Wie soll ich mit Propaganda in Social Media umgehen?
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„Glauben Sie nicht den Fälschungen“, meldete sich der Präsident der Ukraine Wolodymyr Selenskyj vor wenigen Tagen auf Twitter zu Wort. „Wir werden die Waffen nicht niederlegen“, sprach er in dem dazugehörigen Video eindringlich in die Selfie-Kamera seines Smartphones und widerlegte damit die Gerüchte, dass er das Land verlassen habe. Eine Falschmeldung, die, so scheint es, russische Kriegspropaganda war.
Krieg in Echtzeit
Dies ist nur ein Beispiel von vielen, mit der die Kriegsparteien versuchen, Desinformation zu verbreiten: Jüngst kursierten im Internet Behauptungen, dass Bilder und Videos eines zerstörten Wohnhauses gar nicht die ostukrainische Stadt Chuhuiv zeigten, sondern eine Gasexplosion in der russischen Stadt Magnitogorsk aus dem Jahr 2018. Eine verletzte Frau, die auf den Bildern zu sehen war, wurde sogar vermeintlich als Krisendarstellerin entlarvt. Ein Fake, wie sich herausstellte. Verbreitet von pro-russischen Accounts in sozialen Medien.
Twitter, TikTok, Telegram und Facebook sind voll von solchen Bildern, Videos und Meldungen, die von verletzten Menschen, rollenden Panzern oder Raketenangriffen berichten. Nicht immer ist auf den ersten Blick erkennbar, ob es sich dabei um authentische Informationen oder Falschmeldungen handelt.
Erst checken, dann teilen
Worauf zu achten ist, um Fake News in sozialen Netzwerken nicht auf den Leim zu gehen oder sie gar zu verbreiten, weiß Andre Wolf von der Faktencheck-Plattform Mimikama: „Wichtig ist in einem ersten Schritt ein Gespür dafür zu entwickeln, wie Falschmeldungen aufgebaut sind“, erklärt er der futurezone. Diese seien häufig tendenziös, einseitig und reißerisch geschrieben. Nutzer*innen sollten daher Informationen verlangsamt konsumieren.
Und Quellen prüfen. „Ich sollte mich immer fragen: Wie vertrauensvoll ist diese Quelle? Welche Medien haben noch darüber berichtet? Gegenchecken ist besonders wichtig.“ Beim Überprüfen von Fakten auf Social Media können eine Vielzahl von Tools helfen, zu denen der Experte rät, darunter zum Beispiel die umgekehrte Bildersuche, mit der die Quelle von Fotos häufig zurückverfolgt werden kann. „Nicht nur Google, sondern auch die russische Suchmaschine Yandex ist gerade in diesem Kontext hilfreich“, merkt Wolf im Hinblick auf den Russland-Ukraine-Konflikt an. Auch Videos lassen sich mit der Bildersuche zurückverfolgen: „Wenn ich innerhalb der ersten 3-10 Sekunden einen Screenshot aufnehme, entspricht dieser häufig der Vorschau eines Videos. Schmeiße ich den in die Bildersuche, ist das recht häufig mit Erfolg verbunden.“
Fake-News-Werkzeugkasten
Der Experte rät auch zur Verwendung von Übersetzungsprogrammen wie Deepl oder Google-Übersetzer. Es sei erstaunlich, wie viele Falschmeldungen sich allein durch das Übersetzen von Bildtexten entlarven ließen.
Ein weiteres hilfreiches Tool sind sogenannte OSINT-Anwendungen (kurz für Open Source Intelligence Network). Über diese Tools können zwar Quellen ausfindig gemacht werden, Andre Wolf mahnt allerdings zur Vorsicht: „Da kann alles Mögliche drinstehen, das ist wie mit Wikipedia. Da muss man besonders auf die Fußnoten, sprich die Quellenangaben, der Seiten achten.“ Aufpassen sollten Nutzer*innen auch bei Metadaten, also Informationen wie Fotografen und Aufnahmedatum, die sich hinter einem Bild verbergen. Gerade auf Social Media seien diese nicht immer eine zuverlässige Quelle, um Fake News zu erkennen. „Plattformen wie Twitter oder Facebook löschen die Metadaten, außerdem können sie manipuliert sein“, warnt Wolf. Als Faustregel gilt: Eine hohe Bildauflösung deutet auf Vertrauenswürdigkeit hin, da das Foto durch weniger Hände gegangen zu sein scheint.
Faktenprüferplattformen wie EDMO, Mimikama oder Bellingcat sind in jedem Fall eine gute Anlaufstelle, sollten User*innen an der Richtigkeit der Inhalte auf sozialen Netzwerken zweifeln. Auch vertrauenswürdigen Journalist*innen und Agenturen vor Ort zu folgen, ist eine Möglichkeit, Falschmeldungen so gut es geht zu umschiffen.
Nützliche Tools im Überblick
- Kuratierte Twitteraccounts von Journalist*innen, die über die Invasion berichten: Daniel Dale (CCN Reporter), María Ramírez (El Diario)
- Faktencheck-Webseiten wie EDMO, Mimikama oder Bellingca
- Umgekehrte Bildersuche via Google, TinEye oder Yandex (russisches Pendant)
- OSINT-Anwendungen (hier geht es zur Linksammlung)
- Wolfram Alpha, mit dem das Wetter an einem bestimmten Tag in Erfahrung gebracht und dann mit dem Bild abgeglichen werden kann
- Online-Übersetzer wie Deepl oder Google
Eine Frage der Ethik
Falschmeldungen zu erkennen, ist das eine. Denn dass Fake News nicht verbreitetet werden sollten, leuchtet ein. Wie aber sollen User*innen mit Inhalten umgehen, die zwar keine Desinformation sind, aber trotzdem womöglich in die Hände politischer Propagandist*innen spielen? „Das ist eine Frage der Ethik“, sagt Michael Litschka, Dozent am Department für Medien und Digitale Technologien an der FH St. Pölten gegenüber der futurezone.
Man müsse bei der Bewertung immer Ziel und Absicht derjenigen im Auge behalten, die die Inhalte zuallererst verbreiten. „Wenn man mit einem Foto auf die katastrophalen Folgen des Krieges hinweisen möchte, ist der Inhalt an sich noch nichts moralisch Verwerfliches“, merkt der Medienethiker an. „Werden mit der Meldung allerdings moralisch bedenklich Ziele verfolgt, was bei Propaganda eben der Fall ist, sollte der Inhalt natürlich nicht weiterverbreitet werden.“ Auch hier ist also die Überprüfung der Quellen gefragt. Im Zweifelsfall sollte der Post lieber nicht geteilt werden.
Bei der Abbildung von Kriegsgefangenen ist außerdem besondere Vorsicht geboten: Nicht nur Persönlichkeitsrechte können, je nach Rechtslage in dem jeweiligen Land, verletzt werden, sondern auch die Bestimmungen der Genfer Konvention aus dem Jahr 1929. Kriegsgefangene müssen demnach gegen die „Neugier der Öffentlichkeit geschützt werden“, heißt es in der Vereinbarung.
Am Ende des Tages handle es sich bei Kriegberichterstattung in sozialen wie auch in herkömmlichen Medien "immer um Gratwanderung", so Medienethiker Litschka. Jeder Fall sei einzeln abzuwiegen.
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