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Howl im Test: Es war einmal ein taubes Mädchen auf Werwolf-Jagd

Wer den Werwolf in den Dornenbusch schubst, spart sich wertvolle Bolzen

Das Wiener Studio Mi’pu’mi ist vor allem für seine kreativen Ideen und Designs bekannt. Auch für ihr neues Spiel Howl wurde ein überzeugender eigener Stil entwickelt. Doch selbst wenn die Optik anlockt, muss das Gameplay zum Bleiben animieren. Zumindest bei mir hat das geklappt.

Howl spielt in einer mittelalterlichen Mystery-Welt. Werwölfe greifen Dorfbewohner*innen an und verwandeln sie durch ihr Heulen ebenfalls in Werwölfe. Die Protagonistin, die ich über das Spielfeld leite, ist taub, weshalb sie vor dem gefährlichen „Howl“ (Geheul) geschützt ist. Bewaffnet mit einer Armbrust will sie dem Ursprung der Seuche auf den Grund gehen. 

Dafür müssen insgesamt 60 Levels in 4 Kapiteln absolviert werden. Jedes Level ist in Felder aufgeteilt. Ziel ist es, in so wenigen Zügen wie möglich das Ziel zu erreichen und dabei möglichst alle Wölfe zu erlegen. Ein Zug enthält mehrere Aktionen, wie Gehen, Schießen, Schubsen oder Warten. Dabei muss ich vorausahnen, was die Wölfe tun und entsprechende Aktionen setzen. 

Eine fordernde Denkaufgabe

Haben die Wölfe mich einmal entdeckt, werden sie sich auf direktem Wege auf mich zu bewegen. Stehen sie auf einem Feld neben mir, können sie mich angreifen. Eine Attacke überlebt meine Figur, danach muss das Level von vorne begonnen werden. Daher muss ich ihnen zuvorkommen. 

Die blauen Karten zeigen die Aktionen der Wölfe an, die Liste unten meine gesetzten Aktionen. Links wird angezeigt, wie viele Züge die Entwickler*innen vorsehen (hier sind es 3).

Kleine Karten neben den Wölfen zeigen verdeckt ihre Aktionen an (man kann sie über die Einstellungen auch offen anzeigen lassen). Also muss ich überlegen, welchen Weg sie gehen, um in der Schusslinie meiner Waffe zu stehen. Manchmal muss ich dafür eine Aktion lang abwarten, damit sich die Wölfe in Position bringen, und ich einfach nur einen Bolzen in ihre Richtung schicken muss. 

Nur Bolzen schießen reicht nicht

In den ersten Levels kommt man damit ganz gut durch, doch schnell sind mehr Wölfe auf dem Spielfeld als meine 3 pro Runde verfügbaren Bolzen erlegen können. Daher muss ich gut überlegen, wann ich sie einsetze. Ich kann Wölfe auch töten, indem ich sie aufeinander schubse, wenn sie hintereinanderstehen. Sind auf dem Spielfeld Hindernisse wie Dornenbüsche oder Feuer zu finden, können Wölfe hineingestoßen und so getötet werden. 

Hier gehe ich davon aus, dass die Wölfe in einer Reihe stehen und ich sie ineinander stoßen kann, um einen Bolzen zu sparen (es hat funktioniert)

Für jedes Level haben die Entwickler*innen eine „Prophezeiung“ angegeben. Damit ist die Zahl der Züge gemeint, in denen das Level absolviert werden sollte. Manchmal hat man Glück und schafft das im ersten Anlauf. Es wird aber zunehmend schwieriger, alles vorauszusehen. Für ein Level braucht man in der Regel 5 bis 10 Minuten. Die meiste Zeit davon starrt man auf das Spielfeld und probiert Wege und Taktiken aus. 

Cleverer Lösungsweg schenkt Selbstvertrauen

Am Ende jedes Levels wird abgerechnet. Für jeden Zug, den man zu viel gebraucht hat, wird "Selbstvertrauen" abgezogen. Das gesammelte Selbstvertrauen kann zum Verbessern von Fähigkeiten, wie Stärke, eingesetzt werden. Man kann damit auch die Anzahl der möglichen Aktionen pro Zug erhöhen. Jeder Wolf, den man erlegt, bringt einen Schädel. Diese werden zum Freischalten von Wegen benötigt. Es reicht also nicht, sich durch die Levels zu schleichen und die Wölfe einfach zu umgehen. 

