Warum Spielkonsolen und Gaming-PCs das Aus droht
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„Es wird noch eine Konsolengeneration geben und danach werden wir streamen, wir alle.“ Geht es nach Ubisoft-Gründer und CEO Yves Guillemot, droht Spielkonsolen und Gaming-PCs schon bald das Aus. Seine Argumentation dazu ist durchaus schlüssig. Wozu kostspielige Hardware bauen und hoffen, dass diese von möglichst vielen Konsumenten gekauft wird? Stattdessen kann man doch einfach Spiele auf großen Datenzentren laufen und diese gemütlich auf Fernseher, Smartphone oder PC streamen lassen - ganz nach dem Vorbild von Spotify und Netflix.
Eine Vision, die vor einem Jahrzehnt noch nach Utopie klang, dank steigender Bandbreiten und Rechenleistung könnte Gaming aber mittelfristig tatsächlich in die Cloud wandern. Und offenbar glaubt nicht nur Ubisoft an ein baldiges Ende der Konsolen-Ära, auch die Hersteller selbst ebnen bereits den Pfad für Cloud-Gaming. Und einige Unternehmen bieten sogar schon erste Cloud-Gaming-Dienste an, die für eine geringe Gebühr den Gaming-PC ersetzen sollen. Doch ist die Technologie wirklich schon so reif und wie lange dürfen wir uns noch an PlayStation, Xbox und Co erfreuen? Die futurezone beantwortet die wichtigsten Fragen zu Cloud-Gaming.
Wie funktioniert Cloud-Gaming?
Die meisten Cloud-Gaming-Anbieter funktionieren nach dem gleichen Prinzip. Das Spiel wird auf einem virtuellen PC oder einer physischen Spielkonsole in einem Datenzentrum wiedergegeben und das komprimierte Videosignal an den Nutzer geschickt. Die Eingaben - wenn der Spieler eine Taste betätigt oder Maus oder Analog-Stick bewegt - werden wiederum zurück an den Dienst übermittelt.
Die Idee hinter Cloud-Gaming ist alles andere als neu, bereits seit Anfang der 2000er-Jahre arbeiten viele Unternehmen an dieser Vision. Dabei erwies sich jedoch vor allem die fehlende Bandbreite in vielen Haushalten als Flaschenhals, das Interesse der Konsumenten war zu gering. Das wohl populärste Beispiel ist der US-Dienst OnLive, dessen Wert 2010 noch auf 1,8 Milliarden US-Dollar geschätzt wurde. 2012 wurde nahezu die komplette Belegschaft entlassen und das Unternehmen verkauft, 2015 folgte das endgültige Aus.
Welche Dienste gibt es bereits?
Zu den derzeit bekanntesten Anbietern von Cloud-Gaming-Diensten zählen Nvidia (Geforce Now) und PlayStation (PlayStation Now). Beide Dienste kommen aber mit erheblichen Einschränkungen. Geforce Now ist derzeit nur in einer eingeschränkten Beta-Phase verfügbar, PC- und macOS-Nutzer müssen sich für eine Warteliste registrieren. Lediglich wer Nvidias Android-Tablet Shield oder die Set-Top-Box Shield TV kauft, darf den Dienst derzeit garantiert nutzen. Der Nutzer kann auf seine eigene Spiele-Bibliothek zugreifen, allerdings nur von ausgewählten Diensten, beispielsweise Steam, Uplay und Battle.Net. Offiziell werden rund 200 Spiele unterstützt, andere Titel können aber ebenfalls installiert werden. Hier müsse man aber hin und wieder Anpassungen in den Einstellungen vornehmen, so Nvidia.
Der Anbieter verspricht, dass alle aktuellen Titel in 1080p mit maximalen Details wiedergegeben werden können. Dafür empfiehlt Nvidia eine Bandbreite von 50 Mbps. Diese wird zwar nicht konstant gebraucht, für flüssige Wiedergabe sind aber dennoch zumindest 30 Mbps benötigt, weswegen man etwas mehr empfiehlt. Mindestvoraussetzung sind 15 Mbps, dann wird mit 720p gestreamt. Bei einem Kurztest erwies sich der Dienst als zuverlässig und flott, auch auf leistungsschwachen Geräten. Obwohl durch das Streaming eine zusätzliche Verzögerung von rund 100 Millisekunden entsteht, war diese bei einer kurzen Partie PUBG nicht wahrnehmbar.
