Teilchenbeschleuniger LHC nimmt Betrieb wieder auf
Am Kernforschungszentrum CERN wird ein neues Kapitel aufgeschlagen: Nach einer dreijährigen Wartungspause und einer gut zweimonatigen Inbetriebnahmephase werden ab Dienstag im weltweit leistungsfähigsten Teilchenbeschleuniger wieder stabile Protonenstrahlen aufeinander zurasen. Damit beginnt eine neue aufregende Datenerhebungssaison.
Mehr als drei Jahre mussten sich Teilchenphysiker*innen gedulden, weil der unterirdische, ringförmige Teilchenbeschleuniger LHC gewartet und modernisiert sowie die Teilchendetektoren aufgerüstet wurden. Nun beginnt die Run 3 genannte Betriebsphase, die dank einer noch gewaltigeren Energie wesentlich größere Datenmengen liefern soll sowie Daten mit höherer Qualität als die zwei vorangegangenen Runs.
Higgs-Boson vor 10 Jahren entdeckt
Es war während des ersten Runs des LHC, als das Higgs-Boson vor genau 10 Jahren entdeckt wurde. Tatsächlich ist der LHC laut dem CERN "der einzige Ort auf der Welt, an dem dieses einzigartige Teilchen hergestellt und im Detail untersucht werden kann."
So charakterisierten Physiker*innen das Higgs-Boson über die letzten 10 Jahre mit einer zunächst nicht für möglich gehaltenen Messempfindlichkeit. Auch fanden sie Hinweise auf Abweichungen zum Standardmodell der Elementarteilchenphysik, der bis anhin zweifellos erfolgreichste wissenschaftlichen Theorie zur Beschreibung des Universums.
So berichteten sie im März vergangenen Jahres, dass sich die Hinweise erhärten würden, dass Mesonen-Teilchen nicht so zerfallen, wie es die Theorie verlangt. Das US-Forschungszentrum für Teilchenphysik Fermilab wartete ebenfalls im April dieses Jahres mit einer Sensation auf: Die Forschenden berichteten, dass die Masse des W-Boson-Teilchens viel schwerer sei als vermutet. Kann dies vom CERN unabhängig bestätigt werden, wäre dies ein starker Hinweis auf bisher noch unentdeckte Teilchen oder Kräfte.
Teilchendetektoren werden mehr Kollisionen aufzeichnen
Zwei der grossen Teilchendetektoren, Atlas und CMS, werden in Run 3 voraussichtlich mehr Kollisionen aufzeichnen als in den beiden vorangegangenen zusammen, teilte das CERN mit. Der Teilchendetektor LHCb soll seine Datenaufnahme um das Zehnfache erhöhen, der Detektor Alice die Zahl der aufgezeichneten Kollisionen und das Fünfzigfache.
Mehr Daten bieten grössere Chancen, extrem seltene Zerfälle zu beobachten und damit das Potential für neue Entdeckungen. Der LHC soll laut dem CERN nun fast 4 Jahre rund um die Uhr bei einer Rekordenergie von 13,6 Billionen Elektronenvolt laufen.
In dieser Zeit möchten die Physiker*innen nicht nur dem Higgs-Boson, dem Standardmodell und Theorien jenseits des Standardmodells genauer auf den Zahn fühlen, sondern auch dem Quark-Gluon-Plasma. Diese exotische Materieform füllte wenige Millionstel Sekunden nach dem Urknall das Universum während eines Wimpernschlags aus. Heute existiert kein Quark-Gluon-Plasma mehr, der Zustand lässt sich aber für Bruchteile von Sekunden am LHC erzeugen - und soll nun mit einer noch nie dagewesenen Genauigkeit untersucht werden.