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Österreich

E-Sport: "Da kann Rapid wieder Champions League spielen"

2017 ist das Jahr, in dem der E-Sport auch in Österreich den Durchbruch geschafft hat. Während in Nationen wie den USA, Südkorea und Deutschland bereits seit Jahren die besten Gamer der Welt mit Millionen-Preisgeldern überschüttet werden und ganze Stadien füllen, warteten die 32.000 erfassten österreichischen E-Sportler lange auf Anerkennung. Doch das ändert sich nun: Mit der “e-Sport League Austria”, der “A1 eSport League Austria” und der “eBundesliga” wurden 2017 gleich drei neue Ligen gegründet, zudem kamen neue Wettbewerbe, wie die “Vienna Challengers Arena” und das “Electronic Sports Festival” dazu und UPC hat die E-Sport-Plattform eSports.at gegründet.

Während international der Trend vor allem durch hohe Preisgelder befeuert wird - beim Turnier “The International” wurden 2017 21,4 Millionen Euro an Preisgeld ausgeschüttet - tragen in Österreich Public-Viewing-Events zur hohen Popularität von E-Sports bei. “Wir sind jetzt dort, wo die Champions League mit dem Fußball ist: in den Bars”, sagt Thomas Schned. Er hat 2011den Verein Barcraft Austria gegründet, der Public-Viewing-Events für E-Sport-Übertragungen organisiert. Mittlerweile hat sich dieses Format auch auf andere Landeshauptstädte ausgebreitet und zieht regelmäßig hunderte Zuschauer an. Zuhause schauen sich rund 520.000 Österreicher Livestreams auf der Online-Plattform Twitch an.

Ist E-Sport Sport?

Doch was ist eigentlich E-Sport? Der Begriff stellt, ähnlich wie Leichtathletik oder Wintersport, eine übergeordnete Kategorie dar, die alle Videospiele umfasst, in denen Spieler gegeneinander antreten können. Derzeit sind vor allem die Strategie-Titel “Dota 2” und “League of Legends” beliebt, aber auch die Shooter “Overwatch”, “Counter Strike Global Offensive”, das Kartenspiel “Hearthstone” sowie die Fußball-Simulation “FIFA 18” werden häufig auf Turnieren gespielt.

“Wir haben in den vergangenen Monaten schon erkannt, dass es sehr große Unterschiede gibt, was als E-Sport bezeichnet werden kann und was nicht”, erklärt Pia Römer, VP Digital und eSports UPC Österreich & Schweiz. “Für die Community ist die Definition nicht so wichtig, für die Außenwahrnehmung aber schon.” Laut Stefan Baloh, Präsident des österreichischen E-Sport-Verbandes (ESVÖ), müsse man aber langsam konkreter werden, wenn E-Sport den gleichen Status wie andere Sportarten erhalten soll. “Kaum ein Ministerium wird sagen, jeder, der am Handy oder der Konsole spielt, ist ein E-Sportler und fällt in die Verantwortung des Sportministeriums.”

Insbesondere die Bezeichnung “Sport” missfällt vielen Menschen im Zusammenhang mit Videospielen. Doch auch im E-Sport werden die Spieler körperlich gefordert, wie “FIFA”-Profi Mario Viska erklärt. “Man muss sechs bis acht Stunden am Tag trainieren. So viel trainiert nicht einmal ein Profifußballer.” Das habe gelegentlich auch zu Entzündungen seiner Handgelenke geführt, wodurch er pausieren musste. Die Höchstleistungen werden insbesondere bei Profi-Spielern des Strategiespiels “Starcraft 2” deutlich: Diese führen im Durchschnittbis zu zehn Aktionen pro Sekunde aus.“Acht Stunden in die Tastatur zu hacken, das soll erst mal jemand nachmachen, vor allem in der Geschwindigkeit”, sagt Thomas Hartl, Österreich-Chef von Hardware-Hersteller Asus. Der Hersteller arbeitet in Asien bereits gezielt bei der Entwicklung neuer Produkte mit professionellen E-Sportlern zusammen. “Da geht es um kleine Details, an die niemand sonst vielleicht denken würde, wie man eine neue Tastatur definiert, wo die Tasten liegen müssen, wie groß sollen die Abstände sein.”

