Warum die Tesla-Aktie ein gefährliches Spiel ist
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Geht man nach dem Aktienkurs, war Tesla im Jahr 2020 eines der erfolgreichsten Unternehmen der Welt. Der Börsenkurs und somit auch der Firmenwert stiegen seit Anfang des Jahres um sagenhafte 700 Prozent. Seit vergangener Woche ist Tesla zudem im Aktienindex S&P 500 und sogar im S&P 100 vertreten, der die 500 bzw. 100 größten börsennotierten US-Firmen inkludiert. Nur Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet (Google) und Facebook sind mehr wert.
500.000 Autos vs. 10 Millionen
Der Blick auf das aktuelle Geschäftsjahr fällt weniger euphorisch aus, als es der Kurs vermuten würde. Zwar überraschte Tesla im Oktober mit dem besten Quartal seiner Geschichte. Das Ziel, zumindest 500.000 Autos bis Jahresende zu verkaufen, könnte aber knapp werden. Gelingt es, wäre das im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 35 Prozent. Zur Einordnung: Große Autokonzerne wie VW oder Toyota verkaufen über 10 Millionen Fahrzeuge im Jahr.
„Die Aufnahme in den S&P-Aktienindex ist natürlich ein Ritterschlag und eine weitere Bestätigung, dass Tesla jetzt zu den Arrivierten zählt. Dass Tesla im S&P 100 mit Occidental Petroleum ausgerechnet eine Ölfirma aus dem Index verdrängt hat, ist ein bemerkenswertes Zeichen der Zeit“, erklärt Monika Rosen, Chefanalystin der Bank Austria, im futurezone-Interview.
Beatmungsgerät statt neues Auto
Auf der Entwicklerseite blieb es im Krisenjahr allerdings ziemlich still. Vom 2019 angekündigten Cybertruck hörte man nur mehr wenig. Bis auf ein paar Software-Updates und eine Aktualisierung des Model 3 blieben vor allem Elon Musks (Twitter)-Eskapaden zu Corona, der Streit um ein Tesla-Beatmungsgerät und die Diskussion um den Namen von Musks Kind in Erinnerung.
Und auch Umsatz und Gewinn liefern kein gutes Fundament für die Preisexplosion der Aktie. Denn was die Profitabilität betrifft, ist Tesla von ähnlich hoch bewerteten Techgiganten wie Apple meilenweit entfernt. Während der iPhone-Hersteller allein im vergangenen Quartal 12,67 Milliarden Dollar Gewinn machte, kam Elon Musks Unternehmen für das gesamte Jahr 2020 bisher gerade einmal auf mickrige 451 Millionen Dollar.
Mit neuen Standorten wie der umstrittenen Gigafactory in Berlin könnte Tesla die Produktionskapazitäten – sowohl was Fahrzeuge, aber auch Akkus betrifft – in den kommenden Jahren zwar deutlich erhöhen. Ob Tesla die enorme Erwartungshaltung aber tatsächlich erfüllen kann und der charismatische, aber oft impulsiv und erratisch agierende Elon Musk der richtige ist, um das Unternehmen vom Herausforderer zum etablierten Massenproduzenten weiterzuentwickeln, bleibt allerdings fraglich.
Ist Elon Musk der richtige?
„Das ist bei solchen Übergängen immer die Frage: Ist der Gründer der richtige, um auch einen Großkonzern optimal führen zu können? Denn dafür sind meist andere menschliche Eigenschaften gefragt, als in den Anfangszeiten bzw. wenn es darum geht, die Firma aufzubauen“, gibt Rosen zu bedenken.
Auch Asymco-Analyst Horace Dediu ist zwiegespalten: „Sehr vieles bei Tesla dreht sich um Elon Musk. Dass Elektromobilität so stark mit der Marke verbunden wird, ist zu einem Gutteil auch sein Verdienst. Alles von ihm abhängig zu machen, ist aber ein riskantes Unterfangen.“
"Keine echte Disruption"
Wie exorbitant hoch Tesla an der Börse bewertet ist, zeigt ein weiterer Vergleich. Zuletzt war das Unternehmen mehr wert als Toyota, VW, General Motors, Ford, Fiat, Nissan und Daimler zusammen. „Ich verstehe den Geschäftsansatz und die Strategie und ich war immer davon überzeugt, dass Tesla einen großartigen Job machen wird. Die Börse hat aber sehr explizit eingepreist, dass das Unternehmen viel mehr als nur eine Autofirma sein soll“, sagt Dediu zur futurezone.
Und genau diesen Anspruch sehe er derzeit noch nicht wirklich. „Ich kann keine echte Disruption in dem Sinn erkennen, dass Tesla das Thema Mobilität mittels neuer Produkte, Services und Jobs neu definiert. Sie verkaufen Autos, im Wesentlichen ist es das. Vielleicht liege ich völlig falsch, aber mir kommt dieser grenzenlose Optimismus an der Börse hinsichtlich Tesla ein wenig unlogisch vor“, erklärt Dediu.
Tesla gegen den Rest der Welt
Ob die Aktienparty auch im nächsten Jahr ungebremst weitergeht, wird sich spätestens nach Veröffentlichung des letzten Jahresquartals zeigen. Vieles deutet darauf hin, dass 2021 ein Schicksalsjahr für Tesla werden könnte. Denn während sämtliche etablierten Autobauer alles in die Schlacht werfen, um mit ihren Elektrofahrzeugen den Markt aufzurollen, muss Tesla liefern – sei es, was die Kapazitäten des Model Y, aber auch des geplanten Cybertrucks betrifft. Gelingt dies nicht, könnte das auch an der Börse schwere Folgen haben.
Das gleiche gilt naturgemäß auch für alle anderen Autohersteller, die sich im kommenden Jahr vermutlich nicht mehr auf Produktionsverzögerungen aufgrund der Corona-Krise herausreden können. Darüber hinaus verfügen sie auch nicht über eine Führungspersönlichkeit, die die selbe magische Anziehungskraft auf die Anhängerschaft und die mediale Öffentlichkeit ausübt, wie es Elon Musk seit Jahren tut.
"Magie des Steve Jobs"
Doch auch diese unbestrittene Fähigkeit kann laut Analyst Dediu ihre Schattenseiten haben. „Apple ist ein gutes Beispiel dafür. Mit Tim Cook ging einiges an der Magie, die Steve Jobs verkörperte, verloren. An der Börse hat Apple davon aber profitiert. Denn Magie ist zwar faszinierend, aber auch unberechenbar. Sie sorgt für ein gewisses Maß an Verunsicherung, weil man nie weiß, was als nächstes kommt und ob der Erfolg mit einem unerwarteten Produkt wiederholt werden kann“, erklärt Dediu.
Besonders spannend könnte es in der Branche werden, sollten sich die erst kürzlich wieder aufgetauchten Gerüchte um ein geplantes Apple-Auto mit revolutionärer Akkutechnologie bewahrheiten. An einem eigenen Fahrzeug hat sich der Konzern bisher trotz einiger Anstrengungen die Zähne ausgebissen. Auch Elektronikhersteller Dyson zog trotz fertigem Prototypen schließlich überraschend zurück. Sollte Apple tatsächlich einsteigen, muss es erst einmal viele Jahre Vorsprung von Tesla wettmachen.
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