Eine blonde Frau beißt in einen grünen Apfel und verzieht dabei das Gesicht

Viele Birkenpollen-Allergikerinnen und -Allergiker reagieren auch auf rohe Äpfel.

© Sam Diephuis/getty

Science

Wie Birkenpollen allergisch gegen Äpfel machen

Jetzt, Ende Februar, blühen schon die ersten Bäume und machen Allergikerinnen und Allergikern das Leben schwer. Die Birkenblüte mit ihren hängenden hellgelben Kätzchen steht in Kürze bevor. „Über 70 Prozent der Birkenpollenallergiker sind von einer Lebensmittel-Kreuzallergie betroffen“, sagt Barbara Bohle, Leiterin des Instituts für Pathophysiologie und Allergieforschung der Medizinischen Universität Wien. In Mitteleuropa betrifft das am häufigsten Äpfel.

Immunsystem verwechselt Apfel mit Birke

Dabei „verwechselt“ der Körper „Mal d 1“, einen Eiweiß-Bestandteil in Äpfeln, mit dem Birkenpollen-Allergen „Bet v 1“. Isst ein Betroffener einen Apfel, kommt es umgehend zu einer Überreaktion des Immunsystems: Lippen und Zunge schwellen an, Mund und Rachen jucken, die Haut im Gesicht rötet sich. Das Problem ist nicht auf Äpfel begrenzt, betont die Allergologin: „Bet v 1 gehört zu einer Proteinfamilie, die auch in verschiedenen Obstsorten wie Kirschen oder Pfirsichen vorkommt, sowie in Baumnüssen, Karotten oder Soja.“

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Kreuzallergien werden auch „sekundäre Lebensmittelallergien“ genannt, weil sie über den Umweg der Pollen zustandekommen. Im Unterschied dazu gibt es auch „primäre Lebensmittelallergien“, bei denen die Allergie direkt von Proteinen verschiedener Lebensmittel ausgelöst werden. Das betrifft zum Beispiel Kuhmilch, Weizen oder Erdnüsse und tritt oft im Kindesalter auf.

Spezifische Immuntherapie kann helfen

Baumpollen-Allergien können mit einer sogenannten spezifischen Immuntherapie (auch Hypo- oder Desensibilisierung genannt) behandelt werden. Betroffene werden dabei über etwa 3 Jahre lang geringen, aber immer höher werdenden Mengen des entsprechenden Allergens ausgesetzt. Das funktioniert entweder subkutan, also per Spritze unter die Haut, oder sublingual, also mit schnell löslichen Tabletten, die man sich unter die Zunge legt. 

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Aber: „Eine erfolgreiche spezifische Immuntherapie hilft häufig nicht gegen die Kreuzallergien“, erklärt Bohle. Sie will in ihrer Grundlagenforschung herausfinden, warum das so ist und hofft, dass es innerhalb der nächsten 10 Jahre einen neuen Impfstoff gibt: „Frisches Obst ist bei uns positiv assoziiert, es hat Vitamine, Ballaststoffe, ist gesund. Und dann gibt es Personen, die das nur eingeschränkt konsumieren können. Mein Ziel ist es, diesen Patienten zu helfen.“

Neuer Impfstoff in Entwicklung

Einen neuen Impfstoff zu entwickeln, dauert sehr lang“, berichtet die Allergologin. Ihr Team arbeitet zunächst mit Blutzellen Betroffener, die in Gewebekulturen mit Allergenen stimuliert werden. Das dafür notwendige Apfel-Allergen „Mal d 1“ kann in reiner Form hergestellt werden. Die Experimente in der Petrischale sind weit weg von den Prozessen im Körper, gewisse Mechanismen müssen danach „in vivo“ analysiert werden. Als Zwischenschritt arbeitet ihr Team am Tiermodell: „Wir versuchen, Mäusen ein humanes Immunsystem zu geben, und testen dann verschiedene Impfstoffvorschläge an ihnen.“

Eine Frau mit rotem Haar und dunkler Brille lächelt in die Kamera

Barbara Bohle ist seit 1988 in der Allergieforschung tätig

Bei der Entwicklung eines Präparats gegen Apfelallergie kann sie sich jedoch auf bestehende Therapien gegen Baumpollen-Allergien stützen und Studien direkt mit Patientinnen und Patienten durchführen.

Gentechnik für schnellere Therapieerfolge

Die allergologische Grundlagenforschung hat an der Medizinischen Universität Wien eine lange Tradition, Bohle ist dort seit 1988 tätig. „Das Bet v 1 wurde 1989 als erstes Pflanzenallergen weltweit in Wien kloniert und rekombinant hergestellt, was ermöglicht hat, dieses Hauptallergen im Detail zu charakterisieren.“ Schon lange war aufgefallen, dass es einen Zusammenhang zwischen Birkenpollen- und Apfelallergie gibt, obwohl die Bäume nicht botanisch verwandt sind. Es sei weiterhin nicht klar, wie Allergien generell entstehen. Das Birke-Apfel-Modell könnte helfen, das zu verstehen.

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Gentechnik könnte weiteren Fortschritt in der Forschung bringen. „Es gibt die Idee, bestehende Allergene genetisch zu verändern, sodass das menschliche Immunsystem ihre Struktur nicht erkennt, aber trotzdem Mechanismen ausgelöst werden, die zu einer Toleranz führen“, erklärt die Allergologin. Das könnte die Therapiedauer wesentlich verkürzen.

Täglich ein Stück Apfel

Wenn man die eigenen Apfelallergie-Symptome ertragen kann, kann man sein Immunsystem selbst „trainieren“: „Es gibt Studien, die zeigen, dass man sich selber behandeln kann, indem man sehr diszipliniert jeden Tag ein Stückchen Apfel isst“, sagt Bohle. Mit der Zeit sollten die Symptome weniger werden.

ein Zweig voller glänzender, roter Äpfel in der Sonne

Die Äpfel der Sorte "Prinzregent Luitpold" sind besonders verträglich für Allergikerinnen und Allergiker

Das funktioniere aber nur, wenn man sehr konsequent weitermacht. Es bietet sich an, dabei auf eine hypoallergene, also allergikerfreundliche Apfelsorte zurückzugreifen.

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Hitze und Säure gegen Allergene

„Die Bet v 1-Proteingruppe reagiert sehr empfindlich auf Hitze“, erklärt Bohle. Das heißt, man kann ihre Struktur recht einfach zerstören, in dem man einen Apfel zum Beispiel 2 bis 3 Minuten in der Mikrowelle erhitzt.

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Auch Säure kann die entsprechenden Proteine denaturieren. „Ich kenne Personen, die geben Zitronensaft oder Essig auf den Karottensalat, das kann auch schon helfen, die allergische Reaktion zu verringern“, berichtet die Allergologin. 

Wie viel Hitze oder Säure nötig ist, bis ein Apfel keine allergische Reaktion mehr auslöst, sei wie die Kreuzallergie insgesamt sehr individuell. 

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Jana Wiese

interessiert sich besonders für die gesellschaftlichen Auswirkungen von Technologie und Wissenschaft. Mag das offene Web, Podcasts und Kuchen, (food-)bloggt seit 2009.

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Jana Wiese

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