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© APA/AFP/GETTY IMAGES/Christopher Furlong / Christopher Furlong

Netzpolitik

Was hinter Trumps Vorwürfen gegen die Google-Suche steckt

US-Präsident Donald Trump hat offenbar einen neuen Erzfeind gefunden: Google. Der Internetkonzern würde seine Suchergebnisse manipulieren und ihn in einem schlechten Licht darstellen, Artikel konservativer Medien würden unterdrückt. Was zunächst online für Spott und Hohn sorgte – der US-Präsident hat sich selbst gegoogelt und ihm gefielen die Ergebnisse nicht – könnte schon bald weitreichende Folgen haben. Das Weiße Haus kündigte an, man wolle sich Google und seinen Umgang mit konservativen Medien näher ansehen.

Droht Google und anderen Internet-Konzernen nun tatsächlich Regulierung, weil nicht gefällt, was er dort sieht? Und was ist an den Vorwürfen dran, Google würde seine Suchergebnisse zugunsten liberaler Medien manipulieren? Die futurezone versucht, die wichtigsten Fragen zur Causa Trump vs. Google zu beantworten.

Wie kommen Googles Suchergebnisse zustande?

Wer Google Manipulation vorwirft, sollte zunächst einmal verstehen, wie die Suchmaschine funktioniert. Wie andere Dienste, beispielsweise DuckDuckGo und Bing, durchsucht Google das Internet mit sogenannten Crawlern nach neuen Inhalten. Diese werden anschließend intern anhand unzähliger Parameter kategorisiert und mit Schlagwörtern verknüpft. Während der Ranking-Mechanismus in der Anfangszeit von Google relativ durchschaubar war – der grundlegende PageRank-Algorithmus bevorzugte Webseiten, die viele Links von anderen (vertrauenswürdigen) Webseiten erhielten – kamen in den vergangenen Jahren unzählige Faktoren hinzu. Seien es Ladegeschwindigkeit, Sicherheit der Verbindung und die Art der verbauten Werbung – mittlerweile beeinflussen weit über 100 Faktoren, wie weit oben eine Webseite in den Suchergebnissen landet.

Google wird dabei nicht müde zu betonen, dass Relevanz und Qualität die wichtigsten Kriterien seien. Das geht auch aus den öffentlich abrufbaren Richtlinien für seine Mitarbeiter hervor. Google beschäftigt weltweit mehr als 10.000 Tester, die regelmäßig Suchen durchführen und die Ergebnisse bewerten. Die zuletzt im Juli veröffentlichten Richtlinien fügten einen entscheidenden Punkt hinzu: Vertrauenswürdigkeit. Die Tester müssen nachvollziehen können, wer eine Information verfasst hat und ob diese Person vertrauenswürdig ist.

Google wäre aber nicht Google, wenn man die Suchergebnisse nicht auch personalisieren würde. Basierend auf den Informationen, die dem Internet-Riesen bekannt sind, beispielsweise Standort, Hobbies und E-Mails, werden die präsentierten Suchergebnisse angepasst. Beispiel: Wer nach einer Fluglinie sucht, mit der man bald unterwegs ist, bekommt meist die per E-Mail empfangenen Buchungsdetails in der Suche präsentiert. Doch wie eine Untersuchung der Northeastern University zeigt, ist nur ein kleiner Teil der Suchergebnisse tatsächlich personalisiert. Im Durchschnitt lieferten lediglich 11,7 Prozent der Google-Suchanfragen personalisierte Ergebnisse, weniger als bei Microsofts Konkurrenten Bing (15,8 Prozent).

Bei einer weiteren Untersuchung untersuchte man gezielt die Auswirkungen von Personalisierung bei der Suche nach politischen Begriffen. Das Ergebnis: Die Personalisierung fiel nur sehr schwach aus, meist wichen die Suchergebnisse nur geringfügig ab. „Tatsächlich hat deine Suchhistorie, die Dinge nach denen man zuvor gesucht hat, lediglich für zehn Minuten Auswirkungen und selbst das gilt nicht für die meisten Suchanfragen. Das haben wir zumindest üblicherweise festgestellt“, sagte Christo Wilson, einer der Autoren der Studie, gegenüber der Washington Post.

