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© EPA / SASCHA STEINBACH

Netzpolitik

Vom IT-Pannenjahr zum digitalen Führerschein

Die Digitalisierung ist derzeit „in aller Munde“, wie Generalsekretär Michael Esterl aus dem Digitalisierungsministerium am Dienstag vor Journalisten sagte. Doch gerade in diesem Bereich hinterlässt der Staat derzeit keinen besonders guten Eindruck. Es hapert an allen Ecken und Enden: Angefangen von fehlenden Laptops im Bildungsbereich bis hin zu Entwicklungen im Bereich der Verwaltung.

Der digitale Führerschein war eigentlich bereits für Ende 2019 angekündigt, doch dieser ist noch immer nicht fertig. Die 2 Jahre alte App zum „Digitalen Amt“ schafft es auch im Februar 2021 noch, so viele Fehlermeldungen zu produzieren, dass wütende Android-Nutzer diese mit nur einem Stern bewerten. Der Kritikpunkt: Man kann sich nicht mit der digitalen Signatur anmelden, die genau dafür gedacht wäre.

Millionengrab und Corona-Pannen

Ein IT-Projekt, das Österreich  ebenfalls nicht gut dastehen ließ, war die Online-Plattform „Kaufhaus Österreich“. Diese sollte es Nutzern schmackhaft machen, heimische Shops zu besuchen. Die Plattform hat 1,26 Millionen Euro an Kosten verschlungen, um nur kurze Zeit später in eine Info-Plattform für Firmen umgewandelt zu werden. Ein „Millionengrab“ sei die Plattform keines, meint Esterl. „Es ist ein werthaltiges Projekt.“

Doch  die Liste der IT-Versäumnisse im Jahr 2020 ist noch viel länger: Bei der Anmeldung zu den Corona-Massentests bekamen Menschen etwa Mail-Bestätigungen mit Daten von Fremden zugeschickt, zudem fehlte das Impressum. Bei den Impfvoranmeldungs-Portalen der einzelnen Bundesländer wurden Datenschutz-Verstöße in Kauf genommen. Das Problem hierbei: Die Techniker haben zweieinhalb Jahre nach dem Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) noch immer keine adäquaten Lösungen in ihrem Portfolio, die sie einsetzen können, um Webseiten vor Angriffen zu schützen.

"Darauf schauen, was gelungen ist"

„Es ist nicht alles optimal gelaufen“, sagt Markus Kaiser, seit Mai 2016 Geschäftsführer des Bundesrechenzentrums (BRZ). Auf die Frage der futurezone, wie man derartige Fehlentwicklungen 2021 vermeiden möchte, bleibt er ausweichend: „Wo gehobelt wird, fallen auch Späne.“ Schließlich habe sich auch die Art, wie wir arbeiten und leben, radikal verändert. „Dass Fehler passieren, finde ich total verständlich, solange sie schnell behoben werden und das wurden sie.“ Kaiser empfiehlt zudem einen „Blick über die Grenzen“ und „darauf, was alles gelungen ist.“

Als Positiv-Beispiel nennt er etwa die Erweiterung des Chatbots „Mona“ im Unternehmensserviceportal. Mona sei „innerhalb kurzer Zeit“ mit Informationen rund um das Corona-Virus und entsprechenden Hilfen erweitert worden und würde rund 90 Prozent der Fragen zufriedenstellend beantworten, so Kaiser. Gerade im Bereich eGovernment sei Österreich im DACH-Raum auf Platz 1 und europaweit auf Platz 3, fügt Esterl hinzu. „Wir haben hier viele Delegationen in europäischen Mitgliedsstaaten, die uns beneiden.“

BRZ stellt Technologieradar 2021 vor

Michael Esterl (l.) und Markus Kaiser (r.)

E-ID soll noch 2021 kommen

Tatsächlich hat sich Österreich das gute Abschneiden bei digitalen Behördenwegen allerdings nicht erst in den vergangenen Jahren gesichert, sondern bereits vor rund 20 Jahren. Experten, die die Branche gut kennen, fürchten, dass man  gerade dabei sei, diesen Vorsprung wieder zu verspielen.

Doch 2021 soll einiges weitergehen: Neben dem digitalen Führerschein soll der Startschuss für die elektronische Identität (E-ID) fallen, wie Kaiser sagt.  Geplant sei, dass künftig jeder, der einen Reisepass bekommt, eine E-ID erhält, um digitale Amtsservices zu nutzen. Daran werde bereits im Hintergrund gearbeitet. Die E-ID werde auch der Schlüssel für viele weitere Anwendungen im Behörden-Bereich sein.

IT-Konsolidierung

Zudem will man rund 20.000 Arbeitsplätze pro Jahr durch die Digitalisierung generieren. Eingerichtet wurde zudem ein 160 Millionen Euro schwerer „Digitalisierungsfond“. 140 Millionen Euro davon sind allerdings für „IT-Konsolidierungsprojekte“ reserviert. Statt wie bisher 14 Rechenzentren, die in verschiedenen Ministerien angesiedelt sind, soll es künftig mit dem Bundesrechenzentrum (BRZ) nur noch eines geben, erklärt Esterl. Das Ziel sei es, am Ende einen „schlanken Staat“ zu haben, heißt es aus dem Digitalministerium, und: „Einsparungen“.

Der Geschäftsführer vom BRZ sieht vor allem eine Herausforderung auf sein Haus zukommen: „Wir sind mit einem steigenden Anspruch an Servicequalität konfrontiert. Das, was wir von Amazon und Google kennen, erwarten Sie und ich auch von der Verwaltung“, so Kaiser. Gleichzeitig erwarte man eine Kapazitätsreduktion. Bis 2032 werden rund 48 Prozent des Personals aufgrund von Pensionierungen ausscheiden und - laut derzeitiger Planung seitens des Ministeriums - werden nur ein Drittel aller Jobs nachbesetzt. Bis dahin müssen viele Routinevorgänge automatisiert sein.

Scoring statt Blockchain

Das BRZ hat zudem im „Perspektiven-Bericht 2021“ jene Technologien analysiert, die im Bereich der digitalen Verwaltung am zukunftsträchtigsten sind. Blockchain - obwohl seit Jahren schwer gehyped - gehört im Bereich des öffentlichen Sektors nicht dazu, sagt Kaiser. "Bisher gibt es hier wenige überzeugende Use Cases, weil wir eben grundsätzlich ein sehr hohes Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft in die Verwaltung und in die Funktionsfähigkeit der Verwaltung haben.“

Projekte, die derzeit genau geprüft werden, seien im Bereich „Real Time Scoring“ angesiedelt. Hier habe man bereits erste Use-Cases in der Verwaltung realisiert, wie etwa die antragslose Familienbeihilfe, die unter bestimmten Rahmenbedingungen automatisch ausgestellt werden könne, so Kaiser. Das BRZ will auch künftig „Technologie-Scouting“ einsetzen, um rauszufinden, welche digitalen Angebote und Services für den Verwaltungsbereich geeignet sind.

Insgesamt bleibt zu hoffen, dass man bei den Behörden aus dem digitalen Pannenjahr 2020 Lehren gezogen hat und sich die geplanten „IT-Konsolidierungen“ am Ende nicht negativ auf die Digitalisierung in Österreich auswirken werden.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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