Ähnliche Erfahrungen liefert auch PlayStation Now, das seit Mitte März auch in Österreich verfügbar ist. Auf Windows-PCs und PlayStation 4 kann der Nutzer gegen eine monatliche Gebühr aus mehr als 500 PS2-, PS3- und PS4-Titeln wählen. Mindestvoraussetzung sind lediglich 5 Mbps, allerdings liegt die maximale Qualität vorerst bei 720p und maximal 60 Bildern pro Sekunde. Wie bei und Co. variiert die Bibliothek von Monat zu Monat, meist handelt es sich aber um etwas ältere Titel. Aktuelle Blockbuster finden sich nicht darunter, im PSN Store oder als physische Kopie gekaufte Spiele können ebenso nicht gestreamt werden. Der Sony-Dienst basiert auf Technologie des 2012 gekauften Cloud-Gaming-Anbieters Gaikai.
Das derzeit wohl eindrucksvollste Cloud-Gaming-Erlebnis bietet Shadow. Der Dienst des französischen Start-ups Blade gibt dem Nutzer für 30 Euro pro Monat Zugriff auf einen vollwertigen Windows-10-PC in der Cloud. Technisch wird dieser laufend erneuert, derzeit sind die gemieteten Rechner mit Intel-Xeon-CPUs, zwölf Gigabyte Arbeitsspeicher, einer Nvidia GTX 1080 sowie 256 Gigabyte Speicher ausgestattet. Zudem bekommt man ein Gigabit pro Sekunde an Bandbreite (maximal 900 Mbit/s im Download, 100 Mbit/s im Upload) zur Verfügung gestellt.
Der Cloud-PC ist derzeit auf Gaming optimiert, laut Blade kann dieser aber frei für andere Zwecke verwendet werden. Lediglich das Schürfen von Kryptowährung werde nicht so gerne gesehen. Bei einem Kurztest der futurezone ließ sich so ein Billig-Notebook von Acer in einen High-End-Laptop verwandeln, der das aktuelle Doom in 1080p mit flüssigen 60 Bildern pro Sekunde wiedergeben konnte. Technisch können über Shadow 4K-Spiele mit 60 Hz sowie 1080p mit 144 Hz gestreamt werden - eine stabile 50-Mbps-Leitung vorausgesetzt. Als Mindestvoraussetzung werden 15 Mbps genannt. Der Dienst kann per App auch auf iOS- und Android-Geräten nahtlos genutzt werden, zudem gibt es Desktop-Clients für Windows, Linux und macOS. Zudem bietet man eigene Streaming-Boxen an, die an einen Bildschirm oder Fernseher angeschlossen werden können.
Das 2015 gegründete Unternehmen zählt fünf Datenzentren - zwei in Frankreich, zwei in den USA sowie eines in Amsterdam - und weltweit „mehrere tausend Kunden“. Obwohl man noch nicht profitabel ist, will man es schon bald sein. Ausgestattet mit mehr als 60 Millionen Euro an Risikokapital expandiert man weiter, unter anderem nach Deutschland. Dort ging der Dienst bereits Anfang des Jahres mit einer eingeschränkten Zahl an Nutzern an den Start, nun ist man offiziell für jeden verfügbar. Ein Start in Österreich sei ebenfalls geplant, allerdings gibt es dafür vorerst keinen Termin oder konkrete Pläne, heißt es. Technisch sei die Versorgung über das Datenzentrum in Amsterdam aber durchaus möglich.
Es gibt auch zahlreiche weitere kleinere Anbieter, wie das Start-up Snoost, LiquidSky, Kalydo, PixelStellar und PlayKey, diese sind meist aber nur für eine kleine Zahl an Nutzern verwendbar oder setzen auf ein nutzungsbasiertes Abrechnungsmodell, bei dem man beispielsweise pro Stunde bezahlt.
Microsoft kündigte auf der diesjährigen E3 bereits an, dass man an einem „Game-Streaming-Netzwerk [arbeite], das Konsolen-Gaming auf allen Geräten ermöglicht“, sei es nun , PC oder Smartphone. Laut einem Bericht des Microsoft-Blogs Thurrott.com könnte Microsoft mit der nächsten Generation der Xbox diesen Dienst sowie eine nur für Cloud-Gaming vorgesehene Billig-Xbox vorstellen. Die von Microsoft entwickelte Technologie würde aber offenbar gewisse einfache Rechenaufgaben lokal durchführen, weswegen weiterhin eine Spielkonsole erforderlich wäre - die Herstellungskosten und infolgedessen der Verkaufspreis würden aber dennoch erheblich sinken.
Auch Electronic Arts könnte schon bald in das Geschäft mit Cloud-Gaming einsteigen. Im Mai erwarb man die Technologie des israelischen Cloud-Gaming-Anbieters GameFly. Mit Origin Access und EA Access bietet man bereits einen Netflix-ähnlichen Abo-Dienst für Xbox-One- und Windows-Spiele an - für die man allerdings vorerst noch einen Gaming-PC oder eine Xbox One benötigt, die Spiele können heruntergeladen werden.