Manipuliert Google seine Suchergebnisse?

Grundsätzlich sollte man jedem Konzern Skepsis gegenüberbringen, der einen Markt dermaßen stark beherrscht wie Google. Je nach Zählweise und Anbieter weist der US-Konzern zwischen 80 und 90 Prozent Marktanteil auf, weit abgelegen folgt Microsofts Bing – was wohl auch nur der Tatsache zu verdanken ist, dass es nach wie vor die Standard-Suchmaschine in Windows ist. Tatsächlich wurde Google bereits des Öfteren vorgeworfen, seine Suchergebnisse zu manipulieren. So wirft das Empfehlungsportal Yelp Google vor, eigenen Inhalten und Bewertungen gegenüber jenen von Drittanbietern den Vorzug zu geben – auch wenn diese objektiv betrachtet besser sind. Yelp untermauerte diese Vorwürfe auch mit einer wissenschaftlichen Studie. Die EU-Kommission verhängte bereits 2017 eine Strafe über 2,42 Milliarden Euro gegen Google, weil dieser seinen eigenen Preisvergleich gegenüber Mitbewerbern bevorzugt und somit seine Marktmacht missbraucht hatte. Das Konsortium FairSearch.org, dem unter anderem Expedia, Oracle, Nokia und Microsoft angehören, setzt Google bereits seit 2009 mit öffentlichen Beschwerden und Klagen unter Druck.

Während Google nachweislich seine Suchergebnisse manipuliert hat, um seine Marktmacht zu stärken, konnte noch nie ein Beleg für politische Einflussnahme vorgelegt werden. Eine Untersuchung des SEO-Anbieters (Search Engine Optimization) CanIRank stellte zwar fest, dass die Suchergebnisse von 50 politischen Begriffen mehr liberale als konservative Inhalte zutage förderten, das liefert aber keinen Beleg für eine aktive Manipulation vonseiten Googles. Zudem wurde diese als Werbemaßnahme durchgeführte Untersuchung nicht nach wissenschaftlichen Qualitätskriterien durchgeführt. Als ähnlich anekdotenhaft kann jene „Untersuchung“ gewertet werden, die von Trump als Basis für seine Kritik herangezogen wurde. Demnach seien 96 Prozent aller Ergebnisse bei der Suche nach „Trump News“ Links von Medien, die linke Positionen vertreten würden.

Dabei bezieht sich Trump auf einen Artikel einer Journalistin, die für PJ Media „Trump“ bei Google News eingab und die ersten 100 Quellen, die ihr präsentiert wurden, auswertete. Selbst sie wies in ihrem Artikel darauf hin, dass ihre Auswertung nicht wissenschaftlich sei, dennoch übernahmen viele rechte Medien die Aussage, Google präsentiere ausschließlich linke Meinungen bei der Suche nach Trump-Nachrichten. Auch eine Untersuchung aus dem Jahr 2016, wonach bei der Suche nach demokratischen Präsidentschaftskandidaten mehr positive Inhalte als bei republikanischen Kandidaten angezeigt wurden, führte das vielmehr auf bessere SEO-Arbeit aufseiten der Demokraten als aktive Manipulation durch Google zurück.

Können Dritte die Google-Suchergebnisse manipulieren?

