Dieser Roboter verwandelt Biomüll in Naturdünger
Jede EU-Bürger*in ist für über 500 Kilogramm Müll im Jahr verantwortlich. Insgesamt wurden 2020 laut einer Statistik fast 226 Millionen Tonnen Siedlungsabfälle in der EU produziert. Ein großer Teil davon ist Biomüll. Im Sinne der Kreislaufwirtschaft soll dieser verstärkt recycelt werden. Das gelingt weitgehend durch die gewerbliche Kompostierung.
Dabei werden üblicherweise Bioabfälle in entsprechenden Anlagen in langen Kompostzeilen – sogenannten Mieten – aufgeschüttet. Damit nährstoffreiche Erde entsteht, braucht das Material die richtige Temperatur, Feuchtigkeit und Belüftung. Die Mieten müssen daher regelmäßig mit sogenannten Kompostwendern bearbeitet werden. Das sind dieselbetriebene Fahrzeuge mit entsprechender Walze.
Automatisiert wenden
Die Temperaturen der Mieten werden mithilfe spezieller Lanzen regelmäßig an unterschiedlichen Stellen gemessen und händisch dokumentiert. Für Anlagen-Mitarbeiter*innen sind diese Prozesse nicht nur sehr zeitaufwendig, auch ist das Personal laufend unangenehmen Gerüchen, hohen Temperaturen und Gasen ausgesetzt.
Um ihre Arbeit künftig zu erleichtern und die Effizienz auf Kompostieranlagen zu steigern, wird im Projekt „Andrea“ ein Kompostwender entwickelt, der autonom durch die Mieten fahren und den Biomüll wenden kann. „Er ist mit einem Empfänger für globale Navigationssatellitensysteme (GNSS) ausgestattet und verwendet unter anderem das europäische System Galileo“, sagt Eva Reitbauer vom Institut für Geodäsie an der TU Graz.
Kompostieren in Österreich
"Andrea“ ist ein Folgeforschungsprojekt von „Anton“, dessen Ziel es zunächst nur war, den elektrischen Kompostwender autonom durch die Kompostmieten fahren zu lassen.
Strenge Regelung
Das Forschungsprojekt hält sich an die in Österreich streng geregelte gewerbliche Kompostierung. Diese sieht auch die regelmäßige Temperaturmessung der Kompostmieten vor. Jede einzelne Miete muss dabei genau dokumentiert werden. So sollen die Betreiber*innen der Kompostieranlagen nachweisen können, aus welchem Ausgangsmaterial der Kompost hergestellt wurde. Die gewerbliche Kompostierung wird über die Kompostverordnung geregelt.
Dokumentation
Aktuell wird dieser umfangreiche Mess- und Dokumentationsprozess von den Mitarbeiter*innen der Kompostieranlagen manuell durchgeführt und auf Excel-Tabellen übertragen. Das erhöht den Arbeitsaufwand um ein Vielfaches.
Der Wender verfügt über 2 GNSS-Antennen und eine Einheit aus sogenannten Inertialsensoren wie Beschleunigungs- und Drehratenmesser. Ein Inkrementalgeber misst die Umdrehungen der Motoren für den Kettenantrieb. Zusätzlich wird mit einem LiDAR-Sensor – auch als Laser-Radar bekannt – die Position des Roboters bestimmt und eine 3D-Karte erstellt, die er zum Navigieren nutzt.
Automatische Erkennung
Werden die Mieten erstmals aufgeschichtet, fährt die Maschine um die gesamte Anlage herum und erstellt die 3D-Karte. Damit erfolgt die Erkennung der Mieten und Routenplanung automatisch. „Der Wender weiß, dass die optimale Route zum Wenden geradlinig durch die Miete verläuft“, sagt Reitbauer der futurezone. Welche Mieten er wann wenden muss, wird vom Betreiber der Anlage vorgegeben. Der Roboter rechnet sich mithilfe eines Algorithmus seinen optimalen Weg aus und fährt autonom die Anlage ab, bis er alle vorgegebenen Mieten fertig gewendet hat.
