Avatar Frontiers of Pandora im Test: Schöne Welt, verpasste Chancen
Seit Jahren versucht Disney, ein Franchise um James Camerons Avatar aufzubauen. Obwohl die Geschichte der blauen Na'vi seine Fans hat und viele fasziniert, so richtig lebendig wird die Welt des Planeten Pandora nicht.
Das Spiel „Avatar: Frontiers of Pandora“ sollte der große Gaming-Blockbuster werden, das Interesse ebbte aber schnell ab. Das dürfte vor allem mit der katastrophal schlechten ersten Spielstunde zusammenhängen. Zunächst wollte ich gar nicht darüber schreiben, doch nachdem mich die Welt doch in ihren Bann gezogen hat, musste ich meine Meinung zumindest teilweise ändern.
In meinen vielen Jahren als Spielejournalistin habe ich selten einen so misslungenen Spieleeinstieg erlebt. Der Versuch, mit der Brechstange Emotionen zu erzeugen, scheitert kläglich am holprigen Storytelling. Als Na’vi-Kind erleben wir den Alltag in einer Militär-Einrichtung der Menschen. Schnell wird klar, dass der Leiter, Henry Mercer, karikaturartig böse ist. Er will die Na'vi-Traditionen aus den Kindern herausprügeln und sie zu willigen Sklaven erziehen. Wehren sich die Kinder, hat das fatale Folgen.
Atemberaubende Spielwelt mit Sichtproblemen
Der große Pluspunkt des Spiels ist die lebhafte und detailreich gestaltete Welt. Wälder, Berge, Wiesen, Seen voller Tiere und Pflanzen fordern dazu auf, erkundet zu werden. Tagsüber sind sie schon farbenfroh, aber in der Nacht sorgt die Biolumineszenz, wie man es von den Filmen kennt, für Staunen. Die meiste Zeit bin ich mit meinem geflügelten Ikran über die Welt geflogen und habe sie bewundert. Das überrascht mich bei Ubisoft aber auch nicht, denn das ist auch bei der Assassin's-Creed-Reihe ihre ganz große Stärke.
3 Bilder
Dass man das Spiel nicht dort startet, sondern Spieler*innen erstmal auf finstere Betonmauern starren lässt, ist mir ein Rätsel. Ja, das verstärkt den Kontrast zwischen der schönen Wildnis und der menschengemachten Hässlichkeit, sobald man dem Bunker in die Freiheit entkommt. Dafür muss man sich aber durch eine Stunde gähnende Langeweile kämpfen.
Den Baum vor lauter Wald nicht sehen
In der Wildnis zeigt sich unmittelbar ein weiteres Problem des Spiels: Es fehlen Erklärungen. Ubisoft wurde in der Vergangenheit vorgeworfen, Spieler*innen zu stark an die Hand zu nehmen. Im Falle von Avatar hätte ich mir aber ein wenig mehr Hilfe gewünscht. Die meiste Zeit verbringe ich damit zu verstehen, was ich genau machen soll und wo ich etwas finde. Fast schon ein Scherz ist, dass man zu Beginn einen verletzen Verbündeten im Wald sucht, der lediglich ruft "Hier drüben, bei dem Baum". Ah, "bei dem Baum", alles klar, genauer brauch’ ich's nicht. Ich habe mindestens 10 Minuten gesucht, sie kamen mir vor wie Stunden. Dass Gegner, Menschen und Tiere, oft schwer oder gar nicht in der Umgebung zu erkennen sind, kann man als "Realismus" verbuchen, weil sie eben gut getarnt sind. Nervig ist das aber trotzdem.
Was mir von Beginn an gut gefallen hat, ist die Einbindung der Umwelt. Waffen, Munition, Ausrüstung und Nahrung werden größtenteils aus dem gefertigt, was man sammeln und jagen kann. Pfeile für den Bogen werden gecraftet. Das ist einerseits sehr stimmig für die Welt, es müssen aber unnötig viele Knöpfe dafür gleichzeitig gedrückt werden: Menü aufrufen, Menü-Reiter wechseln, Taste halten. Außerhalb eines Kampfes ist das kein Problem. Während man von allen Seiten beschossen wird, ist es einfach nur lästig.
