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Die Siedler Neue Allianzen im Test: Wie man eine Marke zerstört

So dynamisch wie dieser Screenshot von Ubisoft es darstellt, sind die Gefechte selten

Der katastrophale Betatest vor einem Jahr hatte es ja schon befürchten lassen. Nun haben Spieler*innen Gewissheit: „Die Siedler: Neue Allianzen“ ist unfertig, undurchdacht und nur noch ein blasser Schatten jener Games, die die Reihe in den vergangenen 30 Jahren groß gemacht haben.

Ubisoft Düsseldorf (ehemals Blue Byte) hat das Echtzeitstrategiespiel auf der Gamescom 2018 erstmals gezeigt und seither mehrfach umgebaut. Mitten in der Entwicklung ist der Vater der einst so beliebten Reihe aus Deutschland, Volker Wertich, ausgestiegen. Ohne zu viel zu spekulieren, zeichnet das doch ein sehr chaotisches Bild. Und das macht sich im Spiel bemerkbar.

Knubbeliges Gewusel light

Aber steigen wir mal mit etwas Positivem ein. Die Grafik ist ein liebevolles, schönes Update für die Siedler-Reihe. Auch wenn es nicht mehr ganz die Knubbeligkeit und das Gewusel des beliebten 2. und 3. Teils hat, wurde optisch der Siedler-Ton getroffen.

Alles ist rund und niedlich, insbesondere die Wohnhäuser sind gut getroffen. Sie verbinden sich zu dekorativen Wohnkomplexen, wenn man sie günstig nebeneinander platziert. Gelangweilte Siedler ohne Aufgabe springen zwar weder Seil noch machen sie Kaugummiblasen, aber sie spielen Flöte und das reicht mir.

Als Kind war die Siedler 3 (oder wie meine Familie es nannte „die mit den lustigen roten Hosen“) eines meiner Lieblingsspiele. Ich habe mir trotz meiner Siedler-Vorerfahrung das gelungene Tutorial von Neue Allianzen angeschaut und konnte mich sofort wieder hineinfinden.

Die Benutzeroberfläche ist gut gestaltet, insbesondere weil Shortcuts direkt angegeben sind. Die Ernüchterung kam aber schnell, als ich meine erste Partie gegen die KI starten wollte.

Zufällig und langweilig

Anders als bei jedem anderen Spiel, kann man nichts einstellen, bevor man ins Skirmish-Gefecht geht. Im Single Player kann man nur im „Gefecht“ oder „Extrem“-Modus 1 gegen 1 auf einer von 5 Zufallskarten spielen. Man kann maximal in den Einstellungen bestimmte Karten ausschließen. Im Mulitplayer kann man dann auch 2v2 und 4v4 spielen. Also Solo-Player zusammen mit einer KI oder gegen mehrere Gegner kann man nicht spielen.

Da ich bisher aufgrund von Abstürzen und Bugs den Multiplayer nicht spielen konnte, habe ich also mit einem 1v1 angefangen. Zur Auswahl stehen 3 Fantasievölker: Elari, Maru und Jorn. Die haben zwar alle eine ganz tolle Geschichte, auf das Gameplay wirkt sich das aber kaum aus. Sie haben je eine besondere Einheit und kleinere Vorteile. Ich habe mit allen Fraktionen gespielt und bis auf die Optik keinen Unterschied bemerkt.

Sinnlose Produktionsketten

Der Grund dafür offenbart sich leider sehr schnell: Das Spiel hat alles eliminiert, das die Reihe so spannend und fesselnd gemacht hat. Es gibt zwar Produktionsketten, die haben aber keine Bedeutung mehr.

Statt jeden Millimeter der Karte mit Gebäuden vollzupflastern, weil Platz rar ist, baut man schier endlose Feldwege durch die leere Landschaft. Es gibt nachwachsende und damit unerschöpfliche Wälder. Man kann trotzdem eine Forsthütte bauen. Hier geht der Förster aber zum Pflanzen nicht nach draußen, sondern bleibt im Gebäude und liefert einfach unerschöpflich Holz nach. Man braucht ihn aber nicht.

Das wäre noch verschmerzbar, wäre nicht die völlig verschwendete Lebensmittelwarenkette. Es gibt zwar Fischerhütte, Getreidefarm, Mühle, Bäckerei und Bauernhof – die produzierten Lebensmittel dienen aber lediglich zur Beschleunigung der Arbeit in Minen, Schmelzen und Schmieden. In früheren Siedler-Teilen rührten die Arbeiter keinen Finger, wenn sie kein frisches Brot, Schinken oder Fische bekommen haben.

Geschütztürme und Holzpuppen

Ähnlich rudimentär gestaltet sich das Kampfsystem. Es gibt 2 verschiedene Arten von Türmen, die selbstständig Feinde angreifen. Der normale Turm gibt einen Pfeilhagel ab, der einen kurzen Cooldown hat. Der Bollwerk-Turm kann die eigenen Einheiten heilen.

Die Türme sind übermächtig und dezimieren Armeen in kürzester Zeit. Weiß man aber, dass man sie mit einer Opfer-Einheit austricksen kann, die einen Pfeilhagel auslöst und dann während des Cooldowns angreift, um den Turm zu zerstören, ist auch das kein Problem.

