Warum Boeing die 737-Max-Probleme nicht in den Griff bekommt
Um die Boeing 737 Max ist es eigentlich wieder ruhig geworden. 2018 und 2019 gab es zwei Abstürze, bei denen insgesamt 338 Menschen ums Leben kamen. Als Absturzursache sahen Ermittler einen Konstruktionsfehler. Boeing und die US-Flugsicherheitsbehörde FAA gelobten Besserung. Tatsächlich schien es Fortschritte zu geben. Am 5. Jänner jedoch kam es beim US-Inlandsflug 1282 der Alaska Airlines zu einem weiteren Vorfall.
Ein sogenannter "Door Plug", der Verschluss einer Öffnung im Flugzeugrumpf, an der optional ein Notausstieg eingebaut werden könnte, riss beim Abflug ab. Weil alle Passagiere angeschnallt waren und das Flugzeug noch nicht hoch gestiegen war, wurde niemand durch das Loch aus dem Flugzeug gesaugt oder erfror. Wie sich herausstellte, haben wichtige Bolzen für das Bauteil gefehlt. Die FAA schickte nun Kontrolleur*innen in die Produktionsstätten von Boeing und seinem Zulieferer Spirit AeroSystems, um dem Problem auf den Grund zu gehen.
Durchgefallen in 33 von 97 Punkten
Die New York Times ist an einen Bericht gelangt, den die FAA-Kontrolleur*innen angefertigt haben. Bei Boeing wurden 97 Vorgänge überprüft, bei 33 hat der Hersteller die Überprüfung nicht bestanden. Spirit Aerosystems – die Firma stellt den Rumpf der 737 Max für Boeing her – fiel in 7 von 13 Punkten durch.
Boeing sei von der FAA „ziemlich in die Mangel genommen worden“, sagt Luftfahrtexperte Kurt Hofmann. Der Verdacht, dass in der Produktion des Flugzeugherstellers Dinge nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden, hänge schon länger in der Luft. In den vergangenen Jahren hat es mehrere Aufdeckergeschichten über die Zustände bei Boeing gegeben. John Barnett, ein Whistleblower, der 32 Jahre bei Boeing gearbeitet hat, sagte vergangene Woche vor Gericht über miserable Zustände bei dem Unternehmen aus. Am Samstag wurde er tot aufgefunden. Behörden vermuten einen Suizid.
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Viel Gewinn und wenig Kosten
Vor wenigen Tagen hat sich auch der bekannte TV-Moderator John Oliver („Last Week Tonight“) dem Thema angenommen. Der Tenor: Bei Boeing werde seit mehr als 20 Jahren sehr auf Profitmaximierung und den Aktienkurs Wert gelegt, bei Produktion und Entwicklung hingegen wurde gespart. Die Qualität leidet, oder um es in den Worten von Boeing-CEO Dave Calhoun nach dem Alaska-Airlines-Vorfall zu sagen: Es gab eine „Qualitätsflucht“. Auch bei anderen Flugzeugmodellen sei es zu Problemen gekommen, sagt Hofmann.
Herausgefiltert bei der Flugsuche
Wien wird aktuell u. a. von Ryanair und Turkish Airlines mit 737 Max angeflogen. Viele Flugreisende haben die Probleme rund um die 737 Max mitbekommen. Die Reisewebseite Kayak hat seit 2019 einen Suchfilter, bei dem man auswählen kann, mit welchem Flugzeugtyp man fliegen möchte. Bisher war der Filter nur selten verwendet worden. Im Jänner gab es plötzlich einen Nutzungsanstieg um das 15-Fache. Es scheint so, als wollen es immer mehr Reisende vermeiden, in eine 737 Max zu steigen. Die Verkaufszahlen des Flugzeugtyps steigen unterdessen an.
Die Lufthansa, die bisher vor allem auf Boeing-Konkurrent Airbus gesetzt hat, gab etwa im Dezember bekannt, 40 Stück 737 Max 8 bestellt zu haben. Die Fluglinie, zu der auch Austrian Airlines zählt, mache das, „um nicht zu sehr von Airbus abhängig zu sein“, sagt Hofmann. Die Diversifizierung von Flotten und die hohe Nachfrage nach Flugzeugen mache es oft notwendig, auf beide der großen Flugzeughersteller zu setzen. Andere Hersteller seien „zu klein“, um große Aufträge stemmen zu können. China bringt durch Quoten für eigene Airlines gerade den Produzenten Comac in Stellung, aber der müsse sich "im Westen erst Vertrauen aufbauen", sagt Hofmann. "Das ist ein langer Weg."
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