Kämpfen nur gemeinsam
Die Kämpfe sind bei weitem das schwächste Element im ganzen Spiel. Sie sind so repetitiv und langweilig, dass man sie einfach nur schnell hinter sich bringen will. Man schießt auf die Schwachstellen der immer gleichen Gegner. Das ist so ermüdend, dass ich die Schwierigkeit irgendwann herabgesetzt habe, damit ich damit nicht zu viel Zeit verschwende. Immer werden die gleichen Tasks durchgeführt: Hacke eine Station, zieh an einem Schalter, zerstöre eine Mine – das wird der gelungenen Spielewelt nicht gerecht.
Hier macht sich der Multiplayer besonders bezahlt. Denn auch die langweiligsten Kämpfe sind erträglicher, wenn man sich dabei mit Freuden unterhalten kann. Nach etwa 2 Stunden Spielzeit kann man andere einladen bzw. in andere Spiele einsteigen. Das gesamte Spiel gemeinsam zu spielen ist aber schwierig, da man viel Zeit mit dem Erkunden und Sammeln verbringt.
Ein Schritt nach vorn und einer zurück
Beim Aufleveln des Charakters hat Ubisoft zumindest etwas Neues versucht. Statt nur durch Erfahrung wird auch über die Ausrüstung aufgelevelt. Das ergibt Sinn und erfordert Crafting. Dafür sucht man in der Wildnis nach seltenen Pflanzen und Tieren, um Material zu sammeln. Auch für mich überraschend macht mir das Spaß, denn es rückt die Schönheit und den Detailreichtum der Spielewelt in Szene.
3 Bilder
Negativ ist, dass man nur sehr wenig tragen und auch nur wenig einlagern kann. Während man in jedem anderen Spiel alte Ausrüstung entweder zerlegen oder verkaufen kann, kann man hier eigentlich gar nichts damit machen. Man kann sie maximal den verschiedenen Na'vi-Stämmen spenden oder wirft man sie einfach weg.
Das kann nicht die beste Lösung sein. Es wirkt, als hätte Ubisoft beim zwanghaften Versuch, etwas neu zu machen, grundlegende Elemente des Gamedesigns vergessen. Es ist hochgradig unbefriedigend, mühsam Rüstungen zu craften und die nötigen Materialien dafür zu sammeln, nur um sie eine halbe Stunde später einfach fallen zu lassen. Dass man sie nicht recyceln kann, wie in vielen anderen Spielen, ist grotesk. Nämlich, wenn man bedenkt, dass das gesamte Franchise die Zerstörung der Natur und den Missbrauch von Ressourcen thematisiert.
4 Bilder
Fazit
Schade. Das ist wohl die Zusammenfassung, die am ehesten passt. Ubisoft hat es sich mit einer unnötig komplizierten Steuerung und unzureichenden Erklärungen selbst schwer gemacht. Es fällt schwer, die schöne Landschaft zu genießen, wenn man mit grundlegenden Elementen wie Munition und dem Erkennen von Gegnern kämpft. Aber es ist nicht unmöglich, wie ein Blick auf meine Spielzeit von 70+ Stunden zeigt.
Denn die Welt ist so aufregend, lebendig und aufwändig gestaltet, wie man es selten sieht. Selbst mit der vorhersehbaren Geschichte voller klischeehafter und nerviger Figuren wäre aus einem mittelmäßigen Spiel ein gutes geworden, hätte man die Spielmechanik verbessert. Spannende Kämpfe, bessere Ressourcenverwertung, intuitive Steuerung - und schon wird die Welt zu einem großen Abenteuerspielplatz, den man mit Freude erkundet.
Im aktuellen Zustand ist das Spiel höchstens etwas für echte Fans. Sobald der Preis fällt und man sonst nichts zu spielen hat, kann man ruhig zugreifen, wenn man Erkunden und Sammeln liebt. Insbesondere, wenn man immer mal wieder mit Freunden durch die Welt zieht und die langweiligen Kämpfe gegen die Menschen gemeinsam hinter sich bringt, kommt man ganz gut durchs Spiel.
Avatar Frontiers of Pandora kostet regulär 69,99 Euro und ist für PlayStation 5, Xbox Series X/S und PC und Amazon Luna erschienen.
Kommentare