US President Donald J. Trump press conference in the White House
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GASTKOMMENTAR

Forest Trump: Ein Präsident und andere Irrtümer

Ich weiß ja nicht wie es Ihnen geht, aber mich ergreift bei jeder Wortmeldung des amerikanischen Präsidenten zur Klimakrise (und auch sonst jedem Thema) so ein seltsames Gefühl von Besorgnis, Faszination und Unglaube. Zugegeben, Belustigung ist auch häufig dabei, mittlerweile habe ich aber gelernt, dass die Suche nach dem „Satire“-Hinweis vergeblich ist. Was wir da zu sehen bekommen, ist tatsächlich und leibhaftig einer der mächtigsten Menschen der Welt.

Dass Donald Trump in dieses Amt gewählt wurde, ist der beste Beweis dafür, dass wir Menschen nicht der lange Zeit gepredigte rationale homo oeconomicus sind, sondern unsere Bewertungen und in deren Folge Entscheidungen durch und durch irrational treffen. Aber wie funktionieren die Denkfehler, die Menschen dazu führen, Verschwörungstheorien, Klimawandelleugnern oder den Aussagen eines Präsidenten, die so klingen als hätte er mit Alice im Wunderland Pilze gefrühstückt, mehr Glauben zu schenken als wissenschaftlich belegten Fakten?

Grundlegende Denkfehler

Menschen in den Industriestaaten im globalen Norden, die älter sind als die Fridays for Future Generation, sind mehrheitlich mit einer Vorstellung von einem „Klimawandel“ aufgewachsen, der zwar eine existenzielle Bedrohung ist, aber keine unmittelbare, sondern eine schleichende, hochkomplexe und nicht konkret greifbare, deren Auswirkungen nicht direkt im eigenen Lebensumfeld spürbar sind. Dass nicht nur Wissenschaftler*innen, sondern auch Massenmedien mittlerweile nicht mehr von so einem abstrakten „Wandel“ sprechen, sondern von einer „Krise“, ist Greta Thunberg und ihrer Bewegung zu verdanken.

Die beschriebenen Merkmale unserer jahrzehntelangen Wahrnehmung des Themas sind jedoch die Grundlage für hartnäckige Denkfehler, sogenannte kognitive Verzerrungen, die uns im Zusammenhang mit der Klimakrise unterlaufen. Der Weg, nach dem unser Gehirn beim Einordnen und Bewerten von Informationen und Beurteilen von Entscheidungsmöglichkeiten schnurstracks und systematisch in Richtung Irrtümer abbiegt, basiert auf bestimmten zumeist unbewussten Grundannahmen und folgt erklärbaren Mustern. Sehen wir uns einige davon am Beispiel des berühmtesten derzeit lebenden Klimawandelleugners genauer an.

Trump und Dunning Kruger

An der Westküste der USA wüten verheerende Brände. Sie haben nicht nur ganze Städte zerstört, sondern forderten Menschenleben und überziehen weite Regionen mit giftigen Rauchwolken. Bilder von der in feuerrotes Licht getauchten Golden Gate Bridge lassen beim Anblick das Blut in den Adern gefrieren. Die Gouverneur*innen der besonders betroffenen Staaten weisen mit drastischen Worten der Verzweiflung auf den Zusammenhang der Klimakrise mit den fürchterlichen Bränden hin, Wissenschaftler*innen werden nicht müde, dies mit Daten und Erklärungen zu belegen und auch der mediale Konsens ist mittlerweile eindeutig: Die Auswirkungen der Klimakrise sind nicht der Ursprung der Feuer, aber sie sind enorme Brandbeschleuniger. Zunehmende Hitzeperioden führen zu Dürren und damit zur Ausweitung der brandgefährdeten Trockengebiete.

Während die Mehrheit der Öffentlichkeit sich einig ist, dass mit den katastrophalen Bränden die menschgemachte Klimakrise manifestiert, erklärt „Forest Trump“ stattdessen ausführlich, man müsse bedenken, dass die Österreicher*innen in ihren Waldstädten weitaus explosivere Bäume hätten. Bizarren Unsinn wie diesen trägt der mächtigste Mann der Welt im Brustton der Überzeugung und gespickt mit vermeintlichen Fakten vor.

