Die Tübinger Firma CureVac arbeitet an der Entwicklung eines Corona-Impfstoffs. Die deutsche Regierung investiert 300 Millionen Euro.

Die Tübinger Firma CureVac arbeitet an der Entwicklung eines Corona-Impfstoffs. Die deutsche Regierung investiert 300 Millionen Euro.

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Science

Corona-Forschung: Das sind die aussichtsreichsten Impfstoffe

Weltweit forschen Universitäten, Privatunternehmen und Pharmakonzerne an Impfstoffen gegen das Coronavirus. Der Weltgesundheitsorganisation WHO sind aktuell 136 Impfstoffkandidaten gegen SARS-CoV-2 bekannt. Einige davon befinden sich bereits in der klinischen Phase und gelten als besonders aussichtsreich.

Grundsätzlich hat sich die Impfstoffentwicklung im Fall von Corona laut der Immunologin Ursula Wiedermann-Schmidt von der MedUni Wien beschleunigt. Üblicherweise dauert die klinische Phase etwa 6 Jahre. Während in der Phase I an gesunden Freiwilligen die Verträglichkeit des Impfstoffs getestet wird, wird in Phase II unter anderem überprüft, ob der Impfstoff zur Bildung von Antikörpern führt. Phase III muss an mehr als 2.000 Menschen durchgeführt werden, um Wirksamkeit und Nebenwirkungen zu erfassen.

Hinsichtlich des Coronavirus gibt es nun mehrere sogenannte Impfstoff-Plattformen. Laut Wiedermann-Schmidt müsse man sich die wie Gerüste vorstellen, in die bestimmte Erreger oder Erregerteile hineingebracht werden. Diese Gerüste können etwa Virus-ähnliche Partikel sein, in die die genetische Information des gewünschten Antigens hineinkommt. Da es vor COVID-19 schon SARS-1 gegeben hat, wurden derartige Plattformen schon verwendet und bereits adaptiert. „Damit können nun Impfstoffkandidaten innerhalb von ein bis 3 Monaten in die klinische Testung übergehen“, sagt die Expertin. 

China

Die meisten Impfstoffe, die bereits in klinischer Testung sind, kommen aus China. Der Kandidat von CanSino Biologics und dem Beijing Institute of Biotechnology hat bereits die Phase II erreicht. Das Konstrukt basiert auf  Adenoviren Typ 5, die laut Wiedermann-Schmidt für den Menschen ungefährlich sind. Sie gelten als virale Vektoren, in die das Hauptantigen von SARS-CoV-2 – das sogenannte Spike-Protein – eingebaut wird.

In einer kürzlich in der Fachzeitschrift Lancet veröffentlichten Studie zeigte die Vakzine allerdings nur eine moderate Immunantwort. Bei etwa der Hälfte der Probanden kam es zu Nebenwirkungen wie hohes Fieber oder Müdigkeit und Kopfschmerzen, erklärt Wiedermann-Schmidt. "Diese ersten Ergebnisse verleiten vorerst nicht zu Jubelrufen, weitere Ergebnisse werden aber folgen", sagt sie.

Eine schnellere und klassische Alternative stellen Totimpfstoffe dar. Die Impfung erfolgt also mit abgetöteten Viren. Mit solch einem inaktiviertem Virus arbeiten das Wuhan Institute of Biological Products (Phase II), Sinovac Biotech (Phase I), das Beijing Institute of Biological Products (Phase I) sowie das Institute of Medical Biology (Phase I). Als Basis dient ein Impfstoff aus toten SARS-CoV-1, der im Rahmen der ersten SARS-Epidemie hergestellt und klinisch getestet wurde. Man vermutet, dass er auch gegen SARS-CoV-2 schützen könnte. 

Australien

Das Unternehmen Novavax forscht ebenfalls an einem Totimpfstoff und befindet sich seit Mitte Mai in Australien in Phase I. 

England

Einer der größten Hoffnungsträger ist der Impfstoff, der an der Universität Oxford entwickelt wird. Der Zugang ist ähnlich, doch wird hier laut Wiedermann-Schmidt als viraler Vektor kein humaner, sondern ein Schimpansen-Adenovirus verwendet, das auch für andere Impfstoffe, etwa gegen Ebola, zum Einsatz kam. "Das Prinzip einer Virusvektorvakzine ist, dass es ein Lebendimpfstoff ist, d.h. das Trägervirus vermehrt sich im Körper, wobei das COV2- Impfstoffantigen gebildet wird und eine menschliche Immunantwort dagegen entwickelt werden kann", so die Expertin. 

Tests an Rhesusaffen haben gezeigt, dass sie das Virus in sich trugen und weiter infektiös waren, aber nicht krank wurden. Eine große Studie an Menschen startet demnächst. Parallel wurde angekündigt, die Impfstoffproduktion zu starten, sodass im Falle guter klinischer Ergebnisse keine zeitlichen Verzögerungen seitens der Produktion entstehen. Die futurezone hat berichtet. 

"Das ist sicher auch ein riskantes Vorgehen, denn es kann herauskommen, dass der Impfstoff nicht die erhoffte Sicherheit und Wirkung zeigt. Gibt es gute Ergebnisse, kann man den Impfstoff rasch in großen Mengen verteilen", sagt sie. Laut Wiedermann-Schmidt bedeutet das aber nicht, dass das Gros der Menschen im Herbst schon geimpft werden kann. Bislang sei unter anderem auch unklar, ob genügend Antikörper gebildet werden und vor allem, wie lange die Immunantwort anhält. 

