Spritztour im Waymo: So fährt es sich im selbstfahrenden Taxi
Es funktioniert wie jedes andere Taxi, das man heutzutage per Smartphone rufen kann. Man lädt sich die entsprechende App herunter und meldet sich an. Anschließend gibt man einfach an, wohin man fahren möchte und schon ist das Auto zu einem unterwegs.
Genauso funktioniert der Dienst Waymo des Google-Mutterkonzerns Alphabet. Der einzige Unterschied zu anderen Taxis: Es gibt keine Fahrerin oder Fahrer. Das gerufene Auto, das um die Ecke biegt, ist komplett leer, Lenkrad und Pedale bewegen sich von selbst.
Denn dabei handelt es sich um ein selbstfahrendes Auto. Waymo bietet seine Dienste in den USA mittlerweile in mehreren Städten an. Ich war in San Francisco mit dem Roboter-Taxi unterwegs.
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Kein Fahrer
Während der Bestellvorgang an sich nicht besonders aufregend ist, gilt das nicht für die Ankunft des gerufenen Taxis. Es ist einfach schlichtweg cool, ein Auto um die Ecke fahren zu sehen, bei dem niemand am Lenkrad sitzt. Dafür ist der elektrische Jaguar I-PACE mit allerlei Sensoren ausgestattet. Neben Kameras zählen dazu auch mehrere Radar- und LIDAR-Sensoren, also eine Art Laser-Radar. Bemerkenswert ist auch, dass das Auto über Rückspiegel verfügt, die das Selbstfahr-System wohl eigentlich nicht bräuchte.
Dort, wo ich auf das Roboter-Taxi warte, ist zufällig eine Parklücke frei. Sie ist nicht riesig, aber für ein selbstfahrendes Auto muss es doch eine Leichtigkeit sein, perfekt einzuparken, denke ich mir. Kann der Computer doch im Bruchteil einer Sekunde die Abstände ausmessen, den richtigen Winkel berechnen und das Lenkrad genauso weit einschlagen, wie notwendig. Doch genau das macht das Waymo-Taxi nicht. Es nähert sich zwar zielsicher der Lücke und lenkt in die Richtung, entscheidet sich dann aber doch nicht für das komplette Einfahren in die Lücke. Stattdessen fährt es nur mit einer Reifenbreite in die Parklücke und bleibt stehen.
Die Aktion wirkt jedenfalls nicht blitzschnell durchkalkuliert und geplant, sondern eigentlich fast menschlich. Man kann sich vorstellen, wie auch ein Autofahrer die Lücke sieht, zuerst plant, sich direkt reinzustellen, dann aber spontan entscheidet, dass es doch zu eng wird und sich stattdessen möglichst weit an die Seite stellt. “Passt schon” hat sich in diesem Fall wohl auch das Roboter-Taxi gedacht.
Im Inneren sieht das Waymo-Auto im Grunde wie jedes andere Auto aus. Auf der Fahrerseite befinden sich auch Lenkrad, Pedale sowie alle vertrauten Bedienelemente und Anzeigen. Zugegeben, ein wenig gespenstisch wirkt es schon, wenn vor einer Kurve wie von Geisterhand der Blinker anspringt und sich das Lenkrad selbst bewegt.
Während die Einpark-Aktion menschenähnlich war, ist die weitere Fahrt schon fast zu ruhig, um als menschlich durchzugehen. Beschleunigung-, Lenk- und Bremsmanöver sind extrem sanft. Sie wirken gleichzeitig aber nicht unnatürlich. Man hat einfach das Gefühl, mit einem hervorragenden Autofahrer unterwegs zu sein.
Auch teilweise überraschende Situationen, wie plötzlich aus Ausfahrten kommende Fahrzeuge oder Menschen, die zwischen parkenden Autos in Richtung Fahrbahn hirschen, wurden von dem selbstfahrenden Taxi gemeistert. Und auch hier waren die Ausweichmanöver deutlich weniger hektisch, als sie vielleicht ein Mensch gemacht hätte.