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„Dunning Kruger Effekt“ nennt sich diese kognitive Verzerrung: Inkompetente Menschen überschätzen sich selbst und ihre Fähigkeiten - und sie merken es selbst nicht. Ohne Donald Trump auch politisches Kalkül abzusprechen, so haben wir es bei ihm sicherlich mit einem ausgeprägten Fall des Dunning Kruger Effekts zu tun. Eine Erklärung dafür, wie er es mit dieser geballten augenscheinlichen Inkompetenz sogar bis ins Weiße Haus geschafft hat, liefern die beiden Ökonomen Peter Schwardmann und Joël van der Weele in einer Studie. Proband*innen hielten sich für besser im IQ-Test als ihre Mitbewerber*innen, wenn sie wussten, dass sie später auch andere von sich überzeugen müssen. Die Wettbewerbssituation machte sie selbstbewusster, was wiederum dazu führte, dass sie gewinnender auftraten und andere besser von sich überzeugen konnten. Schwardmann schlussfolgert, dass anzunehmen sei, dass in Kontexten mit scharfem Wettbewerb jene Menschen erfolgreicher sind als andere, die sich selbst überschätzen.

Bestätigungsfehler

Dass Trump bei seinen Anhänger*innen selbst mit den krudesten Theorien und Fake News auf dermaßen großen Zuspruch stößt, ist unter anderem auf confirmation bias, auch Bestätigungsverzerrungen, zurückzuführen. Nicht nur Trump-Wähler*innen und Verschwörungstheoretiker*innen, sondern wir alle, filtern und interpretieren Informationen so, dass sie unsere Erwartung erfüllen und uns in unseren Überzeugungen bestätigen. Wer absolut überzeugt davon ist, dass es keine menschgemachte Klimakrise gibt, für den klingen im Zweifelsfall sogar explodierende Bäume in Waldstädten eines weit entfernten Landes plausibel genug, um in der Meinung bestätigt zu werden, dass es keinen Zusammenhang zwischen Klima-Auswirkungen und der Feuerbrunst vor der Haustüre gibt.

Verfügbare Beispiele der Klimakrise

Sich ein Weltbild aufzubauen, in dem sich verheerende Klimakatastrophen nur in Kinofilmen oder maximal in einer entfernten Zukunft abspielen, war für viele Generationen dank der weiter oben beschriebenen Merkmale des „Klimawandels“ naheliegend. Die verfügbaren Beispiele für die Auswirkungen beschränkten sich lange Zeit auf das Bild von Eisbären, deren Scholle kleiner wird und Szenarien, die in der Zukunft spielen. Mangelnde eigene Erlebnisse und der fehlende öffentliche Diskurs führten zu dem häufigen Urteilsfehler der Verfügbarkeitsheuristik: Ereignisse, die in unserem Gedächtnis entweder durch Häufigkeit oder durch Intensität präsent sind, erscheinen uns plausibler und wahrscheinlicher.

Im öffentlichen Diskurs spielte die menschgemachte Krise keine so dominante Rolle, bevor die Wissenschaft für ihre Botschaft enormen Rückenwind durch die Fridays for Future-Bewegung bekam. Greta Thunbergs Generation ist bereits damit aufgewachsen, dass die Klimakrise eine reale, greifbare, konkrete Bedrohung ist. Die Verfügbaren Beispiele der Klimakrise verändern sich nicht nur dank der verschobenen öffentlichen Debatte, die nun konsequent den Zusammenhang zwischen den Bränden in Kalifornien und anderen Naturkatastrophen herstellt. Die Menschen bekommen nun die Konsequenzen in dramatischer Heftigkeit zu spüren, dass es nicht erst Fremde in ferner Zukunft trifft – sondern sie selbst. Diese verfügbaren Erlebnisse beeinflussen das Urteil über die Notwendigkeit, die Klimakrise zu stoppen.

Die Denkfehler, die die Menschheit lange zum Verharmlosen, Wegschauen oder gar Leugnen verleitet und Männer wie Trump in höchste Ämter befördert haben, sind erklärbar. Aber viel wichtiger noch ist: Sie sind korrigierbar.

Über die Autorin

Tina Wirnsberger ist Trainerin für nachhaltige Wirtschaft & Politik und Sozialpädagogin. Sie war bis Jänner 2019 Grüne Stadträtin für Umwelt und Frauen in Graz.

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Tina Wirnsberger

Tina Wirnsberger ist Trainerin für nachhaltige Wirtschaft & Politik und Sozialpädagogin. Sie war bis Jänner 2019 Grüne Stadträtin für Umwelt und Frauen in Graz.

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