Gemeinsame Stromproduktion macht neue Kraftwerke obsolet
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Wenn es um die Zukunft der nachhaltigen Energieerzeugung geht, stehen eine Reihe von Möglichkeiten zur Verfügung: von der Anteilssteigerung erneuerbarer Energien bis hin zur Entwicklung neuer Technologien. Eines dürfe dabei aber nicht vernachlässigt werden, sagt Siemens-Österreich-CEO Wolfgang Hesoun im Gespräch mit der futurezone: „Wenn wir es schaffen die Energieeffizienz entsprechend zu steigern, können wir uns eventuell die Diskussion über die Errichtung des einen oder anderen neuen Kraftwerks ersparen“, so Hesoun im Rahmen eines Besuchs des Democenters des Smart-City-Technologiezentrums in der Seestadt Aspern.
In dem neuen Wiener Stadtteil entwickelt und erprobt das Unternehmen neue Technologien im Praxiseinsatz. Eines dieser Projekte dreht sich um Energiegemeinschaften, bei denen die Eigenbedarfsoptimierung durch erneuerbare Energien im Mittelpunkt steht.
Wie das funktioniert
In solchen „Energy Communities“ schließen sich mehrere Haushalte, eventuell auch öffentliche Gebäude, Büroeinheiten und Gewerbebetriebe, zusammen und produzieren gemeinsam erneuerbare Energie. Der Strom, der etwa mit Windkraft oder Solaranlagen erzeugt wird, wird von den Teilnehmern selbst konsumiert. Überschüssige Energie wird direkt an andere Teilnehmer weiterverkauft oder anderweitig verwendet. Zusätzliche Gemeinschaftsspeicher können lokale Überproduktion aufnehmen und kurzzeitige Leistungsspitzen, etwa für das Laden von E-Autos, liefern.
Idealerweise haben die Teilnehmer zu unterschiedlichen Zeiten ihren Spitzenverbrauch: Etwa Haushalte, die am Morgen und am Abend viel Energie benötigen und Büros, die hauptsächlich untertags Strom verbrauchen. Wien Energie geht etwa davon aus, dass bei Energiegemeinschaften einzelne Haushalte doppelt so viel Sonnenenergie verwerten können, als wenn sie den Strom nur für sich selbst herstellen. Möglich wird dies durch Energiemanagement.
Notwendig dafür ist ein komplexes System aus Sensoren, ausgeklügelter Software, smarter Netztechnik und einem intelligenten Stromnetz. Bei dem Gemeinschaftsprojekt im Holzwohnbau in der Seestadt wird die Energie durch eigene Strom- und Wärmeerzeugung, sowie Wärmepumpen, Photovoltaikanlagen und Solarthermie hergestellt. Auf diese Weise konnten dort die 213 Haushalte ihre CO2-Emissionen um 70 Prozent, im Vergleich zur Energieerzeugung mit einer herkömmlichen Gaskessel-Heizanlage, reduzieren, rechnet Siemens vor.
Hohe Bereitschaft
Auch im Klimaministerium misst man den Energiegemeinschaften einen hohen Stellenwert bei. Es soll künftig möglich werden, dass Menschen aber auch Unternehmen die selbst produzierte Energie miteinander nutzen können, sagt Klimaschutzministerin Leonore Gewessler zur futurezone: „Dadurch beziehen wir Bürgerinnen und Bürger direkt in die Energiewende mit ein und schaffen größere Akzeptanz. Konsumentinnen und Konsumenten werden dabei zu Akteurinnen und Akteuren im Klimaschutz.“
Der Versuch in Aspern zeige, dass die Bereitschaft der Bevölkerung vorhanden ist, erklärt der Siemens-Österreich-Chef: „Als wir den Bewohnern der Seestadt Aspern das Projekt der Energiegemeinschaft vorgestellt haben, haben wir eine hohes Interesse und eine überdurchschnittlich hohe Beteiligungsrate festgestellt“. Allerdings hat Siemens dabei auch beobachtet, dass eine Verhaltensänderung in Bezug auf den Energieverbrauch nicht allein durch finanzielle Anreize erzielt werden kann.
Mit Energie beschäftigen
Im Viertel Zwei im 2. Wiener Gemeindebezirk betreibt Wien Energie ebenso eine Energiegemeinschaft im Rahmen eines Pilotprojektes. Dort erhalten die Teilnehmer mithilfe einer Smartphone-App einen detaillierten Überblick über den eigenen Energieverbrauch, über die produzierte Energiemenge sowie über den Stromhandel innerhalb der Energiegemeinschaft.
Diese Einblicke allein sowie die aktive Teilnahme am Energiemanagement hätten bereits dazu geführt, dass man sich vermehrt mit dem Energieverbrauch auseinandersetzt und dem Thema Energie allgemein mehr Aufmerksamkeit schenkt.
Gesetz notwendig
Um das gesamte Potenzial der Energy Communities auf Schiene zu bringen, sei es zielführend die Gemeinschaften möglichst gut aufzustellen, damit man sich nicht im Kleinteiligen verliert, so die Klimaschutzministerin. Damit spricht Gewessler auch die diesbezüglich anstehenden Gesetzesnovellen an. Denn derzeit sind Energiegemeinschaften lediglich als Testprojekte möglich.
Bis Jahresende sollen jedenfalls 2 entsprechende Gesetzesvorhaben umgesetzt werden – das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) sowie die Novellierung des Energieeffizienzgesetzes. Damit sollen Energiegemeinschaften eine rechtliche Basis erhalten, mit der die Errichtung und Umsetzung solcher Projekte deutlich forciert werden können, heißt es aus dem Klimaschutzministerium: „Politisch arbeiten wir mit Hochdruck daran, die Weichen für eine zu 100 Prozent erneuerbare Stromversorgung bis 2030 zu stellen.“
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