Anders als früher baut man Türme nicht mehr zwingend, um das Gebiet zu erweitern. Dafür ist die Allrounder-Ingenieur-Einheit zuständig, die auch Bergbaugebiete sondiert und Waren plündert.

Das dritte „Militärgebäude“ ist der Lockvogel, der feindliche Einheiten magisch anzieht. Das ist so dumm, wie es sich anhört. Nur mit größter Mühe kann man seine eigenen Soldat*innen – bewaffnet mit Schwert und Schild, Pfeil und Bogen oder Langaxt – von diesen Holzpuppen fernhalten.

Ich sag’s wie’s ist: Das ist unfassbar fad. Der „Extrem“-Modus macht das Spiel einfach nur schwieriger, indem nach einigen Minuten immer mehr Gebäude blockiert werden. Diese können dann nicht mehr gebaut werden, weshalb man im Voraus planen muss. Wenn Feinde die Gebäude abbrennen, hat man Pech gehabt. Wirklich kreativ ist das nicht.

Uninspirierte Kampagne

Deswegen habe ich mich der Kampagne gewidmet. Hier setzt sich die schlechte Qualität fort: Abstürze und fehlende deutsche Übersetzungen sind sogar noch hinnehmbar. Schlimmer ist die unkreative und unlogische Geschichte, in der wir vor Krieg flüchten, um dann mit den übrig gebliebenen Siedlern kurz nach dem Neuaufbau gleich wieder (unnötig) einen Krieg anzufangen. In trägen Zwischensequenzen stehen die immer selben beiden Figuren am selben Tisch und bereden die nächsten Schritte.

Immerhin gibt einem die Kampagne Missionsziele, die es zu erreichen gilt. Das macht mehr Spaß, ist aber auch keine Herausforderung. Angriffe durch die KI sind gescriptet. Das heißt beispielsweise, dass man irgendwann nicht mehr angegriffen wird, weil der Feind keine Einheiten produziert. Stattdessen erscheinen einfach bestimmte Gegner, wenn das Spiel es vorsieht.

Übrigens kann man nicht nur Militärgebäude angreifen und besetzen, wie in früheren Teilen. Man fackelt alles nieder, was einem in den Weg kommt. Zerstört man ein Lagerhaus, fällt alles in sich zusammen und man hat gewonnen.

Wichtig zu erwähnen ist bei diesem Desaster, dass Ubisoft scheinbar noch genug Zeit hatte, einen Ingame-Shop mit Echtgeld für kosmetische Upgrades wie Grenzpfeiler zu integrieren. Das ist ein bisschen lächerlich. Für ein Vollpreisspiel, das  - wenn es mal nicht abstürzt -  völlig seelen- und anspruchslos ist, auch noch einen Shop anzubieten, ist zumindest mutig. Um damit Geld zu verdienen, müsste man auch ein Spiel abliefern, das Fans emotional abholt und Langzeitspaß bietet.

Fazit

Ich habe mich sehr auf Die Siedler: Neue Allianzen gefreut und ich hätte dem Spiel sehr viel durchgehen lassen, wenn es nicht an grundlegenden Elementen fehlen würde. Produktionsketten sind entweder auf ein Minimum reduziert oder unnötig. Die Völker unterscheiden sich kaum. Die Karten sind weitläufig und leer und es mangelt nicht an Rohstoffen.

Dabei spürt man, dass im Kern ein Siedler-Game drinsteckt. Die schöne Grafik und die Nutzeroberfläche sind gelungen. Die Gebäude lassen sich auf einem Grid anordnen, was dafür sorgt, dass man ästhetisch bauen kann. Dass alles langsam ist und man die Zeit nicht beschleunigen kann, ist man von modernen Spielen zwar nicht mehr gewohnt, bringt aber eine gute Gemütlichkeit mit sich, die ich mir von Siedler erwarte.

Umso tragischer ist es, dass ich das Spiel in der aktuellen Form wohl nie wieder anfassen werde. Stattdessen habe ich eine Runde Siedler 3 gespielt, um zu prüfen, ob es nur verklärte Nostalgie ist, oder wirklich ein besseres Spiel. Es ist ein besseres Spiel.

Immer noch viel Liebe für Die Siedler 3

Volker Wertich hat mit Pioneers of Pagonia übrigens noch für dieses Jahr ein eigenes Echtzeitstrategiespiel angekündigt, das hoffentlich mehr Siedler ist als Neue Allianzen. Mit Spielen wie Foundation, Manor Lords oder Outlanders gibt es inzwischen so viele bessere Aufbauspiele, dass man mit dem absoluten Minimum einfach niemanden mehr erreicht.

Dafür dann auch noch 60 Euro zu verlangen, ist sportlich. Eine Handvoll kosmetische Upgrades "Deluxe Edition" zu nennen und dem ein Preisschild von 80 Euro umzuhängen, ist eine Frechheit.

Die Siedler: Neue Allianzen ist für PC (Ubisoft Connect, Epic) erschienen und soll für Switch, Playstation, Xbox und Amazon Luna nachgereicht werden.

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Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

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