Mit an Bord ist ein Sensor, welcher die Temperatur während der Fahrt misst. „Die jeweilige Temperatur kann dann den einzelnen Mieten zugeordnet und automatisiert protokolliert werden“, so Reitbauer. Die Daten werden in der Folge in eine Datenbank eingespeist. So seien die Zustände und Temperaturen der Kompostmieten laufend einsehbar.
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Elektrisch angetrieben
Um auch die Sicherheit auf den Anlagen zu gewährleisten, kann der automatisierte Kompostwender Hindernisse, wie Mitarbeiter*innen oder andere Arbeitsmaschinen, erkennen und umfahren. Anders als eine kamerabasierte Erkennung, sorgt der LiDAR-Sensor dafür, dass der Roboter Hindernisse auch in der Nacht gut erkennen kann.
„Er ist elektrisch angetrieben und kann tagsüber mit Solarstrom geladen werden. Die Idee ist, dass er in Zukunft in der Nacht autonom durch die Mieten fährt.“ Die Hinderniserkennung erfolgt basierend auf den Daten, die der LiDAR-Sensor permanent misst. Wird etwas erkannt, was nicht in der zuvor erstellten 3-D-Karte ist, wird es als Hindernis identifiziert. „Er erkennt, ob sich ein Mensch, Baum oder Zaun auf seiner Route befindet und weicht aus“. Bei Menschen sei der Ausweichbogen größer als bei unbeweglichen Objekten.
Ein Prototyp wurde bereits erfolgreich auf einer Kompostieranlage getestet. Im Folgeprojekt „Conclusion“ soll die Automatisierung weiter vorangetrieben werden, sodass der Wender in ein paar Jahren komplett autonom funktionieren kann. Dabei soll er etwa ohne menschliche Vorgaben wissen, welche Mieten er als Nächstes wenden muss. Durch die Effizienzsteigerung auf Kompostieranlagen soll so unter anderem der Ausstoß von Treibhausgasen, die beim Kompostieren entweichen, gesenkt werden.
Das Institut für Geodäsie arbeitet mit dem Institut für technische Logistik der TU Graz, dem Institut für Logistik und Materialflusstechnik der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg und den Firmen Pusch & Schinnerl sowie Sonnenerde zusammen. Gefördert wird das Projekt von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG.
Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).
Künstliche Intelligenz erkennt Störstoffe in Bioabfällen
Rund 3,3 Millionen Tonnen Biomüll entstehen jährlich in Österreich. In der Regel können aus dem Gros neue Ressourcen entstehen. Allerdings landen rund 700.000 Tonnen davon durch menschliche Hand fälschlicherweise im Restmüll, wie der Spezialist für Entsorgung und Verwertung Brantner unlängst mitgeteilt hat. In diesem Fall kann der Abfall nur noch thermisch verwertet werden.
Doch auch im „reinen“ Biomüll sind oftmals noch unterschiedliche Störstoffe zu finden, die dort nicht hingehören. Auch das erschwert die reine Verwertung des Abfalls.
Störstoffe erkennen
Um diese Störstoffe automatisiert und mit hoher Genauigkeit zu erkennen, bringt Brantner eine Künstliche Intelligenz zur Anwendung. Zunächst wird der Schüttraum in insgesamt 8 Lkw des Unternehmens, welche den Biomüll einsammeln, von Kameras überwacht. Der Inhalt wird dann von dem Programm mit einer Datenbank abgeglichen.
Auf diese Weise können bis zu 40 verschiedene Störstoffe automatisiert erkannt werden – laut dem Brantner-Geschäftsführer Stefan Tollinger mit einer Genauigkeit von 96 Prozent.
Verbesserte Trennung
Die Inhalte einer jeden Tonne und der befahrenen Gegenden werden in der Folge bewertet. So will das Entsorgungsunternehmen herausfinden, wo die Mülltrennung noch verbessert werden muss, ohne jedoch einzelne Haushalte zu identifizieren. Aktuell gibt es eine Kooperation mit Innsbruck und Klagenfurt.
Verarbeitet werden die Bioabfälle unter anderem in der Kompostieranlage in Krems-Gneixendorf – insgesamt 35.000 Tonnen jährlich. Mithilfe einer speziellen Siebanlage werden dabei auch die letzten Störstoffe vom Biomüll getrennt.