Was die Seestadt Aspern zur Smart-City-Spielwiese macht
Mit der Seestadt Aspern erhält Wien einen komplett neuen Stadtteil. Der Aufbau von Grund auf bietet die Gelegenheit, einen Stadtteil gleich von Anfang an energieeffizient und klimafreundlich zu gestalten. Um dafür notwendige Technologien zu entwickeln, wurde das Forschungsinstitut Aspern Smart City Research (ASCR) geschaffen. In den vergangenen 10 Jahren hat ASCR eine Vielzahl von Projekten durchgeführt, die sich auch über die Seestadt hinaus erstrecken. Die Erkenntnisse daraus fließen in Produkte von Miteigentümer Siemens ein und kommen weltweit zur Anwendung.
Für Wien sei die Forschungstätigkeit wichtig, weil die fünftgrößte Stadt der EU die Dekarbonisierung bis 2040 „nicht leicht im Vorbeigehen schaffen werde“, sagt Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke anlässlich der Vorstellung der nächsten (3.) Programmperiode von ASCR. Es bedarf großer Anstrengungen und viel Know-how.
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Netz gleichzeitig stabil und flexibel machen
Eines der Forschungsgebiete ist das Smart Grid. Das intelligente Stromnetz der Zukunft müsse ganz anders aufgebaut sein als bisher. „Ich habe früher in der Netzplanung gearbeitet. Die Wiener Netze hatten damals 9 Stromeinspeiser. Heute sind es 27.000“, sagt Peter Weinelt, Generaldirektor der Wiener Stadtwerke. Was die Forschung in der Seestadt Aspern hervorgebracht habe, seien etwa Automatisierungslösungen für das Niederspannungsnetz, erzählen Matthias Gressel und Harald Loos, die beiden Co-Geschäftsführer von ASCR.
Mit neu entwickelten Mechanismen könne die Stromproduktion aus vielen verschiedenen Quellen, etwa Photovoltaik-Anlagen auf Hausdächern, und der Verbrauch besser austariert werden. Ein wichtiges Mittel dafür seien digitale Zwillinge, mit denen Energieflüsse simuliert und optimiert werden können. Mit neuer Smart-Grid-Technologie könne man Angebot und Bedarf auch zeitlich flexibler gestalten. In der Seestadt wurde die Speicherung von Strom mittels Batterien oder durch Umwandlung in Wärme erforscht.
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Intensiv erforscht wird auch die Heizung und Kühlung von Gebäuden. Getestet wurde etwa die Kombination verschiedener Heizsysteme, wie Solarthermie, Geothermie und Fernwärme. Fußbodenheizungen wurden für die Kühlung im Sommer genutzt. Wertvoll sei auch gewesen, auftretende Schwierigkeiten zu entdecken. Wenn Heizungen etwa darauf ausgelegt sind, Badezimmer im Winter stärker zu heizen, würden sie im Sommer auch stärker gekühlt werden – was wohl unangenehm wäre.
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Fakten
25.000 Menschen sollen in den 2030er-Jahren in der Seestadt Aspern wohnen. 20.000 Arbeits- und Ausbildungsplätze sollen entstehen.
Fertiggestellt ist bisher nur ungefähr die Hälfte der Seestadt Aspern.
Eigentümer des Forschungsinstituts ASCR sind Siemens (49,1 %), Wiener Netze, Wiener Stadtwerke und der Stadt Wien.
36 Millionen Euro sind für die dritte Programmperiode von ASCR von 2024 bis 2028 vorgesehen. Das gesamte Investitionsvolumen steigt damit auf über 100 Millionen Euro.
Garage verhandelt über den Strombedarf
In der Seestadt werden Gebäude und darin installierte Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge auch als Einheit betrachtet. In einer Parkgarage wurde etwa erprobt, wie Stromnetz und Gebäude miteinander kommunizieren und über den Stromverbrauch verhandeln können.
„Der Garage wird dabei mitgeteilt, wie viel Leistung ihr zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verfügung steht. Damit muss sie dann auskommen“, sagt Gressel. Durch intelligentes Lademanagement werden E-Autos zu unterschiedlichen Zeiten oder mit variierender Leistung aufgeladen. E-Auto-Fahrer*innen haben dabei mittels App ein Wörtchen mitzureden und können dadurch etwa ausrichten, wann das Auto spätestens wieder aufgeladen sein soll.
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Auch Fragen der Privatsphäre beim Datenaustausch und rechtliche Aspekte zwischen Ladestellen- und Garagenbetreiber wurden dabei behandelt. Optimiert man die Informationsflüsse, könne man einen großen Effizienzgewinn erzielen, sagt Loos. "Außerdem kann man den Stromnetzausbau und dafür anfallende Kosten so in Grenzen halten."
Sanierung alter Gebäude neu im Fokus
In den nächsten 5 Jahren will sich das ASCR auf Bestandsgebäude fokussieren. Die Auswirkungen von thermischer Sanierung, das Ersetzen von Öl- und Gasheizungen oder die Verbesserung von Internetanschlüssen werden dabei etwa erforscht. Außerdem will man Quartierslösungen entwickeln. Ein Beispiel dafür ist die bereits existierende „Grätzl-Heizung“, bei der Abwärme aus einem Rechenzentrum zum Heizen der Klinik Floridsdorf beiträgt.
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Wichtig bei den Forschungsprojekten sei ASCR, Menschen von Anfang an zu inkludieren und für Vorhaben zu begeistern. Bei gewissen Maßnahmen müsse man vorsichtig vorgehen, sagt Loos: "Wenn ich etwa an einem Gebäude arbeite, in dem Leute wohnen oder arbeiten, darf es nicht sein, dass sie in der Früh hinkommen und es hat plötzlich nur noch 10 Grad und ist finster." Bestehende Gebäude zu modernisieren, sei ein "Mehrgenerationenthema", sagt Reichelt. "Aber irgendwann ist uns dafür der internationale Gaspreis nicht mehr so wichtig. Dafür lohnt es sich zu arbeiten, gerade wenn man sich die letzten 2 Jahre ansieht."