USA

Das US-Unternehmen Moderna forscht hingegen an einem Impfstoff auf RNA-Basis, ein innovativer Ansatz. "Dabei wird genetisches Material von Oberflächenmolekülen der Coronaviren dem Menschen eingeimpft, die menschlichen Zellen nehmen es auf und produzieren dann das Coronavirus-Antigen, gegen das unser Immunsystem eine Immunantwort aufbaut", so die Spezialistin. 

Prinzipiell sei dieser Ansatz eine sehr gute Idee, denn so würden große Produktionsprozesse und dadurch viel Zeit gespart. Da aber bis jetzt kein einziger zugelassener Impfstoff auf dieser Basis beruht, fehlen Wiedermann-Schmidt sämtliche Erfahrungswerte mit RNA-Impfstoffen im Menschen. "Es stellt sich etwa die Frage nach der richtigen Dosierung, vor allem in unterschiedlichen Personengruppen wie alte Menschen oder Kinder. Und man hat auch keinerlei Erfahrung hinsichtlich Qualität, Quantität und Dauer einer schützenden Immunantwort." Phase III soll im Juli starten, wie die futurezone berichtet hat

Das Unternehmen Inovio forscht an einem genbasierten Impfstoff und befindet sich in Phase I. 

Deutschland

Auch das deutsche Unternehmen Biontech verfolgt in Zusammenarbeit mit Pfizer und der chinesischen Fosun Pharma einen ähnlichen Ansatz. Ihr Kandidat gilt ebenfalls als einer der vielversprechendsten - die klinischen Tests laufen bereits. 

Das Unternehmen Curevac will in diesem Monat ebenfalls mit der klinischen Erprobung seines Impfstoffkandidaten beginnen. Es wird unter anderem von der EU-Kommission mit bis zu 80 Millionen Euro gefördert. An dem Biotechunternehmen ist zudem die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung beteiligt. 

Österreich

Einen anderen Zugang hat das heimische Unternehmen Themis, das in Kooperation mit der US-Universität in Pittburgh und dem französischen Forschungszentrum Institut Pasteur einen vielversprechenden Impfstoff entwickelt, der auf einem Masern-Impfstoff basiert. Auch dieser Impfstoff soll demnächst in die klinische Testung gehen.

"Sinnlose Emotionalisierung"

Laut der Fachfrau habe jeder Zugang Vor- und Nachteile. Grundsätzlich konnten durch den technologischen Fortschritt neue Konstrukte in sehr schneller Zeit entwickelt und die Entwicklungsphase von Impfstoffen vorangetrieben werden. Da das Virus neu ist, sei allerdings auch immer noch unklar, wie lange eine schützende Immunantwort gegen dieses Virus aussieht und ob neutralisierende Antikörper ausreichend sind. Außerdem müsse ein Impfkonzept entwickelt werden, das festlegt, wer geimpft werden soll: Etwa nur jene Personen, die besonders gefährdet sind und schwer erkranken oder die gesamte Bevölkerung.

"Dadurch, dass wir so vieles noch nicht wissen, irritiert es mich maßlos, dass jetzt schon im großen Rahmen diskutiert wird, ob wir hinsichtlich Corona eine Impfpflicht brauchen. Das ist nur eine sinnlose Emotionalisierung des Impfthemas und schadet diesem mehr als es hilft. Ich würde dringend appellieren, Impfdiskussionen auf rein sach- und fachorientierter Ebene zu führen – das geht mir schon die längste Zeit ab", so Wiedermann-Schmidt

Hoffnung in der Medikamenten-Forschung

Doch nicht nur Impfstoffe, sondern auch Medikamente gegen COVID-19 werden erprobt. „Aus heutiger Sicht ist Remdesivir, das gegen Ebola entwickelt wurde, noch immer das vielversprechendste Medikament gegen COVID-19“, sagt Markus Zeitlinger, Leiter der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie der MedUni Wien. Hierzu gebe es sowohl positive Studien als auch welche, in denen kein Effekt beobachtet wurde.

Grundsätzlich gilt: „Wenn ein Medikament bislang nie in der präklinischen Studie war, kann die Entwicklung mehrere Jahre dauern. Mit einem nicht ganz neuen Medikament kann man sicherlich schneller vorankommen“ so Zeitlinger. Daher versuche man, auf Moleküle zurückzugreifen, die bereits existieren und klinisch getestet wurden. Damit sei es möglich, sofort für Patienten mit COVID-19 einzusteigen, weil bereits Studien mit Menschen gemacht wurden.

Monoklonare Antikörper

Das zunächst ebenfalls als potenziell eingestufte Medikament Hydroxychloroquin sei in letzter Zeit hingegen in Kritik geraten. Eine negative Studie wurde aber jüngst aufgrund von Formfehlern zurückgezogen. Bei Camostat oder der HIV-Kombinationstherapie gibt es zudem schon eine riesige Sicherheitsdatenbank. Hier geht es darum zu sehen, ob diese Medikamente auch gegen COVID-19 wirksam sind. „Zu Camostat gibt es aber noch keine guten Daten“, so Zeitlinger.

Völlig neue Medikamente in einer sinnvollen Zeit zu entwickeln, sei unrealistisch. "Die einzige Ausnahme liefert die Verwendung monoklonaler Antikörper", sagt der Fachmann. Monoklonare Antikörper sind Proteine, die Antigene spezifisch erkennen und binden. Die klinischen Studien beginnen jetzt, wobei verschiedene Antikörper parallel von mehreren Firmen weltweit entwickelt werden.

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Andreea Bensa-Cruz

Andreea Bensa-Cruz beschäftigt sich mit neuesten Technologien und Entwicklungen in der Forschung – insbesondere aus Österreich – behandelt aber auch Themen rund um Raumfahrt sowie Klimawandel.

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