Zweites Standbein

In Österreich kann aber weiterhin niemand vom E-Sport leben. “Es ist knapp davor. Es kommt darauf an, was für einen Lebensstil man pflegt”, erklärt Baloh. Viska, der aktuell bei Rapid Wien unter Vertrag ist und zuvor auch schon beim deutschen Klub Schalke 04 tätig war, konnte ebenfalls längere Zeit von E-Sports-Preisgeldern leben. “Aber irgendwann musste man sich auch einen Plan B überlegen”, sagt Viska. Meist verdiente er deutlich mehr für bezahlte Beiträge auf seinen Social-Media-Kanälen, in denen er für Produkte von Herstellern warb. “Da kriegt man oft mehr Geld als das eigene Gehalt.”

Mittlerweile ist Viska auch als Privattrainer tätig. “20 Prozent zahlen allein, um gegen mich spielen zu können, damit sie sehen, wie gut sie sind. Dann gibt es die, die in den E-Sport einsteigen oder die einfach nur im Freundeskreis am Samstagabend besser werden wollen.” Sein ältester Kunde sei 60 Jahre alt. Frauen hätten sich aber noch nie gemeldet.

Frauen bleiben außen vor

Ein Problem, das die ganze E-Sport-Szene betrifft: Nur knapp zehn Prozent der aktiven E-Sportler sind weiblich, in Österreich sind es gar nur vier Prozent. “Wir sind seit zehn Jahren an dem Problem dran”, sagt Baloh. So habe man gezielt Veranstaltungen für Frauen veranstaltet, um diese für den E-Sport zu begeistern. Diese würden nur “dezent fruchten”. Bei einem Trainingslager für “FIFA 18” war unter rund 100 Anmeldungen keine einzige von einer Frau dabei. Laut Viska fehlt es aktuell nicht am Interesse, wohl aber an den positiven Beispielen in der Community. “Es gibt viele, die spielen, die sich aber nicht an die Öffentlichkeit trauen.” Auch Römer bestätigt diesen Eindruck: “Wenn man als erwachsener Mann erzählt, man spielt am Wochenende, ist das total ok. Als Frau wird man da ganz schnell in so eine Nerd-Ecke geschoben.” Dieses Problem betreffe aber nicht nur den E-Sport, sondern die komplette IT-Kultur.

Auch unter professionellen E-Sportlern fehle die notwendige Akzeptanz. Viska berichtet von Gesprächen mit anderen Spielern, die sich abschätzig über die Leistungen weiblicher E-Sportler äußern würden. Auf internationalem Niveau finden Turniere meist auch nach Geschlechtern getrennt statt. Der heimische Verband befürwortet das nicht. “Wir freuen uns am meisten, wenn Frauen in Männer-Teams mitspielen. Das haben wir beispielsweise bei Call of Duty und versuchen wir auch zu promoten”, erklärt Baloh. “Gerade der E-Sport ermöglicht das Miteinander.”

Mehr Geld über Streaming

Auch Viska sieht keinen Grund, warum Männer und Frauen nicht gegeneinander antreten sollten. Er habe bereits gegen weibliche E-Sportler gespielt und diese wären nicht schlechter gewesen. Die Aufteilung nach Geschlecht sei aber auf “verkrustete Strukturen” zurückzuführen. Alte Verbände, die oft als Vorbild für E-Sport-Verbände dienen, betrachten den Frauensport nach wie vor als separaten Bereich, der unabhängig vom Kerngeschäft gefördert werden muss. “Beim klassischen Sport mag das Sinn machen, beim E-Sport nicht”, sagt Baloh.

“Es geht viel um den Ruhm, den man bekommen kann. Da gibt es für Frauen noch keine Plattform, auf der man groß werden kann”, sagt Franz Vosicky, User Marketing Manager bei E-Sports-Sponsor Willhaben. Stattdessen widmen sich viele weibliche Gamer zunehmend dem professionellen Kommentieren von Bewerben. Auch sogenannte “Streamerinnen”, die sich selbst beim Spielen zuhause filmen, sind ungemein populär. “Ich kenne einige Streamerinnen, die Counter Strike spielen und das live auf Twitch übertragen. Das wird voll von den Zuschauern gefeiert.” Dank eines großen Publikums lässt sich auf diesem Weg oftmals sogar mehr Geld verdienen als als professioneller E-Sportler.

Deutschland einen Schritt voraus

Laut Viska sei Österreich bei E-Sport-Turnieren organisatorisch auf einem ähnlichen Niveau wie Deutschland. “Bei FIFA sind wir sogar einen Schritt voraus”, meint der E-Sportler mit Verweis auf die eBundesliga. Auf den österreichischen “FIFA”-Wettbewerb mit 6000 Spielern sei man in Deutschland “neidisch”. Dort gibt es bereits seit Jahren ähnliche Bemühungen für eine Liga mit allen Bundesliga-Klubs, die aber bislang noch nicht verwirklicht wurden.

