"Face ID" für Bäume: Wie die Holzindustrie nachhaltig werden soll
Smarte Markierplättchen, ein intelligenter Hammer, ein 3D-Scan des Waldes oder der Fingerabdruck eines Baumes – beim ersten „Evergreen Innovation Camp Hackathon“ an der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien, waren Studierende und junge Experten aufgerufen, Ideen zu finden, um eine nachvollziehbare Rückverfolgung von Holz bis hin zum Wuchsort des Baumes zu ermöglichen.
Bei Lebensmitteln können Konsumenten etwa nachverfolgen aus welchen Betrieben die Erzeugnisse stammen. Auch bei Bekleidung gibt es mittlerweile Produkte, die aus zertifizierte Betrieben stammen und somit als ökologisch nachhaltig bezeichnet werden können. In der Holzindustrie gibt es bisher keine derartige Nachverfolgung einzelner Baumstämme, wodurch eine Zertifizierung erschwert und illegaler Holzhandel erleichtert wird.
„Diese nachvollziehbare Rückverfolgung einzelner Baumstämme vom Wuchsort im Wald bis zur Ankunft im Verarbeitungsbetrieb wird für eine nachhaltige Holzwirtschaft immer wichtiger“, sagt Hackathon-Mentor Hannes Plackner von der HS Timber Group im Gespräch mit der futurezone. Ein Grund sei, dass Verbraucher heutzutage wissen wollen, woher Holzprodukte stammen. Auch illegal geerntetem Holz könnte man damit einen Riegel vorschieben.
Auf Ideensuche
Aus diesem Ansatz heraus wurde auch die Idee für den Hackathon an der BOKU geboren. Dabei gingen 70 Teilnehmer in 12 Teams auf Ideensuche. Innerhalb von 48 Stunden sollten sie konkrete Lösungsansätze finden, die eine transparente Nachvollziehbarkeit in der Lieferkette von Holz ermöglichen.
„Bei der Zusammenstellung der Teams haben wir darauf geachtet, dass wir Teilnehmer aus verschiedensten Studienrichtungen zusammenzubringen, um den interdisziplinären Austausch zu fördern und völlig neue Zugangsweisen zu ermöglichen“, so Georg Erlacher, Stiftungsvorstand der Evergreen Privatstiftung, die den ersten Hackathon der Holzwirtschaft ausgerichtet hat.
Auf diese Weise brachte man studierte Holz- und Forstwirte, Logistiker, Metallurgen, Mathematiker sowie IT-Entwickler mit den Schwerpunkten auf künstliche Intelligenz, Bilderkennung, maschinellem Lernen und App-Entwicklung aus dem gesamten deutschsprachigen Raum zusammen.
3D-Abgleich des Waldes
Das Siegerteam „Tree ID“ ließ mit einem futuristischen Konzept aufhorchen: Demnach sollte der Wald vor der Ernte mittels Laservermessungsverfahren 3D-gescannt werden. Aus den dreidimensionalen Aufnahmen errechnet ein Algorithmus anschließend für jeden Baum eine Art Fingerabdruck, ähnlich wie die Gesichtserkennung Face ID bei iPhones, so das Siegerteam.
Die Software orientiert sich dabei an einzigartigen Merkmalen der Bäume, etwa Umfang, Höhe, Krümmung, Stammkontur und der Position der Äste. Gleichzeitig werden die Daten der einzelnen Bäume mit GPS-Standortdaten verknüpft.
Im Sägewerk angekommen, werden die einzelnen Abschnitte vor der Verarbeitung erneut mittels Laser gescannt. Dadurch könne punktgenau festgestellt werden, wo ein bestimmter Baum gestanden hat.
Das Konzept überzeugte die Jury unter anderem auch, weil durch dieses Verfahren tiefgehende Daten über einzelne Waldabschnitte erstellt werden. Diese Informationen könnten in weiterer Folge einen hohen Nebennutzen für die Forstwirtschaft und auch die universitäre Forschung darstellen.
Dass das Erstellen eines digitalen 3D-Abgleichs des Baumbestandes aufwendig sein könnte, stellte das Siegerteam in Abrede. So könne etwa ein Förster bei der ohnehin stattfindenden Begehung des Waldes mit einem 3D-Scanner ausgestattet werden. Dieses Gerät würde die Umgebung völlig automatisiert erfassen. „Die Vermessung mittels Laser findet quasi im Vorbeigehen statt“, so das Siegerteam bei der Präsentation ihres Konzepts.
Alles smart
Das zweitplatzierte Team namens „Smeasure“ programmierte binnen 48 Stunden einen funktionierenden Prototypen, dessen neuronales Netzwerk die Astverteilung bereits gefällter und entasteter Bäume erkennt. Auch das Jahrringmuster wird von diesem smarten Maßband gescannt. Um den Arbeitsablauf zu vereinfachen, wird das System inklusive Kamera und GPS-Modul in das Maßband des Forstarbeiters integriert.
Auch das Konzept des drittplatzierten Teams „Logsmiths“ sah vor, ein bereits bestehendes Werkzeug intelligent zu machen: Mit einem smarten Markierhammer bringen Holzarbeiter nach dem Fällen der Bäume Plättchen mit RFID-Chips auf den Stämmen an. Dabei werden auch automatisch die GPS-Koordinaten registriert. Im Sägewerk werden die RFID-Chips ausgelesen, wodurch die Rückverfolgung des Holzes gewährleistet werden soll.
Viel Lob
Sichtlich begeistert zeigten sich die Blue Minds Group, die den Hackathon ausgerichtet hat, sowie das Organisationsteam der Evergreen Privatstiftung bei der Siegerehrung: „Wir sind tief beeindruckt von den zahlreichen Konzepten, die aus dem Hackathon hervorgegangen sind.“ Manche der interdisziplinären Teams haben ganz neue Ansätze für die Aufgabenstellung erarbeitet. „Mit dem Hackathon haben wir ein Stück neue Innovationskultur in die Holzwirtschaft gebracht“, sagte Erlacher von der Evergreen Privatstiftung.
Lobende Worte fand auch Hubert Hasenauer, Rektor der BOKU Wien: „Die nachhaltige Verwendung von Holz aus unseren heimischen Wäldern ist ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz.“ Der „Evergreen Innovation Camp Hackathon“ passe daher perfekt zur BOKU-Mission, der Innovationsführer einer „Green Economy“ zu sein.
Nach den tollen Erfahrungen mit der Premiere soll auch kommendes Jahr wieder ein Evergreen Innovation Camp zu einem neuen Thema veranstaltet werden.