Implotiertes U-Boot hat sich auf einfaches Excel-Sheet verlassen

Implotiertes U-Boot hat sich auf einfaches Excel-Sheet verlassen

© APA/AFP/OceanGate Expeditions/HANDOUT / HANDOUT

Digital Life

Implodiertes U-Boot hat sich auf einfaches Excel-Sheet verlassen

Je mehr über das implodierte Tiefsee-Tauchboot "Titan" und die Betreiberfirma OceanGate bekannt wird, desto drängender wird die Frage: Wie um alles in der Welt konnte das möglich sein? Den Verantwortlichen bei OceanGate wird nicht nur grob fahrlässiges Verhalten vorgeworfen, manche Details im Umgang mit dem U-Boot scheinen direkt aus einem Satirefilm zu stammen. 

Bei einer behördlichen Anhörung hat etwa eine ehemalige Mitarbeiterin erklärt, wie haarsträubend die Navigation des U-Boots bewerkstelligt wurde. Normalerweise wird die Position eines Tauchbootes mithilfe von Schallimpulsen berechnet. Eine Software wird dabei mit Telemetriedaten wie Tiefe und Geschwindigkeit gefüttert und errechnet die Position. 

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Navigation per handgezeichneter Karte

Bei OceanGate war dieser Prozess anders organisiert. Die Daten der Schallimpulse wurden laut der ehemaligen Mitarbeiterin per Hand auf einem Zettel notiert und anschließend in ein Excel-Sheet eingegeben. Erst dann wurde eine Mapping-Software mit dem daraus errechneten Ergebnis gefüttert. 

Auf einer handgezeichneten Unterwasserkarte wurde in der Folge das U-Boot zum Wrack der Titanic gelotst. Die Navigationsdaten wurden per Hand alle 5 Minuten errechnet und per SMS an das U-Boot weitergegeben. Die Erklärung der ehemaligen Mitarbeiterin ist im obigen Video ab 6:45:36 zu sehen.

Die ehemalige Mitarbeiterin hat ihre Vorgesetzten mit deutlichen Worten darauf hingewiesen, dass die Navigation des U-Boots nicht zeitgemäß sei. Nachdem sie ihnen mitgeteilt hatte, dass "das eine idiotische Art der Navigation" ist, hat sich nicht mehr lange für OceanGate gearbeitet. 

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Steuerung mit 39-Euro-Gamepad

Diese fahrlässig wirkende Art der Navigation rückt die Geschichte eines Journalisten in ein neues Licht. Als ein CBS-Reporter auf einem Tauchgang mit dem Titan-Tauchboot war, gab es ein Kommunikationsproblem, sodass keine SMS-Nachrichten an das U-Boot weitergegeben werden konnten. Dadurch konnte die Besatzung 2,5 Stunden nicht feststellen, wo sie sich gerade aufhalten. 

Ein weiteres, wahnsinnig anmutendes Detail, das man nicht oft genug erwähnen kann: Das U-Boot wurde mit einem kabellosen Gaming-Controller gesteuert - und zwar mit einem Logitech F710 Gamepad, das auf Amazon um 39 Euro verkauft wird. Das Navigationsproblem ist in dem Video ab Minute 7:30 zu sehen. Die Steuerung per Gamepad kommt im selben Clip vor, ab Minute 3:30.

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Implosion mit 5 Toten

Die Titan war im Juni 2023 bei einem Tauchgang südlich von Neufundland plötzlich verschwunden, als mit 5 Menschen an Bord versucht wurde, das Wrack der Titanic zu besuchen. Laut Fachleuten deutet alles darauf hin, dass der Rumpf des U-Boots dem enormen Wasserdruck nachgab und implodierte. Alle Passagiere sind dabei zu Tode gekommen. Die Titanic liegt in rund 3.800 Metern Tiefe auf dem Meeresgrund. 

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Warnungen ignoriert

OceanGate hatte die Tiefsee-Expeditionen zur "Titanic" für etwa 250.000 Dollar pro Person im Angebot und schon rund ein halbes Dutzend Mal gemacht, war aber von Beginn an - wie erst später öffentlich bekannt wurde - mit Sicherheitsbedenken zahlreicher Experten konfrontiert worden. 

Das U-Boot war etwa von keiner Behörde oder Einrichtung für bemannte Tiefseetauchgänge überprüft, zertifiziert oder offiziell zugelassen worden. Standards seien umgangen und Warnungen missachtet worden, hieß es. 

OceanGate hat nach eigenen Angaben inzwischen alle Erforschungen und kommerziellen Geschäftstätigkeiten eingestellt. Untersuchungen des Vorfalls laufen unter anderem bei der US-Küstenwache und der Transportsicherheitsbehörde Kanadas.

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