Radar schützt Autofahrer in Salzburg vor Lawinen
Das 2019 Meter hohe Lahnerhorn in Salzburg macht seinem Namen alle Ehre. Immer wieder kommt es nämlich vor, dass sich vom Berg eine Lawine - im hiesigen Dialekt auch “Lahn” genannt - löst und manchmal bis auf die B311 Pinzgauer Straße reicht. Im Winter wird die Straße daher vorsorglich oft abgesperrt. Das ist nicht nur für die rund 400 Bewohnerinnen und Bewohner der Gemeinde Weißbach bei Lofer am Fuße des Lahnerhorns ärgerlich. Die ehemalige Bundesstraße ist die Hauptverkehrsader im Pinzgau, bei einer Straßensperre muss man großräumig ausweichen.
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Sperrtag der Landesstraße kostet 782.000 Euro
“Wir haben das ausgerechnet: Ein Sperrtag kostet 782.000 Euro an entgangener Wirtschaftsleistung”, sagt Salzburgs Landesgeologe Gerald Valentin. Aus diesem Grund erkennt ein Radargerät am gegenüberliegenden Hang in Echtzeit, wann sich eine Lawine löst. Seit Dezember steuert das System automatisch 4 Ampelanlagen im Tal.
“Eigentlich gefährden 2 Lawinen die Pinzgauer Straße bei Weißbach: die Wieserlawine und die Lahnerhornlawine”, sagt Valentin. Bei den Ersteren handelt es sich meist um sogenannte Fließlawinen, die die Straße nicht erreichen. “Was uns Sorgen macht, sind allerdings die großen Staublawinen, die auch die Straße erreichen können”, so der Experte.
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Das Radarsystem ist das erste dieser Art in Österreich und bereits seit vergangenem Winter am Gegenhang im Testeinsatz und überblickt etwa 1.000 Höhenmeter des Lahnerhorns. Es sendet konstant elektromagnetische Wellen aus, die am gegenüberliegenden Hang abprallen und vom System wieder detektiert werden. Die Wellen können auch dichten Nebel, Regen oder fallenden Schnee durchdringen, wodurch das System wetterunabhängig funktioniert. Löst sich eine Lawine, ändert sich die Frequenz, mit der die Wellen wieder am Messgerät ankommen. So kann eine Lawine erkannt werden.
Photovoltaik und Brennstoffzelle
Mit Strom versorgt wird die Radarstation über 2 Photovoltaikmodule. Die alleine reichen dafür allerdings nicht aus. Daher wurde eine Methanolbrennstoffzelle installiert, die einmal im Jahr betankt werden muss. Über eine verbaute Kamera kann man zudem das gesamte Gebiet überblicken.
Weltweit gibt es laut Valentin nur eine Handvoll Unternehmen, die eine solche Technologie entwickeln. In Salzburg habe man sich für den Schweizer Anbieter Geoprevent entschieden. “Denn wo sich die Spreu vom Weizen trennt, sind die Algorithmen, damit das Gerät einen Schneesturm nicht mit einer Lawine verwechselt”, so der Geologe. Im Testzeitraum wurde nur ein Mal ein Fehlalarm ausgelöst.
Trotz des lawinenarmen vergangenen Winters konnte sich das System aber schon beweisen. “Es ist faszinierend zu sehen, wie viele Lawinen abgehen, von denen wir im Tal gar nichts mitbekommen”, sagt Valentin. Sogar kleinste Schneerutsche werden erfasst - das ist insofern wichtig, da man bei der Auslösung nicht weiß, wie groß eine Lawine im Endeffekt wird.
60 Sekunden Zeit
Bis der Algorithmus des Radars erkennt, dass es sich dabei wirklich um eine Lawine handelt, vergehen 10 Sekunden. Über Funk sendet die Station dann ein Signal an die Ampeln im Tal, die auf Rot springen. “Ein Autofahrer hat dann etwa 50 Sekunden Zeit, den Gefahrenbereich zu verlassen”, sagt Valentin. “Dafür muss er mindestens 35 km/h schnell sein, also relativ langsam.”
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Kommt die Lawine wieder auf dem Berg zum Stehen, wird das ebenso erkannt und die Ampeln springen wieder auf Grün. Im Gefahrenbereich gibt es auch Induktionsstreifen in der Straße, die einen Stau erkennen und die Ampeln dann auf Blockabfertigung umstellen. So bleibt der Gefahrenbereich immer frei.
Lawinenradare weltweit
Geoprevent hat bereits mehr als 40 Lawinenradarprojekte auf 3 Kontinenten umgesetzt, davon sind mehr als 20 in der Schweiz, Norwegen, Chile und Kanada im aktiven Betrieb.
Radargeräte werden bereits seit Jahren eingesetzt, um Lawinen aufzuzeichnen - allerdings meist nur, um bei gezielten Lawinensprengungen die Auswirkungen der Sprengung zu untersuchen.
Günstiger als andere Schutzmaßnahmen
Ein Lawinenradar kostet rund 400.000 Euro. Verglichen mit anderen Methoden des Lawinenschutzes ist das günstig. “Wir haben uns auch andere Schutzmaßnahmen wie die Anrissverbauung (bauliche Sicherung am Hang, Anm.), Lawinensprengungen und Galerien angesehen - aber bei so seltenen Lawinen rentiert sich das finanziell nicht”, so Valentin.
Für die Alpine Ski-WM in Saalbach, die im Februar über die Bühne geht, ist man mit dem neuen Lawinenerkennungssystem gut ausgerüstet. Die wichtige Landesstraße soll nämlich so kurz wie möglich geschlossen bleiben. Auch im Lungau ist auf der Katschberg-Bundesstraße bei Tweng bereits ein Lawinenradar im Probebetrieb. Hier könnte man künftig auch mehrere Geräte einsetzen, die ein größeres Gebiet abdecken.
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