Ori and the Blind Forest
Ori and the Blind Forest
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Debatte

Spieleentwickler: "Österreich ist nicht zu klein"

Österreich hat endlich seinen Phil Fish!” Das und ähnliches war in den Kommentaren zahlreicher österreichischer Foren zu lesen, als Thomas Mahler, Gründer der Wiener Moon Studios, mit seinen Aussagen in einem derStandard.at-Interview provozierte. Der Vergleich mit dem exzentrischen Fez-Entwickler Fish mag hart sein, doch Mahler holte ebenso zum Rundumschlag aus. In Österreich hätte er nie jene Talente gefunden, die ihm bei der Entwicklung des von Kritikern hochgelobten “Ori and The Blind Forest” helfen hätten können, so Mahler. Die Metacritic-Wertung von 89 Prozent scheint ihn zu bestätigen, doch er zog damit auch den Zorn der heimischen Videospiel-Branche auf sich.

“Mehr Qualität, weniger Slot Machines”

Im Rahmen eines Subotron-Panels (Audio-Mitschnitte hier zu finden) stellte sich Mahler jenen Personen, denen er das Talent abspricht. Der Andrang war groß, selbst Stehplätze waren im Raum D des quartier 21 nur schwer zu bekommen. Wer sich nun einen besänftigenden Ton erwartete, wurde bereits zu Anfang enttäuscht. “Die Portfolios aus Österreich sind nun einmal nicht auf dem Level, den wir gerne hätten”, sagte Mahler zu Beginn. “Österreich sollte weniger Slot Machines und mehr Qualität produzieren. Nur so können wir uns international abheben.”

Thomas Mahler
Der Weg, den große österreichischeSpieleentwickler wie Sproingbeschreiten, sei laut dem ehemaligen Blizzard-Entwickler falsch. “Sproing hat in 17 Jahren kein gutes Spiel gemacht. Ich würde mich schlecht fühlen, wenn ich ein Spiel mit 30 Prozent Wertung auf Metacritic gemacht hätte.” Johannes Mücke, Gründer des Creative-Art-StudiosWideshot Entertainment, widerspricht Mahler vehement: “Das ist vollkommener Schwachsinn. Man kann nicht die gleichen Maßstäbe bei Indie-Titeln und Unternehmen mit 80 Mitarbeitern ansetzen.” Ähnlich sieht es Michael Paeck, derCliffhanger Productionsführt: “Immer bessere Spiele machen zu wollen, ist ein anderer Ansatz, als 80 Mitarbeiter zu beschäftigen und diese auszubilden.”

“Mein Gestüt” gegen “Call of Duty”

Der Bruch zwischen Moon Studios und etablierten österreichischen Studios ist deutlich. Während Mahler fordert, dass man bestehende Strukturen aufbrechen und nur mit den Besten weltweit zusammenarbeiten sollte, versuchen die österreichischen Studios Infrastruktur für die wachsende österreichische Branche zu schaffen. Dazu produzieren Entwickler wie Sproing nicht nur eigene Titel, sondern verrichten oftmals Auftragsarbeiten für andere Hersteller. Das lukrierte Geld aus diesen Aufträgen finanziert üblicherweise die Produktion eigener Titel. Dass es sich dabei nicht unbedingt um Hochkaräter, sondern eher kleinere Titel wie “Mein Gestüt: Ein Leben für die Pferde” handelt, liegt auf der Hand.

Dieses Geschäftsmodell sieht Mahler jedoch als schädlich für den Ruf Österreichs an. “Internationale Publisher halten sich von Österreich fern, wenn man solche Ansprüche hat.” Socialspiel-CEO Helmut Hutterer, der bereits an Titeln wie “Dead Island” und “Max Payne” mitgearbeitet hat, nimmt die österreichische Branche jedoch in Schutz: “Man muss die Rahmenbedingungen sehen. Es ist eine große Herausforderung, wenn ich ein Spiel in drei Monaten aus dem Boden stampfen muss und womöglich kaum etwas daran verdiene.” Auch hier könne man von guter Arbeit sprechen, denn ein durchschnittliches Spiel mit kleinem Budget sei ebenfalls eine gute Leistung. Mahler lässt das nicht gelten: “Glück oder Geld sind nur schlechte Ausreden. Wenn man sich ein, zwei Wochen hinsetzt und Prototypen baut, kommt schon etwas zum Pitchen heraus.”

