftwerken über einen Zeitraum von Jahrhunderten analysieren.
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Liefern Diamant-Akkus einfach zu wenig Energie?
"Einen Betastrahler wie C-14 für die Energiegewinnung einzusetzen bedeutet, dass die Batterie lediglich Mikrowatt liefert", erklärt Steinhauser. Das sei wenig, dafür halte der Akku aber lange. Die Halbwertszeit von C-14 liegt bei ungefähr 5.730 Jahren. Ein C-14-Akku würde also nach so vielen Jahren immer noch die Hälfte der Energie liefern.
Verbelen von der Uni Bristol vergleicht die Forschung über Diamant-Akkus mit Photovoltaik: "Als die ersten Solarzellen im 19. Jahrhundert erfunden wurde, hatten sie einen elektrischen Wirkungsgrad von wenigen Prozent." Danach habe es Jahrzehnte gedauert, bis sie bei Spezialanwendungen in der Raumfahrt herangezogen wurden.
Erst in den vergangenen 20 bis 30 Jahren seien Solarmodule so gut geworden, dass sie massenhaft eingesetzt werden können. "Auch bei der Diamant-Betavoltaik könnte es noch viele Jahrzehnte dauern, bis sie in der Praxis eingesetzt werden können", so Verbelen. Bis sie einen praktischen Nutzen haben, sei jedenfalls noch viel Forschungsarbeit notwendig.
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Würden sich nukleare Diamant-Akkus klimafreundlich herstellen lassen?
Die Energieerzeugung solcher Batterien basiert nicht auf chemischen Prozessen, weshalb sie sich auch unabhängig von Chemikalien produziert werden können. Das soll diese Technologie unter Umständen auch zu einer klimaschonenden Energiequelle machen.
Dem widerspricht Steinhauser von der TU Wien. Auch wenn C-14 im vorhandenen Atommüll vorkommt, müssten für derartige Radionuklidbatterien Isotope angereichert werden. "Jede Form von Isotopenanreicherung braucht zahlreiche Wiederholungen und gilt als enorm energieaufwändig. Damit relativiert sich der 'Clean Energy'-Anspruch meines Erachtens", so der Wiener Atomforscher.
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Sind radioaktive Batterien nicht gefährlich?
Auch wenn die Strahlung solcher Akkus gut abgeschirmt ist, handelt es sich dabei noch immer um ein radioaktives Material. Würden nukleare Diamant-Batterien in großem Maßstab eingesetzt, würde natürlich die Gefahr bestehen, dass radioaktives Material freigesetzt wird, erklärt Steinhauser von der TU Wien.
"Diamant verbrennt bei 850 Grad – eine Temperatur, die ein gewöhnlicher Bunsenbrenner wie auch eine Müllverbrennungsanlage oder ein Krematorium schafft. Im Falle von medizinischen Implantaten oder weggeworfenen Akkus könnte das also die Emission von vermutlich nicht unbeträchtlichen Aktivitäten an C-14-Kohlendioxid zur Folge haben", so der Wiener Atomforscher.
Nukleare Diamant-Akkus werden also mit den geltenden Strahlenschutzgesetzen nur schwer vereinbar sein, gibt Steinhauser zu bedenken. Als Konsumgut könne er sich solche Batterien nicht vorstellen.
Auch Verbelen von der Uni Bristol ist sich dieser Problematik natürlich bewusst: "Die weitere Entwicklung der Diamant-Beta-Photovoltaik erfordert die Unterstützung der Atomaufsichtsbehörden." Dazu komme die gesellschaftliche Akzeptanz, die ebenso notwendig sein wird.
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Könnten Diamant-Akkus die Lösung für das Atommüllproblem sein?
Bei dieser Frage sind sich Steinhauser und Verbelen einig. C-14 kann tatsächlich aus ausgebrannten Brennelementen von Kernkraftwerken gewonnen werden. Dieser radioaktive Abfall besteht jedoch aus einer Vielzahl von radioaktiven Materialien und Isotopen, von denen C-14 einen sehr kleinen und vergleichsweise unwichtigen Anteil einnimmt.
"Selbst wenn alles C-14 der Welt auf diese Art und Weise genutzt würde, wäre die Entlastung eines Atommüllendlagers nicht einmal spürbar", sagt Steinhauser. "Die Auswirkungen der Diamant-Betavoltaik als Lösung für nukleare Abfälle sind zu vernachlässigen", erklärt auch Verbelen.
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Fazit
Nukleare Diamant-Batterien sind eine spannende Forschung - daran gibt es keinen Zweifel. All das ist jedoch auf Labore beschränkt, praktische Anwendungsmöglichkeiten gibt es derzeit nur in der Theorie.
Damit die offenen Fragen geklärt werden können, ist noch viel Forschungsarbeit notwendig. Und die ist kostenintensiv. Es wird also wesentlich von den zur Verfügung gestellten Ressourcen abhängen, ob man die Diamant-Betavoltaik überhaupt weiterverfolgen wird können.
Bis dahin werden für Raumfahrtmissionen und vergleichbaren Spezialanwendungen andere Radionuklidbatterien herangezogen, die bereits seit langem erprobt sind. Diese Atombatterien basieren untern anderem auf Plutonium-238, das für diesen Zweck künstlich hergestellt wird.
All die genutzten Isotope haben allerdings eine deutlich kürzere Lebensdauer als die theoretisch mögliche Atom-Diamant-Batterie auf Basis von C-14. Die Halbwertszeit von Plutonium-238 liegt bei 87,7 Jahren, jene von C-14 eben bei 5.730 Jahren.