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Im Inneren der Waymo-Taxis finden maximal 4 Fahrgäste Platz. Einer auf dem Beifahrersitz und 3 auf der Rückbank. Der Platz des Fahrers muss frei bleiben. Aus Sicherheitsgründen, wie Jonathan Ng, Produktmanager bei Waymo, gegenüber der futurezone erklärt. Zu groß wäre die Gefahr, dass während der Fahrt Lenkrad oder Pedale betätigt werden. Es müsse nicht einmal aus Böswilligkeit geschehen, wie Ng erklärt. Es reiche schon, wenn ein Mitfahrer reflexartig auf die Bremse steigen würde, weil er meint, es müsse sein.
Im Auto selbst sind 2 Displays vorhanden. Eines vorn, genau dort, wo sich üblicherweise das Infotainmentsystem befindet. Ein weiteres ist in der Mittelkonsole verbaut, so, dass man es auf der Rückbank gut im Blick hat. Auf dem Bildschirm sieht man in Form einer virtuellen Darstellung der Umgebung das, was das Auto gerade sieht. Es ist schon erstaunlich zu beobachten, wie Straßen, Spuren und andere Autos mithilfe der zahlreichen Sensoren rundherum registriert werden. Wem das zu langweilig ist, der kann sich direkt auf dem Bildschirm Musik aussuchen, die er gerne hören würde.
Will man das Auto spontan zum Anhalten bringen, teilt man ihm das ebenfalls über eines der Displays mit. Drückt man den Knopf, fährt der Wagen bei nächster Gelegenheit rechts an den Straßenrand heran.
Augenkontakt?
Fußgänger, die die Straße überqueren wollen, sind beim Anblick des Roboter-Autos eher zögerlich. Es wirkt, als würden sie Augenkontakt mit dem nicht vorhandenen Fahrer suchen, um sicher über die Fahrbahn zu kommen. Waymo will diese fehlende Möglichkeit der Kommunikation mithilfe einer Anzeige auf dem Dach der Roboter-Taxis kompensieren. Dort werden je nach Situation Symbole für die anderen Verkehrsteilnehmer angezeigt. Können Fußgänger etwa gefahrlos passieren, wird dort ein Zebrastreifen dargestellt. Auf der Rückseite wird dem nachkommenden Autofahrer per Fußgänger-Symbol signalisiert, dass die Straße gerade überquert wird.
Um diese Hinweise zu erkennen, muss man als Passant oder anderer Autofahrer natürlich wissen, wohin man blicken muss. Dass das noch einen gewissen Lernprozess der Umgebung erfordert, gibt auch Produktmanager Ng zu. Eine Herausforderung könnte hier künftig auch der Umstand sein, dass es wohl keine standardisierte Lösung gibt. Jedes selbstfahrende Auto dürfte also auf seine individuelle Weise mit der Umgebung kommunizieren.
Außergewöhnliches Bild
Dass die selbstfahrenden Autos selbst in San Francisco noch kein alltägliches Bild sind, merkt man recht schnell, wenn man mit dem Waymo unterwegs ist. Viele Passanten zücken ihr Smartphone, um Fotos oder Videos zu machen.
Besonders spannend ist aber das Verhalten anderer Autofahrer: Sie zeigen sich versöhnlicher mit dem Roboter als mit menschlichen Verkehrsteilnehmern. So gibt es etwa kein Gehupe, wenn er beim Abholen sehr gemächlich an den Straßenrand fährt und somit den nachkommenden Verkehr etwas aufhält. Oder auch dann nicht, wenn das defensiv fahrende Waymo einmal einem anderen den Vorrang lässt. “Was bringt es schon einen Roboter anzuhupen oder zu beschimpfen?”, denken sich manche wohl auch. Alleine das macht die Mitfahrt schon sehr entspannt. Und selbst hat das Waymo übrigens auch nicht gehupt.
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Vergesst eure Handys nicht!
Die relativ kurze Fahrt vom San Francisco Pier 1 zum Coit Tower verlief jedenfalls ohne besondere Zwischenfälle. Preislich liegt Waymo übrigens sehr nah an der Konkurrenz Uber und Lyft. Am Ende jeder Fahrt weist einen eine Roboterstimme übrigens darauf hin, auch nichts im selbstfahrenden Taxi zu vergessen. Und besonders eindringlich kommt der Hinweis: “Nimm dein Handy jetzt”.
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