Wirtschaftlich könne Österreich aber noch lange nicht mithalten, meint Baloh. “Dafür gibt es in Österreich mehr Verbandsstrukturen, kleine LAN-Party- und Turnier-Veranstalter sowie Public Viewings.” Römer hofft, dass sich E-Sports ähnlich wie American Football in Österreich entwickeln werden. “Das Thema war lange sehr klein in Österreich, durch die Veranstaltungen ist das alles sehr schnell groß geworden.”

Mehr Zentralisierung, beispielsweise in der Form einer einheitlichen Liga, wie im Fußball, seien nicht zwingend erforderlich. “In einer kritischen Wachstumsphase ist es natürlich immer besser, finanzielle und mediale Kräfte zu bündeln, um sich nicht zu stark zu kannibalisieren”, sagt Florian Schermann, Show Director Messe Reed und Veranstalter der Vienna Comic Con. “Mittel- und langfristig muss der Markt aber nicht so aufgestellt sein.” Zudem werde man mit einem großen Wettbewerb die Basis nicht vergrößern, sondern mit vielen kleinen Events, meint der Veranstalter der Vienna Comic Con.

Gezielte Förderung

UPC will vorerst mit seiner Plattform eSports.at die Rolle des neutralen Beobachters einnehmen. Dort soll, ähnlich wie in der Schweiz, über heimische E-Sportler und Bewerbe berichtet werden. Römer zeigt sich vor allem über die bisherige Berichterstattung frustriert, in denen über E-Sport meist als Kuriosum berichtet wird. “Dieser Hype kann ganz schön nach hinten losgehen. Ich bin ziemlich genervt vom gefühlt 15. Artikel zum Thema, in dem immer das gleiche drinsteht.”

Auch der Online-Marktplatz Willhaben, der seit kurzem als erster großer Sponsor eines österreichischen E-Sports-Teams auftritt, will die Lage zunächst beobachten. “Das ist bei uns keine abgeschlossene Sache”, sagt Vosicky. Man wolle das Team, die “Tickling Tentacles”, zu einer Marke aufbauen und damit den heimischen E-Sport fördern. Dass dieses Prinzip aufgehen kann, beweist der Verein “mYinsanity” in der Schweiz, wie Schned beschreibt. “Dieser vorher nicht so bekannte Clan hat durch Sponsorings koreanische Starcraft-Spieler verpflichten können und so die DreamHack (Anm. d. Red.: einer der wichtigsten E-Sports-Bewerbe Europas) gewonnen.”

Spitzenreiter FIFA

Baloh warnt davor, die Fehler von vor neun Jahren, als es bereits einen Hype um E-Sports gab, zu wiederholen. “Da wurde bei Sponsorings oft einfach Geld hinein geschmissen. Wir haben innerhalb von drei Jahren mit der ESL 130.000 Euro an Preisgeld ausgeschüttet. Das weiß heute keiner mehr”, erinnert sich Baloh zurück und hofft auf nachhaltige Investitionen. Viska, der trotz guter Einnahmen während dieser Hype-Phase noch heute mit den Folgen des Zusammenbruchs kämpft, schlägt ähnliche Töne an. “Viele gute österreichische Spieler sind damals in das Ausland abgehauen, weil es dort mehr Turniere gab.”

Die eBundesliga sei ein positives Beispiel, weil diese bereits auf mehrere Jahre konzipiert sei. Bald soll auch ein europaweiter FIFA-Bewerb, ähnlich wie die Champions League, folgen. “Da hat Rapid Wien endlich auch mal wieder Gelegenheit, in der Champions League zu spielen”, sagt Rapid-E-Sportler Viska.

Schermann ist jedoch noch nicht davon überzeugt, dass es in Österreich jemals asiatische Verhältnisse, wie volle Stadien oder eigene E-Sports-Fernsehsender geben wird. Für eine Prognose sei es noch etwas zu früh. “Wenn der E-Sport dann aber olympisch werden sollte, ist es in der öffentlichen Wahrnehmung plötzlich was ganz anderes.” Auch Hartl bittet um Zurückhaltung: “Wir müssen nicht immer klotzen wie die Amerikaner. Wenn 14- oder 15-Jährige mal 1500 Euro verdienen können, dann ist das doch auch schon was. Das muss auch gesehen und gewertet werden.”

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und UPC

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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