Amnesty fordert Verbot von Gesichtserkennung für Polizei
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„Der Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie ist gefährlich und birgt mehr Gefahren, als ihr Nutzen für die Sicherheit der Menschen rechtfertigen kann“, heißt es seitens Amnesty International (AI) Österreich. Die Nicht-Regierungs-Organisation (NGO), die sich für Menschenrechte einsetzt, startete am Dienstag eine Kampagne „Dein Gesicht gehört dir“, in der sie zu einem Stopp von Gesichtserkennung in Österreich auffordert.
Besonders der Einsatz zur Strafverfolgung ist Amnesty International ein Dorn im Auge. Die Polizei setzt Gesichtserkennungstechnologien bereits ein, um Verbrecher auszuforschen. Dabei gibt es allerdings keinen Echtzeit-Abgleich, was aus Sicht von Amnesty International „besonders gefährlich“ wäre, sondern nur einen Abgleich von Bildern, die aus Überwachungskameras stammen, wenn es einen Verdacht einer strafbaren Handlung gibt.
System könnte ausgebaut werden
Die Zentralsoftware gleicht bestimmte Merkmale aus dem Gesichtsfeld ab und vergleicht das Bild mit der Referenzdatenbank der Polizei. In dieser Datenbank sind aber laut Amensty International Gesichter von etwa 600.000 Personen gespeichert. Das System ist bei der Polizei seit August 2020 im Regelbetrieb im Einsatz.
Laut Amensty International bestehe auch die akute Gefahr, dass in Österreich der Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie weiter ausgebaut wird. „Auch wenn das Bundesministerium für Inneres (BMI) eine Live-Videoüberwachung mit automatisierter Gesichtserkennung derzeit nicht plane, wäre grundsätzlich auch eine Ausweitung des Abgleiches auf weitere Datenbanken möglich. Dadurch wäre eine weitaus größere Anzahl von Menschen vom Einsatz der Gesichtserkennungstechnologie direkt betroffen“, warnt die Organisation.
Hohe Fehlerquote
Das Problematische beim Einsatz bei Strafbehörden aus Sicht der Menschenrechtsorganisation sind die hohen Fehlerquoten dieser Systeme. Menschen können auf diesem Weg unschuldig unter Verdacht geraten und sich dann mühsam „freibeweisen“ müssen. Der US-Bürger Robert Williams verbrachte etwa 30 Stunden in Haft, nachdem ihm wegen eines nicht korrekten Abgleichs von Gesichtserkennungssoftware Ladendiebstahl vorgeworfen wurde. Williams klagte daraufhin die Polizei.
Unternehmen wie Amazon, Microsoft und IBM haben daher den Einsatz ihrer Produkte zur Strafverfolgung bereits wegen hoher Fehlerquoten eingeschränkt. Besonders fehleranfällig sind diese Systeme bei Bürger*innen mit dunkler Hautfarbe.
Kein Verbot der EU
Die EU-Kommission hat im April einen Gesetzesvorschlag zur KI-Regulierung vorgestellt, wo es auch um das Verbot von Biometrie und Gesichtserkennung an öffentlichen Orten geht. Im Vorschlag der EU-Kommission ist ein Verbot vorgesehen, es wurden aber auch einige Ausnahmen definiert. Dazu zählen etwa die Festnahme, Identifizierung und Suche nach Straftäter*innen und Verdächtigen bei allen Straftaten, für die eine maximale Haftstrafe von wenigstens drei Jahren vorgesehen ist.
Laut Amnesty International entspricht der Vorschlag der EU-Kommission „bei weitem nicht den Anforderungen, die zur Minderung des enormen Missbrauchspotentials erforderlich“ sei: „Der Einsatz von Gesichtserkennungssoftware durch Strafverfolgungsbehörden ist aus Bildmaterial von öffentlichen Videokameras weiterhin möglich, sofern kein Abgleich in Echtzeit stattfindet." Die Organisation fordert allerdings aus menschenrechtlicher Sicht ein generelles Verbot der Technologie für die Polizei.
"Für Erleichterungen in der polizeilichen Ermittlungsarbeit zahlen wir alle einen zu hohen Preis."
"Macht Menschen sehr viel unfreier"
„Unsere Sicherheit ist ein hohes Gut, das der Staat schützen muss. Der Einsatz von Gesichtserkennungstechnologie macht die Menschen in Österreich jedoch nicht viel sicherer, aber sehr viel unfreier. Für Erleichterungen in der polizeilichen Ermittlungsarbeit zahlen wir alle einen zu hohen Preis”, sagt Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich.
Der Einsatz von Gesichtserkennungstechnologien könne Menschen auch vor der Teilnahme an Demonstrationen abhalten und damit das Recht auf Versammlungs- und Meinungsäußerungsfreiheit bedrohen, so Slack. Derzeit wird in mindestens zehn EU-Mitgliedstaaten Gesichtserkennungstechnologie von der Polizei eingesetzt.
Zuletzt hatten auch die Arbeiterkammer (AK) und das Institut für Technikfolgenabschätzung (ITA) vor dem überschießenden Einsatz von Biometrie im Alltag gewarnt. Die ITA-Forscher*innen befürchten, dass durch den breiten Einsatz im Alltag und durch die zunehmende Verbreitung der Technologien die Gefahr bestehe, dass sich Menschen daran gewöhnen und damit auch Massenüberwachung durch biometrische Systeme allmählich akzeptieren.
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