Schwedenplatz: Stau aufgrund von Baustellen

Symbolbild

© Kurier / Juerg Christandl

Meinung

Autofahren in der Stadt ist ein Krampf und wird es bleiben

An vielen Stunden des Tages kann man sich auf urbanen Straßen nur durch Staus quälen. Das wird auf absehbare Zeit wohl so bleiben.

Autofahren mag ich ja eigentlich. Ich mag es, wohltemperiert im Auto zu sitzen, unhandliche Gegenstände und müde Kinder genau vor die Haustür zu transportieren. Ich mag es, meine Familie in den Urlaub zu kutschieren und nachts auf der Autobahn gemeinsam Musik zu hören.

Wenn ich aber einmal in der Stadt mit dem Auto unterwegs bin, ist das ein einziger Krampf. Völlig automatisch beginne ich nach spätestens fünf Minuten ärgerlich diese oder jene Situation zu kommentieren. Dabei fällt mir manchmal eine Aussage des bekannten Verkehrsplaners Hermann Knoflacher ein, wonach ein Mensch am Steuer eines Autos sinngemäß zu einem anderen Wesen mutiert.

Verhaltensänderung nicht vorhanden

Mein Eindruck ist, dass es keine Hoffnung darauf gibt, dass der Verkehr in irgendeiner Weise entspannter wird. In Österreich sind die Autoverkaufszahlen hoch wie eh und je, in Wien ist der Autoanteil im Modal Split seit Jahren festbetoniert. Weder die aktuell hohen Spritpreise, noch die flächendeckende Einführung des Parkpickerls und schon gar nicht der Klimawandel haben den Verkehr reduziert. Die Straßen sind überfüllt.

Wünsche der Bevölkerung autofreie Zonen zu erhalten, werden abgeschmettert, jede noch so kleine Reduktion von Straßen- oder Parkplatzflächen ist ein Riesendrama. Um Wählerstimmen zitternde Politiker*innen wagen keine auffällige Veränderung. Okay, ein paar 30er-Zonen werden errichtet, aber keiner hält sich dran.

Ich habe Vorrang

Im Straßenverkehr regiert der Egoismus. Das beste Beispiel dafür ist die Auffahrt auf den Gürtel, von Norden über die Nordbrücke und die Heiligenstädter Lände kommend. Jeder Mensch, der an dieser Stelle ein bis zweimal in seinem Leben ein Auto gelenkt hat, weiß, dass die rechte von drei Spuren zum Gürtel führt. Klar kommt es dort oft zu Stau. Dabei kann man jedes Mal mit hundertprozentiger Sicherheit ein bizarres, aber zur Einschätzung von Knoflacher wunderbar passendes Schauspiel beobachten.

Einige Autofahrer*innen fahren an der langen Autoschlange auf der freien zweiten Spur vorbei und drängeln sich ganz vorne, dort wo die kurz gestrichelte Trennlinie in die durchgehende übergeht, nach rechts rein. Wenn ihnen nicht Platz gemacht wird, bleiben sie einfach - manchmal blinkend, manchmal auch nicht - auf der zweiten Fahrspur stehen, blockieren diese, völlig unbeeindruckt von Gehupe, bis sich doch eine Lücke auftut. "Asozial" ist noch der mildeste Ausdruck, der mir dafür einfällt.

Dichte Wand statt freier Fahrt

Auf der Straße findet außerdem eine zunehmende visuelle Verdichtung statt. Ein Faktor dabei sind SUVs mit getönten Scheiben, aber auch die zunehmende Menge an 3 Meter hohen Lieferwägen, die der vitale E-Commerce hervorbringt. In Autowerbungen fahren stets glückliche, entspannte Menschen auf völlig leeren Straßen durch saubere Städte. Dieses Paralleluniversum ist eine totale Illusion. Eine undurchsichtige Wand vor der Nase und schneckenhaftes Weiterkriechen sind die Realität.

Elektroautos sorgen wenigstens dafür, dass die Emissionen reduziert werden, aber entspannter wird die Lage auf der Straße dadurch noch nicht. Autonome Fahrzeuge könnten vielleicht etwas ausrichten, aber nur, wenn es deutlich mehr davon gibt als menschliche Fahrer*innen - und das ist in weiter Ferne. In den nächsten Jahrzehnten wird es weiterhin so viele Autos auf der Straße geben, so viel Platzverschwendung, so viel Versiegelung, so viel Hitze.

Bei aller Liebe zum Autofahren muss man einfach einsehen: Es ist ein Krampf, es wird ein Krampf bleiben - da können noch so gute Stauassistenten daherkommen. In vielen Situationen gibt es ja Alternativen zum Auto. Man kann nur versuchen, die möglichst oft zu nutzen und das Autofahren in der Stadt auf ein Minimum zu beschränken.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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