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Gastkommentar

Abrakadabra, Klimawandelanpassungsstrategie!

Wie das sprichwörtliche Kaninchen aus dem Hut, wird das Zauberwort gezogen, mit dem alles besser werden soll.

Überschwemmungen, Wasserknappheit, enorme Schäden durch Stürme und andere extreme Wetterereignisse, Überhitzung. Über 90% der Städte – und damit die Menschen, die dort leben – sind ernsthaften Risiken durch die rasant zunehmenden Verwüstungen der Klimakrise ausgesetzt. Satte 43%, die immerhin zusammen 400 Millionen Einwohner*innen repräsentieren, haben im Jahr 2021 nicht einmal einen Plan zur Anpassung an die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels haben. Das ergibt eine frische Studie des Carbon Disclosure Project (CDP) mit Sitz in London. Die Non-Profit-Organisation sammelt und analysiert systematisch die Klimaziele und Maßnahmen von Unternehmen, Organisationen und Institutionen. Die Umfrage unter 800 Städten offenbart die bestürzende Ignoranz gegenüber den verheerenden Auswirkungen des Klimawandels. Aber sie zeigt auch das große Potenzial auf, das Städte im Kampf gegen die Klimakrise haben.

„Klimawandelanpassungsstrategie“. Kommt einem nicht so leicht über die Lippen wie „Abrakadabra“, dennoch ist dieser sperrige Begriff ein Zauberwort, denn sie ist das entscheidende Werkzeug für die Überlebensfähigkeit von Städten in der Zukunft. Das Rezept ist simpel: Reparaturkosten sind teuer, sie zu vermeiden ist clever. Dass es bei mangelnder Resilienz letztlich auch um Leben oder Tod geht, führen die dramatischen Zahlen von Hitzetoten vor Augen: 2003 kamen bei der „canicule“ in Frankreich 15.000 Menschen ums Leben.

Akzeptieren

Die Kraft der Anpassung wurde lange sowohl von Kämpfer*innen gegen die Klimakrise als auch von den Leugner*innen vernachlässigt. Anpassung würde nach Selbstaufgabe klingen, weil man damit akzeptiere, dass die Klimakrise nicht aufzuhalten sei, erhielt ich vor einigen Jahren von engagierten Öko-Mitstreiter*innen als Rückmeldung für die Arbeit an der kommunalen Klimawandelanpassungsstrategie. Aus der anderen Ecke wollte man sich ebenfalls nicht anpassen – dann müsste man ja akzeptieren, dass der menschgemachte Klimawandel existiert und dass er katastrophale Auswirkungen hat. Zumindest diese Frage der Akzeptanz scheint sich aber heute weitestgehend erledigt zu haben: In der Umfrage der CDP gaben 93% der befragten 800 Städte an, sich enormen Risiken durch Klimafolgen ausgesetzt zu sehen.

Finanzieren

Erkenntnis ist der erste Schritt, aber selbst willige Kommunen scheitern noch an der konservativen Finanzierungslogik des politischen Systems. Einer von 4 Städten fehlt schlichtweg das Geld, um sich, ihre Infrastruktur und die gefährdete Bevölkerung vor den Verwüstungen zu schützen. Viele Städte sind von den Landes-, Regional- und Bundesregierungen abhängig, wenn es um die Finanzierung geht. Die Umfrage ergab, dass im vergangenen Jahr in 422 Städten die Finanzierung für 1.142 Projekte zur Anpassung noch offen war. Das entspricht einem Investitionsbedarf von etwa 59 Milliarden Euro. CPD kritisiert in diesem Zusammenhang, dass weltweit trotzdem nur ein Bruchteil der Wiederherstellungsausgaben nach der Corona-Pandemie in den Klimawandel, noch viel weniger davon in die Anpassung, gesteckt wird.

Während beispielsweise Projekte zur Energieeffizienz sich relativ schnell mit konkreten Einsparungen im Budget darstellen lassen, sind die Vorteile der Anpassung an die Auswirkungen extremer Wetterverhältnisse weniger offensichtlich und oft diffuser. Das Climate Change Center Austria (CCA) hat dem entgegenwirkend in der COIN-Studie (COst of INaction) dargestellt, was der Klimawandel kosten wird, wenn wir uns nicht anpassen.

Aus Krisen lernen

Neben der Verringerung des Katastrophenrisikos und der Schäden durch extreme Wetterereignisse bringt die Anpassung zahlreiche Vorteile für die Öffentlichkeit mit sich und erhöht die Lebensqualität in Städten enorm. Die Vergrößerung oder Aufwertung von Grünflächen etwa ist eine der wichtigsten Möglichkeiten für Städte sich anzupassen und kann nachweislich die öffentliche Gesundheit und das psychische Wohlbefinden erheblich verbessern.

Die Leiterin des CPD betont, dass die Erfahrung der COVID-19-Pandemie, bei der die Städte während der Abriegelung menschenleer waren, die Menschen für ihre Anfälligkeit für Schocks sensibilisiert hat. Die Corona-Krise hat vielen die Augen für das Thema Resilienz geöffnet. Nutzen wir die Erkenntnisse und damit verbundene transformative Kraft der Krise doch endlich und bauen wir widerstandsfähige, lebenswerte, zukunftsfitte Städte. Abrakadabra!

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Tina Wirnsberger

Tina Wirnsberger ist Trainerin für nachhaltige Wirtschaft & Politik und Sozialpädagogin. Sie war bis Jänner 2019 Grüne Stadträtin für Umwelt und Frauen in Graz.

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