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Gastkommentar

Tödliche Hitzewelle: It’s the Climate Crisis, stupid.

In Portland wurde "Cooling Shelter" eingerichtet. Wer keine Klimaanlage hat, kann sich dort für ein paar Stunden von der extremen Hitze erholen

Die brutale Hitzewelle, die vergangene Woche Hunderte von Menschen im pazifischen Nordwesten und in Kanada getötet hat, wäre ohne den menschgemachten Klimawandel "praktisch unmöglich" gewesen, so eine am Mittwoch veröffentlichte Studie des Studie des World Weather Attribution Netzwerks (WWA). Sie liefert den neuesten Beweis dafür, dass globale Erwärmung extreme Hitze häufiger und auch gefährlicher macht.

Hunderte Tote, niedergebrannte Dörfer

Die enormen Temperaturen führten in den USA und Kanada zu über 660 Todesfällen im Zusammenhang mit Hitzestress oder Hyperthermie und dazu, dass mehr als 2.000 Menschen ins Krankenhaus und in Notfallambulanzen gebracht wurden. Die Hitze riss Bürgersteige auf, brachte das Alltagsleben zum Erliegen und führte zu einem Massensterben von Muscheln, Seesternen und anderen Meeresbewohnern entlang der Küsten von Washington und British Columbia. Verheerende Brände waren eine weitere Folge der Hitze. Der Ort Lytton in Kanada, in dem zuvor über mehrere Tage Höchsttemperaturen von fast 50 Grad gemessen wurden, wurde von einer Feuerwalze dem Erdboden gleichgemacht.

150 mal wahrscheinlicher

Ein internationales Team von 27 Wissenschaftler*innen untersuchte die Zusammenhänge zwischen dem vom Menschen verursachten Klimawandel und diesen kürzlichen Rekordtemperaturen und stellte fest: Durch die Klimakrise stieg die Wahrscheinlichkeit der glühenden Temperaturen mindestens um das 150-fache an. Hitzewellen werden damit um einige Dimensionen wahrscheinlicher als jede andere Art von Extremereignissen. "Hitzewellen sind die Art und Weise, wie der Klimawandel uns heute tötet“, drückte es Friederike Otto, eine der Studienautor*innen und Klimaforscherin an der Universität Oxford, drastisch aus.

Zu drastisch für gängige Modelle

Das Forschungsteam konzentrierte sich auf die betroffenen Gebiete mit der höchsten Bevölkerungszahl, darunter Portland, Seattle und Vancouver. Dabei stießen sie zu Beginn auf ein Problem: Da die beobachteten Temperaturen weit über dem lagen, was Wissenschaftler*innen jemals zuvor gesehen oder auch nur für möglich gehalten hatten, konnten die Modelle sie zunächst nicht nachbilden. Die Modelle mussten angepasst werden, um solch dramatische Ereignisse zu berücksichtigen. Die Forscher*innen kamen zu dem Ergebnis, dass der Höhepunkt der Hitzewelle ein Ereignis war, das eigentlich nur alle 1.000 Jahre auftreten sollte und durch die Auswirkungen der Klimakrise mindestens 150 Mal wahrscheinlicher geworden ist. Durch den Klimawandel wurde die Hitzewelle auch heißer, und zwar geschätzt 3,6 Grad mehr, als sie vor der industriellen Revolution gewesen wäre. Und sie kamen zu dem Schluss, dass solche Ereignisse weiterhin häufiger und heißer auftreten werden, wenn die Klimakrise sich weiter auf dem derzeitigen Niveau entwickelt.

Nur das statistische Äquivalent von Pech?

Die Studie nennt 2 Möglichkeiten für den extremen Sprung der Höchsttemperaturen in der Region. Die erste ist, dass es sich nur um ein extrem seltenes Ereignis handelt, das durch die Klimakrise verschlimmert wurde. „Das statistische Äquivalent von wirklichem Pech", wie es in der Studie heißt. Die andere Möglichkeit ist, dass das Klima eine Schwelle überschritten hat, die die Art von solchen dramatischen Hitzeereignissen sehr viel wahrscheinlicher machen würde. Bisher hatten die Forscher*innen eine allmähliche Zunahme von Hitzeextremen mit der Erwärmung der Welt gesehen. Ihre Analyse der Ereignisse in Kanada hat diese Ansicht erschüttert. Es könnte bedeuten, dass die bisherigen Vorhersagen der Klimamodelle die extremen Temperaturen, die die Welt noch erleben könnte, unterschätzen. „Wir haben das Gefühl, dass wir Hitzewellen nicht so gut verstehen, wie wir dachten, dass wir sie verstehen,“ sagt Co-Autor Geert Jan van Oldenborgh vom Königlichen Niederländischen Meteorologischen Institut dazu.

Rasante Dynamik

Die Härte, mit der die jüngste tödliche Hitzewelle die Menschen und auch die Wissenschaft getroffen hat, belegt einmal mehr, dass die Dynamiken der Klimakrise zunehmend rasant an Fahrt aufnehmen. Die wissenschaftlichen Prognosen für den Zeitpunkt der Eintritte unumkehrbarer Ereignisse, sogenannter „Kipp-Punkte“, die eine Klima-Kettenreaktion auslösen würden, müssen regelmäßig nach unten korrigiert werden. Das vermeintlich ewige Eis schmilzt, Permafrostböden tauen, der Golfstrom schwächelt massiv und man weiß nicht, ob sich die Ökosysteme der großen Regenwälder angesichts der massiven Zerstörung noch regenerieren können.

Vollbremsung. Jetzt.

Die meisten Gesellschaften sind auf ein stabiles Klima ausgelegt. Selbst eine kleine Veränderung macht daher einen großen Unterschied, der im äußersten Fall über Leben und Tod entscheidet. „Und was wir hier sehen, ist keine kleine Veränderung, es ist eine große Veränderung. Ich denke, das ist die wirklich wichtige Botschaft hier,“ gab Dr. Otto bei der Studienpräsentation zu denken. Wir dürfen uns keine Sekunde länger auf die vage Hoffnung verlassen, dass zerstörerische Extremereignisse nur das „statistische Äquivalent von Pech“ sein könnten. Die jüngste Hitzewelle und die neueste Studie dazu führen uns deutlich vor Augen, dass wir uns keine weiteren Ausreden, Irrtümer und Denkfehler leisten können. Nur wenn wir jetzt eine Vollbremsung hinlegen, haben wir vielleicht nochmal Glück.

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Tina Wirnsberger

Tina Wirnsberger ist Trainerin für nachhaltige Wirtschaft & Politik und Sozialpädagogin. Sie war bis Jänner 2019 Grüne Stadträtin für Umwelt und Frauen in Graz.

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