Wiener Firma verkauft "unsichtbaren Virenschutz"
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Das Wiener Unternehmen Attosphere bewirbt einen an der Kleidung ansteckbaren „Virenschutzschild“, der den Träger vor Bakterien und Viren aller Art schützen soll. Bewerkstelligt soll das über die Abgabe von Chlordioxid an die Umgebung werden. Der kleine Clip, der 45 Tage funktionieren soll, „baut um den Träger einen unsichtbaren Schutzschild von 1 Kubikmeter auf. In diesem Umkreis werden Bakterien, Viren, Pilzsporen und allergene Stoffe neutralisiert“, behauptet das Unternehmen.
Chlordioxid für Kinder
Auf Facebook wird das Produkt unter anderem mit Kindern beworben, die „in Zeiten wie diesen einen besonderen Schutz vor Viren und Bakterien brauchen“. Das Wort Corona kommt explizit zwar nicht vor. Ein weiteres Sujet, das eine Maniküre mit Plexiglas zwischen Kundin und Nageldesignerin zeigt, suggeriert allerdings, dass der Clip auch gegen Coronaviren in der Luft schützt bzw. diese unschädlich macht.
Bei der Epidemiologin Eva Schernhammer von der Medizinischen Universität Wien läuten bei den Versprechungen, aber auch beim verwendeten Desinfektionsmittel Chlordioxid die Alarmglocken.
„Chlordioxid ist ein hochgiftiges Desinfektionsmittel, das auch in niedriger Dosis inhaliert gesundheitsschädlich sein kann und etwa die Schleimhäute angreift. Sollte die Konzentration wiederum so gering sein, dass keine Nebenwirkungen zu erwarten sind, ist es mehr als fraglich, ob das Produkt irgendeine Wirkung auf Viren hat“, sagt Schernhammer.
Kein medizinischer Nachweis
Auf Nachfrage der futurezone reagiert Geschäftsführer Thomas Faulhaber ausweichend, was die tatsächliche Wirksamkeit betrifft. „Wie gut es wirkt, kann man so dezidiert nicht sagen. Das hängt davon ab, ob man sich bewegt und wie lange die Partikel der Umgebung des Schutzschilds ausgesetzt sind. Am effektivsten ist es an windstillen Orten, etwa im Büro oder in öffentlichen Verkehrsmittel“, sagt Faulhaber.
Dass Chlordioxid in hoher Konzentration gefährlich ist, bestreitet Faulhaber nicht. Der gemessene Wert sei bei dem Produkt aber so gering, dass laut Biozid-Verordnung nicht einmal eine für Desinfektionsmittel normalerweise notwendige Warnung an die Verpackung angebracht werden müsse.
Warum das Ganze dann überhaupt wirken soll, erklärt Faulhaber damit, dass Partikel wie Viren und Bakterien wenig widerstandsfähig seien. Medizinische Evidenz für diese Behauptung, wie etwa eine Studie, konnte er auf Nachfrage der futurezone nicht vorlegen.
Falsche Sicherheit während Pandemie
Für die Epidemiologin Schernhammer hat das Ganze abgesehen von der ungeklärten Wirksamkeit und den potenziellen Nebenwirkungen einen zusätzlichen negativen Effekt: „Wenn es einfach nichts bewirkt, könnte man das noch als Geschäftemacherei abtun. Wenn Menschen sich aber durch derartige Produkte in falscher Sicherheit und daher auf tatsächlich wirksame Maßnahmen gegen eine Corona-Infektion verzichten, ist das ein massives Problem.“
Attosphere-Geschäftsführer Faulhaber bestreitet, dass man das Produkt als Schutz vor Corona anpreise. „Das dürften wir schon rein rechtlich gesehen nicht: Wir sind zwar überzeugt davon, dass die Ansteckungsgefahr dadurch reduziert wird. Auf Masken und andere Maßnahmen wie Händewaschen und Abstand sollte man aber natürlich trotzdem nicht verzichten. Denn einen 100-prozentigen Schutz gibt es nicht.“
Die Kritik an der Vermarktung des 27 Euro teuren Produkts, das in China entwickelt und erzeugt wird, und nun auch in Österreich beworben und verkauft wird, will Faulhaber in Zukunft berücksichtigen: „Wir wollen einfach unseren Beitrag leisten, dass irgendwann wieder Normalität einkehrt und Menschen ein besseres Gefühl bekommen.“
Facebook sieht kein Problem
Bei Facebook sieht man zumindest keinen Handlungsbedarf, gegen die Werbeanzeigen von Attosphere vorzugehen. Zwar seien Anzeigen für medizinische Schutzmasken, Handdesinfektionsmittel, Reinigungstücher zur Flächendesinfektion sowie Covid-19-Tests seit Ausbruch der Pandemie verboten. Die Werbeeinschaltung von Attosphere vermittle hingegen kein Gefühl der Dringlichkeit oder dass einer konkreten Krankheit vorgebeugt werde, teilte Facebook der futurezone mit.
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