Ukraine identifiziert tote russische Soldaten mit Gesichtserkennung
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr!
Laut dem ukrainischen Vizepremier und Digitalminister Mikhail Fedorow setzt die Ukraine Gesichtserkennungstechnologie ein. Damit werden tote russische Soldaten identifiziert. Man mache dies, um Familien über den Tod ihrer Angehörigen zu informieren, sagte Fedorow der Nachrichtenagentur Reuters.
Zum Einsatz kommt dabei die Technologie des umstrittenen US-Unternehmens Clearview AI. Sie wird dem ukrainischen Verteidigungsministerium seit einiger Zeit, nach Angaben des Unternehmens, kostenlos zur Verfügung gestellt.
Ursprünglich sollten damit Personen an Checkpoints überprüft werden. Dass damit auch tote Soldaten identifiziert werden, wollte ein Clearview-Sprecher gegenüber Reuters nicht kommentieren. Man wisse von einem solchen Einsatz nichts, hieß es.
2 Milliarden Fotos aus russischem Online-Netzwerk
Die Datenbank von Clearview AI umfasst angeblich mehr als 10 Milliarden Fotos, die hauptsächlich aus Online-Diensten wie Facebook, Twitter, YouTube oder anderen Websites stammen und weitgehend ohne dem Einverständnis der Nutzer*innen gesammelt wurden. Rund 2 Milliarden Fotos davon kommen laut Clearview-Angaben vom russischen Online-Netzwerk VKontakte.
Über die Software werden laut Fedorow die Social-Media-Konten der toten Soldaten ausfindig gemacht und davon ausgehend die Angehörigen kontaktiert. Man mache dies aus Gefälligkeit gegenüber den Müttern dieser Soldaten, um die Familien wissen zu lassen, dass sie ihre Söhne verloren haben und ihnen zu ermöglichen, die Leichen abzuholen, sagte Fedorow.
Es darf vermutet werden, dass damit auch der Widerstand gegen den Krieg in der Ukraine in Russland gefördert werden soll. Über die Anzahl gefallener russischer Soldaten gibt es stark divergierende Angaben. Laut der Ukraine sind seit Beginn des russischen Angriffskrieges 15.000 russische Soldaten gefallen. Russland, das zuletzt Anfang März Zahlen bekanntgab, spricht hingegen nur von knapp 500 gefallenen Soldaten.
Wie viele Leichen mit der Gesichtserkennungstechnologie bisher identifiziert wurden, wollte der ukrainische Vizepremier nicht sagen. Der Prozentsatz der von ihren Familien beanspruchten Personen sei aber "hoch", hieß es. Verifizieren lassen sich die Angaben nicht.
Kritik von Bürgerrechtsgrupppen
Bürgerrechtsgruppen, darunter das Surveillance Technology Oversight Project, üben am Einsatz der Technologie Kritik und warnen auch vor Fehltreffern und falschen Zuordnungen.
Die Technologie von Clearview AI, deren Entwicklung vom US-Investor Peter Thiel finanziert wurde, kommt bei US-Polizeibehörden, aber auch bei zahlreichen Unternehmen zum Einsatz. Weil die Fotos weitgehend ohne das Einverständnis der Nutzer*innen gesammelt wurden, sind Klagen in den USA anhängig.
Kritik gibt es auch abseits der technischen Methode. Der ukrainischen Regierung wird vorgworfen, Grenzen zu überschreiten, wenn sie die Angehörigen der gefallenen Soldaten informiert. Da die russischen Soldaten von ukrainischen Soldaten getötet wurden, könne das bei den Hinterbliebenen wie eine Veröhnung wirken, anstatt einer Gefälligkeit.
Kommentare