Will die EU wirklich 8K-Fernseher verbieten?
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Bremst die Energieeffizienzrichtlinie der EU den technischen Fortschritt bei Fernsehdisplays? Das berichten zumindest mehrere Medienportale. Die futurezone hat sich die Ökodesign-Richtlinie genauer angesehen.
Energieeffizienz-Index schränkt Verbrauch ein
Der Hintergrund dazu: Im Rahmen der Ökodesign-Richtlinie hat die EU vor rund einem Jahr die Grenzwerte für Energieeffizienz neu definiert. Ziel war, technische Geräte umweltfreundlicher zu machen. Die Regelung betrifft alle Arten von Elektronik - von Servern und Datenspeichern über Elektromotoren, Lichtquellen bis hin zu Geschirrspüler und sonstige Haushaltsgeräte.
Dafür wurde eine Formel für den sogenannten Energieeffizienz-Index (EEI) entwickelt, in der Bildschirmfläche und Leistungsaufnahme berücksichtigt werden. Der Index schreibt dabei die maximal erlaubte Leistungsaufnahme in der Normalkonfiguration vor.
Davon ausgenommen waren bislang Kategorien wie Mikro-LED-Bildschirme oder auch 8K-Displays (7.680 x 4.320 Pixel). Für OLED-Displays erlaubt die EU-Kommission zudem einen Korrekturfaktor, der die maximal erlaubte Leistungsaufnahme erhöht.
8K-Displays verbrauchen durch ihre höhere Pixelanzahl in der Regel deutlich mehr Strom als 4K-Displays in der gleichen Größe. Ähnlich sieht es bei der Mikro-LED-Technologie aus, bei der einzelne Pixel mithilfe mikroskopisch kleiner LEDs zum Leuchten gebracht werden. Beide Technologien sind noch jung, im vergangenen Jahr wurden laut dem deutschen Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) in der EU nicht einmal 200 Mikro-LED-TVs verkauft. 8K-TVs erreichten in der EU einen Absatz von 200.000 Stück, was etwa 2 Prozent aller verkauften Fernseher entspricht.
EEI-Ausnahmen sollen fallen
Die EEI-Ausnahmen sollen jedoch mit dem 1. März 2023 fallen: Mikro-LED-Bildschirme und 8K-Displays müssen ab diesem Datum unter dem EEI-Wert von 0,9 bleiben. Für 4K-Displays wird der Wert von 1,1 auf ebenso 0,9 reduziert, für HD-Displays gilt ab diesem Datum ein niedrigerer Grenzwert von 0,75.
Wie DigitalEurope, die Vereinigung nationaler Elektronikverbände und großer europäischer Elektrounternehmen, 2021 festgestellt hat, würden 71 Prozent von 1.281 untersuchten 8K- und Mikro-LED-Displays diese neuen EEI-Werte nicht erreichen. Geräte, die bereits am Markt sind, müssen das auch nicht - die neue Regelung gilt nur für Modelle, die nach dem 1. März 2023 eingeführt werden.
Nur "Normalkonfiguration" der Fernseher betroffen
Dabei fällt allerdings unter den Tisch, dass die Verordnung nur den Stromverbrauch in der “Normalkonfiguration”, also dem Auslieferungszustand reguliert. Als “Normalkonfiguration” wird in der EU-Verordnung die “im Menü der Ersteinrichtung vom Hersteller empfohlene Displayeinstellung oder die für eine bestimmungsgemäße Verwendung werkseitig vorgenommene Voreinstellung des elektronischen Displays” bezeichnet. Die automatische Helligkeitsregelung sowie der Standard-Dynamikumfang (SDR) sind dabei standardmäßig aktiviert.
