Zwei Männer in Untergrund-Haus im Dschungel

Diese zwei Herren haben angeblich gerade einen hübsch dekorierten Pool in einem Erdloch fertiggestellt

© YouTube

Digital Life

Wer steckt hinter diesen "Primitive Building"-Videos?

Die Stichworte, die Interesse wecken sollen, stecken meist allesamt im Titel drin: Primitive, Building, Underground, Swimming Pool, House, Villa. Was in den YouTube-Videos passiert, lässt sich durch die Bank so beschreiben: 2 Männer, die ausschließlich eine kurze Hose tragen, planen auf einer Dschungellichtung ein Bauwerk, heben mit simplen Werkzeugen aus lockerem und dennoch tragfähigem Boden große Gruben aus, festigen und bemalen ihr Bauwerk mit natürlichen Materialien, essen zwischendurch frisch gefangene Tiere, leiten von irgendwoher Wasser in das Konstrukt und erfreuen sich dann an ihrem Werk.

Gefilmt wird im Zeitraffer, mit großen Sprüngen zwischen Bauphasen mit bloßer Körperkraft. Gesprochen wird fast nichts und wenn, dann hört man bloß ein durch die Geschwindigkeit verzerrtes Gequietsche.

Erfolgreich und mysteriös

Videos von dieser Sorte gibt es mittlerweile hunderte. Sie laufen nach dem immer gleichen Schema ab und haben riesigen Erfolg. Viele haben Aufrufe im dreistelligen Millionenbereich. Doch wer steckt eigentlich hinter diesen Beiträgen? Warum sind sie so uniform? Wo kommen all diese geschickten und architektonisch begabten Dschungelbewohner her? Und was passiert mit ihren Bauwerken, die angeblich in monatelanger Handarbeit mühevoll kreiert wurden?

Merkwürdigerweise geben viele der asiatisch aussehenden Videomacher ihren Wohnort als USA an, obwohl "United State of America" oder "California City" ein wenig misstrauisch machen. Die tatsächliche Heimat scheint tausende Kilometer entfernt in Südostasien zu liegen. Die Webseite Coconuts Bangkok hat vor 3 Jahren intensive Nachforschungen angestellt und kommt zum Schluss, dass der Großteil der Videos aus Kambodscha stammt. Dort scheint sich eine ganze Videomacher*innenszene gebildet zu haben, die am laufenden Band Inhalte produziert und damit für lokale Verhältnisse vergleichsweise gut verdient.

Ursprung "Primitive Technology"

Als Ursprung der ganzen Bandbreite an "Primitive"-Videos, die man derzeit auf YouTube findet, wird einstimmig John Plant ausgemacht. Der Australier hat vor 7 Jahren begonnen, sich dabei zu filmen, wie er - nur mit kurzer Hose bekleidet - in einem Wald im nördlichen Queensland Werkzeuge, Fallen, Körbe, Öfen und Hütten mit bloßen Händen herstellt. Sein YouTube-Kanal "Primitive Technology" hatte bald eine treue Gefolgschaft. Auf seinem Blog gibt er Anleitungen, wie man seine Konstrukte nachbauen kann.

Der Reiz der Videos liegt laut Expert*innen darin, die Möglichkeit aufzuzeigen, in einer natürlichen, ursprünglichen Umgebung auf sich allein gestellt Dinge herstellen zu können. "Die meisten von uns realisieren, dass sie ohne die kollektive Arbeit von vielen Fremden nicht überleben könnten", zitiert die BBC den Psychologen Art Markman von der University of Texas. "Außerdem leben wir in unsicheren Zeiten. Wenn du Institutionen misstraust, wärst du möglicherweise gerne in der Lage Dinge selbst zu tun."

Dabei zuzusehen, wie John Plant seine Projekte im Wald umsetzt, wecke bei vielen den Wunsch, selbst handwerklich tätig zu werden. Je primitiver der Gegenstand, desto eher erscheine er machbar.

Was gut läuft, wird wiederholt

Auf den Zug von "Primitive Technology" sprangen jedenfalls schnell andere Videomacher*innen auf. Einer nennt sich etwa "Primitive Skills" und wird vom Vietnamesen Huy Dong gemacht. In Südostasien wurden mehrere Gruppen von Videomacher*innen aktiv, die das Genre weiterentwickelten. Eine Vielzahl neuer YouTube-Kanäle entstand. Hinter einigen davon stehen wahrscheinlich die selben Personen. Wiederkehrende gleiche Schreibfehler in den Videobeschreibungen, gleiche Einstellungen und Schnittmuster, lassen das jedenfalls vermuten.

Was erfolgreich läuft, wird einfach in genau dem selben Schema wiederholt. Um Bauwerke geht es den Videomacher*innen nicht unbedingt. Produziert wird, worauf die YouTube-Nutzer*innen anspringen, seien es Kochshows im Dschungel oder gar besonders merkwürdige Auswüchse wie Videos, die ihren Fokus darauf legen, Kinder möglichst laut schmatzend und Affenlaute von sich gebend "exotische" Wildtiere essen zu lassen. Berichte über Letzteres waren YouTube zu heikel, woraufhin einige Kanäle abgedreht wurden.

Baumaschinen und Müll

"Primitiv" sind die Vorgänge hinter den Videos längst nicht mehr. Die exotischen Wildtiere kommen vom Markt und auf den Baustellen im Dschungel kommt wahrscheinlich schweres Gerät zum Einsatz. Anders wäre es nur schwer möglich, dass Kanäle ständig neue Videos von Bauwerken veröffentlichen, in deren Konstruktion sie angeblich hunderte Tage schwere körperliche Arbeit investierten. In Videos wurden aber auch andere Hinweise entdeckt, etwa Bagger-Spuren.

Bei dem angeblich natürlichen Zement, der zum Einsatz kommt, um unterirdische Pools abzudichten, scheint es sich um übliche Industrieprodukte zu handeln. Davon künden aufgerissene Säcke in der Umgebung der Bauwerke. Ein kambodschanischer Fotograf hat die Hinterlassenschaften der Dschungelkonstrukteure mit seiner Drohne dokumentiert. Nach den Videodrehs werden die Bauwerke einfach zurückgelassen und dem Verfall preisgegeben. Was bleibt, ist viel Müll rundherum und neue, wassergefüllte Brutstätten für Mücken, die zudem für größere Tiere zur tödlichen Falle werden können.

Überdurchschnittliches Einkommen

Schaffen es die Videomacher*innen, viele Aufrufe und Abonnements zu generieren, werden sie an den Werbeeinnahmen von YouTube beteiligt. Dass ein Kanal mehrere tausend Euro pro Monat verdient, ist keine Seltenheit. Zum Vergleich: Das monatliche Durchschnittseinkommen in Kambodscha liegt bei rund 120 Euro. Kein Wunder also, dass es eine blühende Auswahl an unterschiedlichsten "Primitive"-Videos gibt. Über die Identitäten der Protagonisten in den Videos weiß man nichts. Ob "Mr. Heang", "Mr. Tfue" und Co. wirklich so heißen, oder ob es Fantasienamen sind, die Authentizität vermitteln sollen, ist unklar.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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