Pommes sind besser als bei McDonalds und alle haben Autos: Auf TikTok wird Nordkorea zur Traumdestination

Pommes sind besser als bei McDonalds und alle haben Autos: Auf TikTok wird Nordkorea zur Traumdestination.

© APA/AFP/KIM WON JIN

Netzpolitik

Rätsel um Nordkorea-Propaganda auf TikTok: Das steckt dahinter

„Das ist unser fantastischer Wasserpark in Pjöngjang. Er ist einer besten Wasserparks der Welt." „Mein täglicher Morgenspaziergang in Nordkorea, sehr ruhig und entspannend." Mit Aussagen wie diesen beschreibt eine computergenerierte Frauenstimme auf TikTok die vermeintliche Lebensrealität in Nordkorea. Die Kurzvideos zeigen breite autofreie Straßen, Fast-Food-Restaurants, Bars – gewöhnliche Menschen mit gewöhnlichen Leben, so scheint es. „Das ist das Nordkorea, das westliche Medien euch nicht zeigen“, sagt die Stimme aus dem Off in einem Clip.

Videos wie diese kursieren auf TikTok seit mehreren Monaten. Sie werden millionenfach angesehen, gelikt und von manchen User*innen mit wohlwollenden Sprüchen wie „es sieht halt lowkey chillig aus“ kommentiert. Bizarre Aufnahmen, ist Nordkorea doch für sein totalitäres Regime bekannt. Und dafür, dass es dort keinen Zugang zum weltweiten Internet gibt.

Nordkoreanische Kampagne?

Der Verdacht auf vom Regime gesteuerte Propaganda liegt nahe. Doch so einfach ist die Frage nach den Drahtzieher*innen hinter den TikToks laut dem Nordkorea-Experten Rüdiger Frank nicht zu beantworten. Es sei „mit hoher Sicherheit anzunehmen“, dass solche Konten nicht echt seien, hält der Professor für Wirtschafts- und Ostasienwissenschaften an der Universität Wien in einer Mitteilung gegenüber der futurezone fest.

Ob es sich allerdings um einen „im staatlichen Auftrag und mit staatlicher Billigung aktiven Account“ handelt oder um jemanden, der auf eigene Faust operiert, könne nicht genau gesagt werden. Hier wäre etwa denkbar, dass Mitglieder von koreanischen Minderheiten aus China oder Sympathisant*innen aus Japan hinter den Videos stecken, so Frank. Bei den Clips könnte es sich dann um wiederverwertete Aufnahmen von Tourist*innen handeln.

Propagandamaschine Social Media

Nordkorea setzt – wie andere Staaten – vermehrt auf soziale Medien als Propagandainstrument. Die außenpolitische Selbstdarstellung des Regimes hat sich in den vergangenen Jahrzehnten mit dem technologischen Wandel verändert. „Annoncen in der New York Times schaltet man nicht mehr, dafür ist eine gewisse Aktivität auf YouTube und in anderen sozialen Medien zu erkennen“, attestiert Experte Frank.

Da ist etwa die vermeintliche Nordkoreanerin YuMi, die auf YouTube regelmäßig ihr Leben dokumentiert. In ihren Videos kostet sie sich durch nordkoreanische Snacks oder geht ins Fitnessstudio. Auch die elfjährige Song A., die angeblich gerne Harry Potter liest, berichtet auf YouTube in perfektem Englisch über die tollen Vergnügungsparks Nordkoreas.

Westen nicht primäre Zielgruppe

Sowohl die pro-nordkoreanischen TikToks als auch die YouTube-Videos sind rasch als realitätsfern zu entlarven. Es stellt sich die Frage: An wen richten sich die einfach gestrickten Clips? 

"Verschiedene Bilder wirken auf verschiede Zielgruppen unterschiedlich", hält Frank fest. Nicht der Westen, sondern China, Japan und allen voran Südkorea seien als Märkte für Nordkoreas Propaganda relevant. Das Regime verkaufe dort mit „erstaunlichem Erfolg“, das Narrativ „der arme, aber stolze, starke und unabhängige Bruder des reichen, aber führungsschwachen und sich den USA unterwerfenden Südkoreas zu sein“, erklärt Frank. Nicht ohne Grund sei der Zugang zu nordkoreanischen Medien in Südkorea immer noch stark reguliert, man fürchtet hier immer noch die Einflussnahme Nordkoreas. 

Grundsätzlich gäbe es laut Frank zudem viele Kampagnen des totalitären Regimes, die unentdeckt bleiben. Wie schwer es ist, Propaganda zu entlarven, zeigt sich beispielsweise im Russland-Ukraine-Krieg. Immer wieder kursieren Videos oder Fotos des Kriegsgeschehens auf Facebook, Instagram, TikTok und Co, die nur schwer als Fälschungen zu identifizieren sind.

Wie ihr Fakes am besten entlarven könnt, erfahrt ihr hier:

TikToks Propaganda-Affinität

Im Zuge der russischen Invasion in der Ukraine wurde deutlich, dass TikTok einen guten Nährboden für Propaganda bietet. Von Kriegsbeginn an fiel es der Plattform schwer, sich gegen Desinformation und Fakes zur Wehr zu setzen. Eine Untersuchung im März vergangenen Jahres kam etwa zu dem Schluss, dass Nutzer*innen bereits 40 Minuten nach ihrer Anmeldung falsche oder irreführende Inhalte über den Krieg in der Ukraine präsentiert bekamen.

Seither hat das chinesische Unternehmen die Löschung derartiger Inhalte zur Priorität gemacht. Es blockierte vergangenes Jahr tausende Konten. Die technischen Eigenheiten TikToks sorgen dennoch dafür, dass sich Propaganda weiterhin rascher verbreitet als in manch anderen sozialen Medien. TikTok setzt im Gegensatz zu Facebook und Instagram vorranging auf eine über einen Algorithmus kuratierte Startseite. Das bedeutet, ein Video wird an eine größere Zahl an Nutzer*innen ausgespielt, kann dadurch mehr Views generieren und rasch „viral gehen“. Im Kontext der Nordkorea-TikToks heißt das: Wer sich die Videos ansieht, sie kommentiert und likt, erhöht ihre Reichweite.

Chinas Einflussnahme

Wenn TikTok Propaganda Tür und Tor öffnet, liegt der Verdacht nahe, dass letztlich auch die chinesische Regierung ihre Hände bei der Verbreitung der nordkoreanischen Propaganda-Videos im Spiel hat. Weit hergeholt ist das nicht. TikTok hat einen chinesischen Mutterkonzern, Bytedance, und China ist wiederum ein langjähriger Partner Nordkoreas.

Wie Experte Frank allerdings anmerkt: „Hinter den Kulissen der bilateralen Beziehung brodelt es gelegentlich“. Die Einflussnahme Chinas ist daher bestenfalls eine Spekulation.

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Lisa Pinggera

lisa_bingernda

Von 2021 bis 2023 bei futurezone. Erzählt am liebsten Geschichten über Kryptowährungen, FinTechs und die Klimakrise. Schreibt aber über alles, was erzählenswert ist.

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