Auf gewisse Art und Weise kann auch die Nintendo Switch als Vorhut für den Cloud-Gaming-Trend gesehen werden. Die Hybrid-Spielkonsole kann sowohl am Fernseher als auch als Handheld verwendet werden und gewährt so mehr Freiheiten als andere Plattformen. Cloud-Gaming ist aber derzeit noch nicht möglich, Informationen über einen entsprechenden Nintendo-Dienst gab es bislang noch nicht.
Wann ist das Ende der Konsolen gekommen?
Sowohl Sonys PlayStation 4 als auch Microsofts Xbox One sind mittlerweile knapp fünf Jahre am Markt. Folgt man der bisherigen Tradition, wäre nach vier bis sechs Jahren der Zeitpunkt gekommen, auf den eine neue Generation folgt. Doch sowohl Microsoft als auch Sony haben mit leicht verbesserten Modellen - der Xbox One X und der PlayStation 4 Pro - dafür gesorgt, dass der Lebenszyklus dieser Generation etwas verlängert werden konnte. Nun folgt ein Geduldsspiel. Analysten rechnen damit, dass 2019 oder 2020 die neuen Spielkonsolen vorgestellt werden könnten, der Verkaufsstart erfolgt üblicherweise ein Jahr später.
Die Konsolen-Branche folgt hier seit fast vier Jahrzehnten dem gleichen Muster, die Präsentationen können oftmals über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Ein Umstand, der mit Cloud-Gaming der Vergangenheit angehören könnte. Plattformen werden irrelevant, stattdessen zählen nur mehr die Spiele und wer das beste Angebot hat. Gewährt man der kommenden Konsolen-Generation eine ähnliche Lebensdauer, könnte das Zeitalter, in dem man nur mehr auf Cloud-Gaming setzt, somit frühestens Mitte bis Ende der 2020er-Jahre anbrechen.
Ein Zwischenschritt könnte auch das Auslagern einzelner Rechenaufgaben an Cloud-Dienste sein. Microsofts Action-Adventure Crackdown 3 soll beispielsweise die Berechnung von besonders aufwändigen Effekten, beispielsweise bei der Zerstörung von Gebäuden, an den Microsoft-Cloud-Dienst Azure auslagern. Die Technologie dahinter stammt vom britischen Unternehmen Cloudgine, das Anfang 2018 an Fortnite-Entwickler Epic Games verkauft wurde. Dieser will die Cloudgine-Technologie nun in die Unreal Engine 4 integrieren, die in der Videospielbranche breite Anwendung findet.
Welche Vor- und Nachteile hat Cloud-Gaming?
Der wohl größte Vorteil ist der Kostenfaktor. Der Spieler muss keine mehrere hundert Euro teure Spielkonsole oder einen Gaming-PC kaufen, um die aktuellsten Titel spielen zu können. Der größte Nachteil ist die Abhängigkeit von der Internet-Verbindung: Wer über keine oder nur eine langsame Anbindung verfügt, bleibt außen vor.
Ubisoft-CEO Yves Guillemot argumentiert, vor allem Hersteller von großen kostspieligen Blockbuster-Titeln würden von Cloud-Gaming profitieren und deutlich schneller wachsen können. Insbesondere die Tatsache, dass man nicht mehr für verschiedene Plattformen entwickeln muss und technologische Fortschritte schneller von Videospiel-Entwicklern genutzt werden können, würde sich positiv auf die Branche auswirken. Auch Indie-Games könnten so schneller ein größeres Publikum ansprechen.
Da das Spiel nicht mehr lokal installiert werden muss, fällt mit Cloud-Gaming aber auch die Notwendigkeit für einen physischen Datenträger weg, auf dem sich das Spiel befindet. Hersteller und Entwickler sparen sich so Kosten für Herstellung und Distribution von physischen Kopien, der Käufer erwirbt nur eine Lizenz für das Spiel. Ein Umstand, der nicht nur Sammler, sondern auch Konsumentenschützer verärgern dürfte.
Der Weiterverkauf gebrauchter digitaler Kopien ist auf vielen Plattformen nur eingeschränkt oder gar nicht möglich, auch das Vererben ist rechtlich umstritten. Bereits seit Jahren wird unter Gamern und Rechtsexperten eine Debatte darüber geführt, ob man derartige Spiele tatsächlich besitzt oder nur ein „Recht zum Spielen“ erwirbt.
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