Es kommt darauf an, was man als Manipulation empfindet. Die Disziplin SEO (Search Engine Optimization) gibt es bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten und sie hat, wie der Name verrät, nur ein Ziel: So weit oben in den Suchergebnissen landen wie möglich. Obwohl man hier durchaus Maßnahmen setzen kann, um das eigene Ranking zu verbessern, bleibt Googles Ranking-Algorithmus nach wie vor eine große Black Box, dessen Verhalten von außen nur schwer nachvollziehbar ist. Dennoch gibt es einige Tricks, die sich nach wie vor anwenden lassen, wie zum Beispiel die „Google-Bombe“. Dabei werden Personen, Unternehmen und Behörden mit bestimmten Begriffen in Verbindung gebracht, sodass diese bei einer Suche nach einem scheinbar absurden Begriff aufscheinen. So fördert derzeit die Suche nach dem Begriff Idiot Bilder von Trump zutage. In Österreich gab es ähnliche Google-Bomben: „Völlige Inkompetenz“ führte lange Zeit zur privaten Webseite von Karl-Heinz Grasser, „Vollkoffer“ zu jener von FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache.

Das machen sich aber auch Anhänger der Alt-Right-Bewegung zunutze, die bereits während der Wahlkampagne Trumps dafür sorgten, dass Artikel und vorteilhafte Bilder von Trump weit oben in den Suchergebnissen landeten. Auch das Autocomplete-Feature, das basierend auf der bisherigen Eingabe Suchvorschläge macht, wurde so von rechten Gruppen und Verschwörungstheoretikern gekapert. Gab man „Climate Change is“ ein, schlug Google „Hoax“ (Schwindel) und „not real“ (gibt es nicht) vor. Der bekannte Psychologe Robert Epstein warf Google im Zuge der US-Wahl 2016 vor, die Autocomplete-Ergebnisse von Hilary Clinton positiv zugunsten der demokratischen Kandidatin beeinflusst zu haben. Google wies die Vorwürfe zurück, doch die Behauptung verbreitete sich dennoch rasch über die russische Nachrichtenagentur Sputnik.

Welchen Einfluss haben Google-Suchergebnisse auf die Gesellschaft?

Die Rolle von Google darf allein aufgrund seiner Marktmacht nicht unterschätzt werden. Laut einer Studie von Robert Epstein und Ronald E. Robertson spielen die Suchergebnisse eine wesentliche Rolle bei der Wahlentscheidung. Durch gezielte Manipulationen der Suchergebnisse sei es möglich, zumindest 20 Prozent der unentschlossenen Wähler auf die eigene Seite zu ziehen. Safia Umoja Noble von der USC Annenberg kritisiert zudem, dass die automatisch generierten Suchergebnisse Vorurteile verstärken könnten.

So fördert die Suche nach Begriffen wie „Black Girls“ lange Zeit vorwiegend pornografische Ergebnisse zutage. Kritik, die auch andere KI-Forscher seit längerer Zeit am Umgang mit Machine Learning und Algorithmen üben. Der US-Konzern ist sich dabei aber oftmals auch seiner Verantwortung bewusst und liefert bei der Suche nach Selbstmord-Anleitungen Telefonnummern für die Seelsorge und andere hilfreiche Informationen zutage.

Warum regt sich Trump ausgerechnet jetzt über Google auf?

Es wäre naiv zu glauben, dass sich Trump zum ersten Mal selbst gegoogelt hat. Der US-Präsident verwendet zwar laut der Journalistin Maggie Haberman keinen Computer, besitzt aber zwei Smartphones (eines davon exklusiv für Twitter) und ein iPad (das er als „das flache“ bezeichnet). Trump dürfte sich vielmehr intensiver mit den Internetkonzernen auseinandergesetzt haben, da diese am kommenden Mittwoch vor dem US-Senat Rede und Antwort stehen müssen. Neben Google werden auch Facebook und Twitter befragt. Diese sollen sich dazu äußern, wie Russland versucht, US-Wahlen zu beeinflussen.

Davon könnte Trump vor allem 2016 profitiert haben, wie die derzeit laufenden Ermittlungen zeigen. Trump könnte mit den Anschuldigungen gegenüber Google versuchen, von dieser Tatsache abzulenken.

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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