Erlaubt ist jedoch, dass Geräte mit einem obligatorischen Menü ausgeliefert werden, das bei der ersten Inbetriebnahme alternative Einstellungen vorschlägt. Hier muss ebenso die “Normalkonfiguration standardmäßig voreingestellt sein”, wie es im Verordnungstext heißt. Wählen Nutzer*innen eine andere Konfiguration, die einen höheren Stromverbrauch verursacht, muss ein Warnhinweis angezeigt und eine ausdrückliche Bestätigung verlangt werden. Diese Pop-ups sind bei einigen 8K-Fernsehern, wie etwa dem Samsung QN900A, bereits Standard.
Kein Verbot für 8K-TVs
Das heißt also: Der EEI-Wert von 0,9 muss nur in der Normalkonfiguration unterschritten werden. Damit hat die EU den Herstellern im Grunde ein Schlupfloch aus dem Silbertablett serviert.
Die Hersteller müssen lediglich die Helligkeit in dem Modus reduzieren, der nach der Inbetriebnahme standardmäßig aktiv ist - bei vielen TV-Modellen heißt er "Standard"-Modus. In den anderen Modi können die TVs den Wert ruhig überschreiten, solange ein entsprechender Warnhinweis beim Anwählen dieser Modi auftaucht.
Ein Verbot von 8K-TVs und Mikro-LED-TVs steht also, aufgrund der aktuellen Gesetzeslage, nicht im Raum. Die Hersteller müssen lediglich die Software, bzw. einen Modus ihrer neuen TV-Modelle anpassen.
Enttäuschung nach dem Kauf
Dass die Branchenverbände ausgerechnet jetzt die Regelung kritisieren, ist kein Zufall. Bis zum 25. Dezember 2022 kann die Ökodesign-Richtlinie nämlich noch überarbeitet werden. Ihr Ziel ist, dass die Ausnahmen für 8K- und Mikro-LED-Fernseher beibehalten werden, professionelle Bildschirme für Videobearbeitung, Grafikanwendungen oder Industriedisplays sind von der Richtlinie ohnehin ausgenommen.
Die Angst der Hersteller dürfte wohl sein, dass Käufer*innen bei der Inbetriebnahme enttäuscht sein könnten, weil das Bild aufgrund der niedrigeren Helligkeit weniger strahlt. Eine einfache Lösung wäre, beim Einrichten des TVs die Kund*innen darauf hinzuweisen, oder einfach den sparsamen "Öko-Modus" zur Normalkonfiguration zu machen, sodass den User*innen sofort klar ist, dass hier mit reduzierter Leistung gearbeitet wird und sie einen anderen Modus für die volle Helligkeit wählen sollten.
Im Standard-Modus ist derzeit die Helligkeit bei vielen Herstellern ohnehin zu hoch eingestellt. Wie bereits beschrieben, soll damit der initiale "Wow-Faktor" bei der Erstinbetriebnahme erreicht werden - es ist ein Psychotrick. Ein leuchtstarkes, sattes Bild soll den Kund*innen weismachen, dass sie ihr Geld in das richtige Produkt investiert haben. Das ist gerade in diesen Zeiten wichtig, denn immer mehr TVs werden online gekauft. Wurde das Gerät online gekauft, haben Kund*innen ein 2-wöchiges Rückgaberecht. Wenn also der neue Fernseher nicht sofort überzeugt, stehen die Chancen hoch, dass er zurückgeschickt wird und die Kund*in ein Modell der Konkurrenz wählt.
Helligkeit oft zu hoch
Die Hersteller selbst wissen natürlich, dass die Helligkeit oft zu hoch ist. Deshalb haben Fernseher fast immer einen "Kino"- oder "Film"-Modus, mit reduzierter Helligkeit. High-End-Modelle haben häufig auch einen eigenen Kalibrierungsmodus, in den das Umgebungslicht des Raumes miteinfließt. Nach einer solchen Kalibrierung ist die Darstellung fast immer merklich dunkler und neutraler, als die im Standard-Modus - selbst in Räumen, die nicht abgedunkelt sind.
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