Symbolbild: Wikipedia unter der Lupe der EU
© APA - Austria Presse Agentur

Netzpolitik

Digital Services Act: Wikipedia ist genauso reguliert wie Facebook

Strenge, klare und transparente Regeln für große Dienste und mehr Rechte für Nutzer*innen: Das verspricht der "Digital Services Act“ (DSA), auf Deutsch auch Digitale-Dienste-Gesetz. Lange wurde es ausverhandelt, Mitte Februar begann es offiziell zu gelten. Online-Plattformen und Online-Suchmaschinen mussten bereits vorher ihre Nutzer*innenzahlen bekanntgeben, um entsprechend eingestuft zu werden.

Für die ganz großen Player am Markt gibt es nämlich noch strengere Regeln. Sie müssen etwa jährlich eine Risikobewertung von Externen anfertigen lassen. Alle Online-Netzwerke, die über 45 Millionen Nutzer*innen pro Monat erzielen, sind betroffen und zählen als „very large online platform“ (VLOP), zu Deutsch: sehr große Online-Plattformen.

Nun hat die EU-Kommission eine Liste veröffentlicht, welche Plattformen da drunter fallen.

Die Liste:

  • Alibaba AliExpress
  • Amazon Marketplace
  • Apple AppStore
  • Booking.com
  • Facebook
  • Google Play
  • Google Maps
  • Google Shopping
  • Instagram
  • LinkedIn
  • Pinterest
  • Snapchat
  • TikTok
  • Twitter
  • Wikipedia
  • YouTube
  • Zalando
  • Bing
  • Google Search

Neben Playern wie Facebook, Google oder TikTok ist auch die Online-Enzyklopädie betroffen. Sie fällt klar über die Grenze von 45 Millionen. Doch anders als die kommerziellen Plattformen wird Wikipedia hauptsächlich von ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen mit Inhalten bestückt und auch die Wikimedia Foundation arbeitet gänzlich ohne Gewinnabsicht.

Wikipedia gibt es seit 2001

Begonnen hat der wichtigste nicht-kommerzielle Dienst der Internet-Geschichte am 15. Jänner 2001 wie so viele Online-Projekte mit dem Gruß der Programmierer: "Hello World". Wikipedia-Mitbegründer Jimmy Wales tippte die beiden Worte in eine neue Wiki-Software ein, die einen schnellen Aufbau eines Online-Lexikons ermöglichen sollte. Jetzt hat die Wikipedia durchschnittlich 145 Millionen Nutzer*innen pro Monat.

Ich habe mit Dimitar Dimitrov, der in Brüssel für Wikimedia Europe tätig ist, gesprochen, ob sich auf der Wikipedia-Plattform jetzt etwas ändert und was die größten Herausforderungen sind.

Was wird sich für die Wikipedianer*innen ändern, die die Plattform täglich mit Einträgen bespielen, Inhalte moderieren und ehrenamtlich kuratieren?
Dimitar Dimitrov: Für die vielen Wikipedianer*innen, die die Enzyklopädie bearbeiten und mit Leben ausfüllen, wird sich hoffentlich wenig ändern. Das ist unsere Absicht bei der Umsetzung. Komplett ausschließen können wir es noch nicht. Aber das Digitale-Dienste-Gesetz richtet sich an den Dienstanbieter, also die Wikimedia Foundation (WMF).

Was bedeutet das Gesetz für die Organisation?
Die Einstufung als VLOP bedeutet, dass die WMF einen rechtlichen Vertreter in der EU benennen muss. Sie muss ihre internen Prozesse so anpassen, dass sie mit dem neuen "Notice & Action"-Rahmen übereinstimmen, sie muss ein Verfahren zur Durchführung von Risikobewertungen und Berichten zur Risikominderung einrichten (jährlich und bevor sie wesentliche Änderungen vornimmt) und eine*n geeigneten Prüfer*in finden, der/die sie bei all diesen Dingen überprüft.

Beim Digitale-Dienste-Gesetz geht es auch um die Moderation von Inhalten und die Meldungen von Hass im Netz. Wird sich hier etwas an der Moderation ändern?
Hoffentlich nicht, wenn es sich um Community-Content-Moderation handelt. Wikipedianer*innen werden weiterhin Artikel bearbeiten, über Änderungen diskutieren und das Projekt moderieren. Allerdings wird sich der Prozess auf der Seite des Anbieters verändern.

Was wird das sein?
Das Digitale-Dienste-Gesetz hält endlich Notice & Action-Regeln fest, die klar vorgeben, wie sich jede*r Nutzer*in an den Betreiber richten kann, wie eine  Beschwerde zu beantworten ist und wie sich die Entscheidung der Plattform anfechten lässt. Die Anfechtung passiert zuerst direkt auf der Plattform, also intern. Danach können Nutzer*innen sowohl eine außergerichtliche Streitbeilegungsstelle, diese werden von jedem Mitgliedsstaat der EU benannt, und vor Gericht ziehen. Die ganze Prozedur und die möglichen Eskalationssstufen sind endlich sowohl für Plattformen und Nutzer*innen klar und das europaweit. Das empfinden wir als positiv.

Was ist die größte Herausforderung für die Wikimedia Foundation?
Unsere Herausforderung wird es sein zu zeigen, dass die Einhaltung solcher Regeln auf eine Art und Weise erfolgen kann, die die Rechte der Nutzer*innen respektiert und gleichzeitig die ehrenamtlichen Communities weiterhin am Ruder stehen lässt.
 
Ist es aus deiner Sicht fair, dass für euch dieselben Regeln gelten wie für Facebook und TikTok?
Der europäische Gesetzgeber hat sich dafür entschieden Plattformen nach Größe und nicht nach Betriebsmodell zu unterscheiden. Das muss respektiert werden. Allerdings richten sich viele der Verpflichtungen im Gesetz an Betreiber von Werbeanbietern, sodass wir doch einen Vorteil durch unsere Gemeinnützigkeit erhalten (Anmerkung: hier gibt es viele Bereiche im Gesetz, die für eine werbefreie Plattform einfach wegfallen).

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

mehr lesen
Barbara Wimmer

Kommentare