Für Mücke ist es vermessen, lediglich von den persönlichen ästethischen Ansprüchen auszugehen. Titel wie “Mein Gestüt” seien zwar nicht für “30-jährige Call-of-Duty-Spieler” gedacht, in der Nische würden sie jedoch gut funktionieren. Doch wo sind nun die vermeintlichen Lösungsansätze, die die Diskussion versprach? Diese blieb man weitestgehend schuldig, auch weil die Studios selbst kein Problem erkennen können - zumindest öffentlich. Mahler meint, er habe neben Kritik auch Zuspruch aus der österreichischen Branche erhalten, aber “die wollen es nicht öffentlich sagen.”

Die wahren Talente flüchten

In einem Punkt waren sich die Diskussionsteilnehmer aber überraschend einig. “Natürlich muss man für unseren Job Astronautennahrung fressen”, meint etwa Paeck. Neben Talent müssten angehende Entwickler über ausreichend Leidenschaft verfügen, denn auch in der Videospielbranche sind flexible Arbeitszeiten üblich. “Die Leute, die wir beschäftigen, würden alles in ein Projekt reinstecken”, sagt Mahler. Ein Hochschulabschluss sei nicht zwingend erforderlich, auch wenn man so die Grundlagen erlernen könnte. “Im Optimalfall ist man Autodidakt. Unser bester Mitarbeiter hat noch nicht einmal einen Hauptschul-Abschluss.”

Talente gebe es durchaus in Österreich, doch laut Mahler bleiben diese nicht lang: “Österreich ist nicht zu klein, die Guten bekommen einfach die besseren Angebote aus dem Ausland.” Auch Mücke hat Schwierigkeiten, gute Mitarbeiter in Österreich zu finden: “Wir haben in den letzten zwei Jahren 600 Bewerbungen bekommen, davon waren knapp 80 bis 100 aus Österreich. Nur fünf davon waren interessant für uns, keiner davon war aus Österreich.” So begeben sich auch die österreichischen Studios auf die Suche nach Fachkräften im Ausland. Obwohl Mahler aus persönlichen Gründen seinen Hauptwohnsitz in Österreich hat, sitzen die weiteren Moon-Studios-Mitarbeiter auf der ganzen Welt verstreut.

Nicht als Ma(h)ler geboren

Dieses Konzept ist für Indie-Entwickler nicht unüblich. Auch stillalive studios, das seinen Sitz in Innsbruck hat, setzt auf ein internationales Team. So kam auch der Debüt-Titel “Son of Nor” zustande, im Gegensatz zu Moon Studios jedoch mithilfe von Crowdfunding statt einem potenten Geldgeber wie Microsoft. Dass die österreichischen Spiele-Entwickler nun ihre Zelte abbauen und nur mehr auf internationale Zusammenarbeit setzen, glauben Paeck und Mücke nicht. “Ich will Wissen in meiner Firma anhäufen und nicht bei jedem Projekt wieder bei Null beginnen müssen”, sagt Paeck.

Wer in Österreich den Traumberuf Spieleentwickler ergreifen möchte, sollte einfach sein Glück versuchen. Mahler nennt den Überraschungshit Blek, der von den Wiener Kunabi Brothers entwickelt wurde, als positives Beispiel: “Macht etwas Kleines und sorgt damit international für Aufsehen. So werden auch die Großen auf euch aufmerksam.” Für all jene, die bereits für ihre Kunst kritisiert wurden, hat er ebenfalls einen Rat parat: “Ich glaube nicht, dass man als geborener Maler auf die Welt kommt”, meint Mahler. “Maler ohne H, wohlgemerkt”, wie Moderator Robert Glashüttner rasch hinzufügt.

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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