In einigen Levels findet man bedrohte Dorfbewohner*innen. Sie müssen rechtzeitig gerettet werden, indem man über das Feld geht, auf dem sie sich befinden. Die Wölfe haben es aber auch auf sie abgesehen. Durch ihr Heulen werden die Dorfbewohner*innen innerhalb von 2 Zügen selbst zu Wölfen und können nicht mehr gerettet werden. Schafft man es rechtzeitig, sie vor diesem Schicksal zu bewahren, erhält man ebenfalls Selbstvertrauen zur Belohnung. 

Hier wurden beide Werwölfe getötet, aber nur ein Dorfbewohner gerettet. Statt 3 Zügen wurden 5 benötigt, weshalb das Selbstvertrauen sinkt

Die kniffligen aber überschaubaren Levels machen es für mich zu einem perfekten Spiel für zwischendurch. Jede Runde fühlt sich ein bisschen wie Schach an – nur eben gegen einen vorhersehbaren Computergegner. Man versucht, mögliche Züge der Gegner vorauszusagen und die eigenen Aktionen darauf abzustimmen. Das sorgt manchmal für einen enorm befriedigenden Moment, in dem alles genau so abläuft, wie man es sich vorgestellt hat. 

Motivation statt Frust

Häufig schießt man aber ins Leere, oder will einen Wolf stoßen, der dann auf einem ganz anderen Feld steht. So muss man es immer wieder versuchen, bis man den idealen Lösungsweg gefunden hat. Allerdings ist das weder repetitiv noch nervig, denn das Spiel bestraft nur die eigenen Fehler. Kommt man an einer Stelle nicht weiter, hilft es meist, das Spiel kurz wegzulegen und es später mit einem frischen Blick nochmal zu versuchen. Die Motivation und der Ehrgeiz, ein Level so perfekt wie möglich zu absolvieren, war bei mir ungebrochen.

Lebendige Tinte

Natürlich darf das gelungene Design von Howl nicht unerwähnt bleiben. Mi’pu’mi nennt den Stil Living Ink (lebendige Tinte). Das Spiel sieht aus wie eine Tuschezeichnung, die mit Aquarellfarben koloriert wurden. Als wären sie noch nicht getrocknet, bewegen sich die Farbkleckse fließend auf dem Spielfeld und gestalten so das Bild. 

Nach und nach verändert es sich – wurde ich im Kampf verletzt, bleiben etwa rote Flecken zurück. Wie schon die Macher der Games Pentiment und Inkulinati orientiert sich das Studio beim Design von Howl an mittelalterlichen Manuskripten und illustrierten Märchenbüchern. Das macht aber gar nichts, denn jedes dieser Spiele hat seine ganz eigene Interpretation und Umsetzung des Stils. 

➤ Mehr lesen: Pentiment im Test: Fesselnder Mittelalter-Krimi mit großartigem Design

Fazit

Howl ist ein wirklich gelungenes, kurzweiliges Spiel. Es fesselt mich jetzt nicht über Stunden an den Bildschirm, das soll es aber auch gar nicht. Es hat vielmehr Dorfromantik (hier im Test) als ein Feierabendspiel für mich abgelöst. Um nach der Arbeit ein bisschen zu entspannen, spiele ich oft ein paar Runden ein Game, das unter dem neuen Buzzword Cozy eingeordnet werden kann. 

Da kann man jetzt hinterfragen, ob blutig Werwölfe töten unter diesen Begriff fällt. Die ruhige Musik, die entsättigten Farben und das entschleunigte Spielprinzip schaffen für mich aber eine relaxte Atmosphäre. Ich bin gezwungen, mir vor jeder Runde Zeit zum Überlegen zu nehmen und allein das lässt mich schon zur Ruhe kommen. 

Howl ist für PC (Steam) und Nintendo Switch verfügbar und kostet 14,99 Euro. Die Versionen für PS5, Xbox Series und den Epic Games Store (PC) erscheinen am 23. Jänner 2024

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Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

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