Mitarbeiterstreik und Boykott: Activision-Chef bricht das Schweigen
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Vor einer Woche wurde Klage gegen den Spielekonzern Activision Blizzard eingereicht. Der Konzern entstand 2008 aus der Fusion von Activision und Blizzard und bietet das Firmengerüst für die vielen Entwicklerstudios des Unternehmens.
Die Vorwürfe des California Department of Fair Employment and Housing (DFEH): Frauen würden bei Top-Positionen gezielt übergangen, sie verdienen weniger und es sei mehrere Jahre lang zu sexuellen Belästigungen gekommen.
Witze über Vergewaltigungen und die „Cosby Suite“
Es habe eine regelrechte Kultur einer Studentenverbindung geherrscht. Männliche Angestellte würden sich in der Arbeit betrinken, dann weibliche Angestellte anbaggern, ihnen ihre Arbeit aufzuhalsen und öffentlich über Vergewaltigung scherzen. In einem Fall hat eine Mitarbeiterin Suizid während einer Geschäftsreise begangen – ihr mitgereister männlicher Vorgesetzter soll Analdildos und Gleitgel bei der Reise dabeigehabt haben.
Ein Mitarbeiter, Alex Afrasiabi, der Creative Director bei den World-of-Warcraft-Erweiterungen Legion und Battle for Azeroth war, soll berüchtigt dafür gewesen sein, weibliche Mitarbeiterinnen zu belästigen. Während der Hausmesse BlizzCon im Jahr 2013 nannte er seine Suite im Hotel „Cosby Suite“, angeblich als Anspielung auf den Schauspieler und Sexualstraftäter Bill Cosby. Auf Facebook gibt es Fotos, in denen männliche Mitarbeiter mit einem gerahmten Bild von Cosby in dem Zimmer posieren.
Afrasiabi soll in dem Zimmer, das auch von Blizzard-Mitarbeiter*innen als Treffpunkt mit reichlich Alkoholkonsum genutzt wurde, mehrfach versucht haben Mitarbeiterinnen zu küssen. Er habe auch die Arme um sie gelegt und sie festgehalten. Zumindest in einem Fall ist bekannt, dass einer seiner Vorgesetzten eingeschritten ist und ihn von einer Mitarbeiterin weggezogen hat. Konsequenzen gab es für Afrasiabi aber anscheinend nicht.
Activison reagiert beleidigt auf die Vorwürfe
Activision Blizzard reagierte auf diese Klage zu Beginn genauso, wie man es von einem Großkonzern erwartet: abwehrend und wenig verständnisvoll. Die Klage zeichne eine verzerrte Sicht mit falschen Anschuldigungen aus der Vergangenheit von Blizzard. Man sei angewidert, dass das DEFH den Suizid der Mitarbeiterin hineingezogen habe. Das sei schändlich und unprofessionell. Es sei unverantwortliches Verhalten von Bürokraten, welches viele der besten Unternehmen dazu veranlasse, Kalifornien zu verlassen.
In den folgenden Tagen wandten sich noch einige Blizzard-Führungskräfte per Mail an die Belegschaft. Der Blizzard-Gründer Mike Morhaine, der bis Oktober 2018 CEO von Blizzard war, entschuldige sich, die Mitarbeiter*innen in Stich gelassen zu haben. Fran Townsend, Vice President of Corporate Affairs und Chief Compliance Officer, griff allerdings daneben mit ihren Worten. Die Geschichten in der Klage seien faktisch inkorrekt, aus dem Kontext gerissen oder alt – einige davon seien mehr als 10 Jahre her. Viele Mitarbeiter*innen fassten dieses Mail als Verharmlosung auf.
Streik angekündigt und zu Boycott aufgerufen
Die Mitarbeiter*innen von Activision Blizzard reagierten mit einem offenen Brief, den mittlerweile mehr als 2.600 der 9.500 Mitarbeiter*innen des Konzerns unterschrieben haben. Darin wird die Reaktion des Konzerns als abscheulich und beleidigend beschrieben. Die Werte, für die die Mitarbeiter*innen stehen, würden nicht durch das Management des Konzerns abgebildet. Da die Klage der DFEH zum Großteil auf Aussagen von früheren und noch beschäftigten Mitarbeiter*innen basiert, würde der Eindruck entstehen, die Konzernführung glaube den Opfern nicht. Sie solle die Anschuldigungen ernsthaft prüfen, Mitgefühl für die Betroffenen zeigen und die Probleme beseitigen.
Zudem wurde beim Blizzard-Campus in Irvine, Kalifornien ein Streik angekündigt. Unterstützende aus der Videospielbranche und User*innen im Internet riefen auf an dem Tag des Streiks, und am besten auch danach, die Spiele von Activision Blizzard zu boykottieren, um ein Zeichen zu setzen. Zu den Games des Konzerns gehören etwa die Call-of-Duty-Reihe, World of Warcraft, Overwatch aber auch die Mobile-Games Candy Crush und Farm Heroes.
Activision-Blizzard-Chef meldet sich zu Wort
Man weiß nicht, ob es der angekündigte Streik, der Aufruf zum Boykott oder der Aktienkurs ist, der seit dem Bekanntwerden der Klage um mehr als 10 Prozent gefallen ist: Aber der Activision-Blizzard-CEO Bobby Kotick hat sich jetzt endlich mit einem Brief an die Belegschaft gewandt, der auch vom Konzern veröffentlicht wurde (PDF). Darin ist etwa zu lesen: „Wir werden euch jetzt und in Zukunft besser zuhören. Ganz ehrlich: Unsere erste Reaktion zu den Problemen und euren Bedenken war unsensibel. Es tut mir leid, dass wir nicht emphatisch und verständnisvoll waren.“
Kotick kündigt in dem Brief Maßnahmen an. Alle Vorwürfe würden untersucht werden. Das Team, das mit solchen Untersuchungen betraut ist, wird aufgestockt. Auch werde man personelle Veränderungen vornehmen. Es werden die Manager-Positionen im Unternehmen evaluiert. Alle, die versuchen, die Überprüfung der Vorwürfe zu behindern oder sich gegen Maßnahmen stellen, werden gekündigt. Bei zukünftigen Stellenausschreibungen werde man mehr auf Diversität achten. Es werden Ressourcen zur Verfügung gestellt, um sicherzugehen, dass Manager diese neue Direktive bei Anstellungen einhalten.
Inhalte aus World of Warcraft wurden entfernt
Außerdem werden laut Kotick unangebrachte Inhalte in Spielen entfernt. Alex Afrasiabi hatte Charakteren und einigen Gegenständen in World of Warcraft seinen Namen gegeben. Afrasiabi hat Blizzard schon im Juni 2020 verlassen. Im Gegensatz zu anderen wichtigen Mitarbeiter*innen, geschah das ohne öffentlicher Verabschiedung von Blizzard. Im Nachhinein wird jetzt vermutet, dass Blizzard von der Klage in Vorbereitung Wind bekommen hat und Afrasiabi nahegelegt hat, das Unternehmen stillschweigend zu verlassen.
Der angekündigte Protest der Blizzard-Mitarbeiter*innen bei der Firmenzentrale in Irvine fand trotz des Briefes des CEO am Mittwoch statt. Gut 200 Mitarbeiter*innen machten einen Walk Out, verließen also den Arbeitsplatz, um vor dem Campus zu demonstrieren. Auf Twitter und anderen sozialen Netzwerken gab es zahlreiche Unterstützungsbekundungen für die Protestierenden.
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