FILE PHOTO: Russian President Medvedev gestures after writing 'Good Luck!' on a pipe of the Nord Stream pipeline near Russian town of Vyborg
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Meinung

Grünes Gas statt Russland-Pipeline?

Russlands damaliger Präsident Dmitri Medwedew schrieb 2010 "viel Glück" auf ein Rohr der Nord-Stream-Pipeline

Wir sind abhängig von Erdgas – und das meiste davon kommt aus Russland. Knapp ein Viertel der österreichischen Haushalte werden mit Gas geheizt, in Deutschland ist es sogar knapp die Hälfte. Auch unsere Industrie kommt ohne Erdgas nicht aus. Für unsere CO2-Bilanz und die Klimakrise ist das eines unserer größten Probleme. Russlands Angriff auf die Ukraine ist nun ein weiterer wichtiger Grund, unsere Abhängigkeit von russischem Erdgas zu überdenken.

Dabei wird eine Idee ins Spiel gebracht, die fast zu gut klingt um wahr zu sein: Könnten wir das Gas nicht künstlich herstellen, anstatt es aus dem Boden zu holen? Das ist prinzipiell möglich. Man braucht dafür 2 Schritte: Zunächst Elektrolyse – dabei wird Wasser mit Hilfe von elektrischem Strom in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Dann folgt die sogenannte Methanisierung: Man verbindet den Wasserstoff mit CO2, dabei entsteht Methan (CH4), der Hauptbestandteil von Erdgas.

Grünen Strom speichern

Das Elegante an dieser Technologie: Sie erlaubt uns, Energie zu speichern. Photovoltaik und Windkraftanlagen liefern je nach Wetter unterschiedlich viel Strom. Wenn mehr Strom erzeugt wird als man gerade braucht, könnte man ihn verwenden um Methan zu erzeugen. Dieses Methan kann man genauso nutzen wie gewöhnliches Erdgas: Man kann es in die Gasleitungen einspeisen, man kann damit heizen, kochen und Industrieanlagen betreiben. Man kann es aber auch einfach aufbewahren und später verbrennen, um wieder Strom zu erzeugen. „Power to Gas“, die Umwandlung von überschüssigem Strom in Gas, könnte theoretisch also einen der größten Nachteile alternativer Energiequellen ausgleichen: ihre wetterbedingten Leistungsschwankungen.

Leider gibt es dabei aber einige Probleme. Zuallererst: Umweltfreundlich ist das alles nur, wenn der benötigte Wasserstoff mit grünem Strom erzeugt wird und wenn das CO2, das man für die Methanisierung braucht, zuvor aus der Atmosphäre geholt wurde – denn dort landet es am Ende schließlich nach der Verbrennung wieder.

Derzeit wird Wasserstoff aber nicht in erster Linie durch Elektrolyse gewonnen, sondern – jetzt kommt die Pointe – aus Erdgas. Erdgas zu verbrennen, um aus dem daraus gewonnenen Wasserstoff dann wieder Erdgas zu erzeugen, ergibt natürlich keinen Sinn. So lange Wasserstoff noch irgendwo aus fossilen Brennstoffen erzeugt wird, wäre es sinnvoller, zuerst mal diese Wasserstofferzeugung durch Elektrolyse zu ersetzen, als in Elektrolyse für Power-to-Gas zu investieren.

Wenn man den Kohlenstoff, den man für die Methanisierung braucht, tatsächlich in Form von CO2 aus der Atmosphäre geholt hat, dann ist das Verbrennen des entstandenen Methan-Gases klimaneutral. Allerdings muss man sich die Frage stellen: Wenn man schon die Mühe auf sich nimmt, CO2 aus der Luft zu filtern, soll man es dann tatsächlich einfach wieder verbrennen und zurück in die Luft blasen, oder sollte man es dann nicht eher unterirdisch lagern, um es der Atmosphäre dauerhaft zu entziehen?

Klar ist auch: Wenn man elektrische Energie in Form von Gas speichert, geht immer ein Teil der Energie verloren. Und wenn man das Gas verbrennt, um wieder Strom zu erzeugen, hat man noch einmal Verluste. Besser wäre es daher, Möglichkeiten zu finden, den Strom genau dann sinnvoll zu nutzen, wenn viel davon da ist – etwa indem man bestimmte Industrieprozesse, die nicht zeitkritisch sind, genau dann startet, wenn gerade viel Strom zur Verfügung steht.

Betreibt man Power-to-Gas-Anlagen immer nur mit Stromüberschüssen, wenn Sonne und Wind gerade eine hohe elektrische Leistung liefern, dann kommt ein weiteres Problem hinzu: Das bedeutet nämlich, dass die Anlage nur zeitweise läuft und insgesamt schlecht ausgelastet ist – das senkt die Effizienz und erhöht die Kosten.

Auch grünes Methan ist ein Treibhausgas

Das vielleicht vernichtendste Argument gegen die künstliche Herstellung von Methan ist: Methan ist ein Treibhausgas. Es schädigt das Klima noch viel mehr als CO2. Egal ob Erdgas oder „grünes Methan“: Wenn auch nur ein kleiner Anteil unverbrannt in die Atmosphäre gelangt, ist das für das Klima katastrophal. Und ein bisschen Schwund ist immer.

Freilich könnte man elektrische Energie auch in Form anderer Gase speichern – man könnte etwa einfach den Wasserstoff aufbewahren und auf die Methanisierung verzichten. Allerdings fällt dann das Argument weg, dass man alle bestehenden Erdgas-Abnehmer ohne irgendwelche technischen Umstellungen mit grünem Methan versorgen könnte.

Heißt das, dass Power-to-Gas eine schlechte Idee ist? Nicht unbedingt. Es kann schon sein, dass gut durchdachte Power-to-Gas-Anlagen Teil eines komplexen künftigen Energienetzes sein werden. Aber das Versprechen, wir könnten unsere gesamte Gas-Infrastruktur aufrechterhalten, Erdgas einfach durch „grünes Gas“ ersetzen, und dabei auch noch die wetterbedingten Leistungsschwankungen erneuerbarer Energieträger ausgleichen, ist unrealistisch.

Power-to-Gas kann nur dann wirklich sinnvoll sein, wenn wir Photovoltaik und Wind zuerst massiv ausbauen. Das muss in jedem Fall der erste Schritt sein, egal ob wir Power-to-Gas wollen oder nicht. Damit sollten wir uns beeilen, aber es wird seine Zeit dauern. Garantiert gelingt uns das nicht bis zum nächsten Winter, wenn wir viele unserer Wohnungen wieder mit Erdgas heizen wollen.

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Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

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