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Netzpolitik

Braucht es staatliche Pornofilter, um Kinder im Netz zu schützen?

Müssen Kinder und Jugendliche vor ungeeigneten Inhalten im Internet besser geschützt werden? Auf diese Frage gibt es im Regierungsprogramm von Türkis-Grün eine Antwort: Es soll einen „leichten, kostenlosen und freiwilligen Zugang zu Schutzfiltern geben“, um Kinder und Jugendliche vor Pornografie und Gewalt zu schützen. Die futurezone hat beim dafür zuständigen Justizministerium nachgefragt, wie dieser Zugang aussehen soll. Man wollte trotz mehrmaligen Nachfragen keine offizielle Stellungnahme dazu abgeben.

Viele verschiedene Angebote

Expertinnen und Experten beschäftigen sich allerdings bereits seit längerem mit dieser Frage. „Grundsätzlich ist der Umgang mit ungeeigneten Inhalten eine große Herausforderung in der Medienerziehung. Dabei kann es sich sowohl um Pornografie, Gewalt bis hin zu sonstigen angstmachenden Inhalten handeln. Vor allem bei den Jüngsten können technische Maßnahmen wie Filterprogramme eine erste wirkungsvolle Unterstützung sein“, sagt Matthias Jax von der Initiative SaferInternet.at auf Anfrage der futurezone.

Schutzfilter müssen nämlich nicht erst erfunden werden, sondern es gibt bereits eine breite Palette von Angeboten und Maßnahmen, die Eltern zum Schutz ihrer Kinder einsetzen können. Manche davon sind kostenlos, wie im Regierungsprogramm gefordert. Es gibt sowohl von Herstellern der Betriebssysteme, also Apple, Microsoft oder Google, als auch von Telekom-Anbietern wie Drei, A1 oder Magenta, entsprechende Kinderschutz-Angebote.

Microsoft Family Link ermöglicht es Eltern etwa, die Online-Aktivitäten ihres Nachwuchses nachzuverfolgen und einzelne Inhalte zu beschränken. Auch Google Family Link und die Apple Bildschirmzeit ermöglichen die Regulierung der Online-Inhalte kostenlos. Zusätzliche Angebote der Mobilfunkhersteller für den Zugang auf Smartphones können gegen Gebühren aktiviert werden.

Leitfaden unterstützt Eltern

„Die meisten Betriebssysteme sehen Kinderschutz-Einstellungen vor, nur das Wissen darüber ist bei den Eltern nicht weit verbreitet. Damit müssen sich Eltern befassen“, sagt Maximilian Schubert, Generalsekretär des Verbandes der Internet Service Provider (ISPA) dazu. Die ISPA hat in einer Broschüre zum „Technischen Kinderschutz im Internet“ alle Filtermaßnahmen zusammengefasst, die Eltern zur Auswahl stehen.

„Je älter die Kinder werden, desto eingeschränkter ist die Wirkung von Filtern. Wenn Jugendliche zum Beispiel aus Neugierde nach Pornos suchen, wird dies kaum mit technischen Schutzmaßnahmen verhindert werden können“, sagt Jax von Safer Internet. Dem stimmt auch Schubert von der ISPA zu: „Wenn Kinder ein Interesse für gewisse Themen entwickeln, werden sie den Filter überwinden wollen. Eltern dürfen sich außerdem nicht in falscher Sicherheit wiegen, wenn sie glauben, dass sämtliche irritierende Inhalte von Filtern aufgehalten werden.“

Als Beispiel für solch irritierende Inhalte nennt Jax „angstmachende Kettenbriefe“. Es sei notwendig, diese im Zuge der Medienerziehung zu besprechen. Auch darüber, dass Pornografie wenig mit realer Sexualität zu tun hat, solle man sprechen. „Sich alleine auf technische Lösungen zu verlassen, ist nicht empfehlenswert“, sagt der Experte von Safer Internet.

Um Aufklärung kommt man nicht herum

„Gerade Pornografie ist ein Bereich, bei dem man als Eltern ohnehin nicht drum herum kommt“, heißt es auch seitens der Bürgerrechtsorganisation epicenter.works, die das Gespräch der Eltern mit ihrem Nachwuchs jeglicher Filterlösung vorzieht. Die NGO gibt etwa auch zu bedenken, dass manchmal auch Aufklärungsseiten von Filtern blockiert werden.

Zusammengefasst ausgedrückt bedeutet dies, dass Eltern die Verantwortung, was für Inhalte ihre Kinder im Netz zu sehen bekommen, nicht an den Staat auslagern, sondern sich selbst darum kümmern sollen. Staatlich angeordnete Maßnahmen könnten nämlich immer auch nach hinten losgehen. „Wir stehen jeglicher Form von staatlichen Filtern skeptisch gegenüber, weil derartige Software auch dazu genutzt werden kann, um Informationen bewusst von der Bevölkerung fernzuhalten“, sagt Schubert von der ISPA.

Kein zusätzlicher Bedarf

Auch epicenter.works sieht keinen Bedarf an zusätzlichen Schutzfiltern für Kinder- und Jugendliche. „Netzseitiger Filter, seien sie staatlich vorgeschrieben oder ein Zusatzprodukt, mit dem Netzbetreiber zusätzliche Umsätze erwirtschaften oder Kunden locken möchten, bedarf es nicht“, heißt es. Die Organisation warnt vor dem Einsatz von staatlichen Filterlösungen, um Pornografie zu blockieren: „Netzseitige Internetfilter sind nicht mit der Netzneutralität vereinbar. Sollte die türkis-grüne Regierung solche Filter tatsächlich angehen, wird die RTR einschreiten müssen oder wir würden versuchen, dieses Vorhaben gerichtlich zu Fall zu bringen“, heißt es seitens der NGO gegenüber der futurezone.

Eine Diskussion über die „Chancen und Grenzen“ von technologischen Filterlösungen halten die Experten von Safer Internet allerdings „immer für sinnvoll“. Das sollte Teil von Medienerziehung sein und diese sollte „weiter ausgebaut werden“. Man müsse Erwachsene dabei unterstützen, wie sie ihre Kinder und Jugendliche in der digitalen Welt vor Gefahren im Netz schützen, so Jax. „Andere Risiken der Internetnutzung, wie zum Beispiel Cyber-Mobbing, sind darüber hinaus generell noch schwieriger mit technischen Lösungen zu verhindern.“

Auch die alte türkis-blaue Regierung hatte in ihrem Programm stehen, dass „Schutzfilter für Handy und Computer leicht zugänglich gemacht und promotet werden“ und „Bestimmungen zum Schutz von Kindern vor Pornografie und Gewalt im Internet erarbeitet“ werden sollen. Während der ersten 100 Tage gab es dazu allerdings keine Bestrebungen.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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