Erneuerbare Energien wenn nötig mit Strafen durchsetzen
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Im motorisierten Verkehrsbereich gibt es nach wie vor eine gigantische Abhängigkeit von fossilen Treibstoffen. An Land, in der Luft und zu Wasser verwenden Transportmittel zu 96,3 Prozent nicht erneuerbare Energien.
Die von österreichischen Wissenschaftlern organisierte Expertendiskussion "Renewables in Transport" ging daher den Fragen nach, ob genügend erneuerbare Energien zur Verfügung stehen, um große Teile des Transportsektors anzutreiben und wie reif die Technologien dafür sind.
Erdöl weiterhin dominant
Wie Reinhard Haas, der Leiter der Energy Economics Group an der TU Wien, darlegt, haben sich die Anteile von Erdölprodukten, Erdgas und Elektrizität im Energiemix des Transportsektors in den vergangenen Jahrzehnten nur langsam verändert. Seit den 2000ern gibt es dagegen ein rasantes Wachstum von Biotreibstoffen, was vor allem gesetzlichen Auflagen zur Beimischung in Benzin und Diesel zu verdanken ist. Hier stelle sich die Frage, wieviel Treibhausgasemissionen sich durch Biotreibstoffe tatsächlich einsparen lassen.
Laut Amela Ajanovic vom Institut für Energiesysteme und Elektrische Antriebe der TU Wien ist der Bedarf an umfassenden Veränderungen im Transportsektor groß. Während die Treibhausgasemissionen von Energieerzeugung, Industrie, Landwirtschaft und Wohnen seit Beginn der 80er-Jahre kontinuierlich sinken, ist der Transportbereich der einzige, in dem es bis heute eine Steigerung gibt.
Veränderungen gibt es aber. Die EU verfolgt ehrgeizige Ziele und will den Anteil von E-Fahrzeugen auf der Straße steigern und die Durchschnittsemissionen von Autos senken. Viele Länder haben ein Ablaufdatum für den Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor festgelegt. Österreich bislang noch nicht.
Kosten größter E-Auto-Nachteil
Elektroautos haben laut Ajanovic eine Reihe von Vorteilen, aber auch klare Nachteile: Geringe Reichweite, lange Ladezeiten, teilweise wenig Ladeinfrastruktur und vor allem hohe Anschaffungskosten. Wie "sauber" E-Autos im Betrieb sind, hänge zudem vom Energiemix beim Aufladen ab. Hier gibt es länderspezifisch deutliche Unterschiede. Während der Strom im E-Auto-begeisterten Norwegen fast zur Gänze mit Wasserkraft erzeugt wird, stammt der Strom in China - wo es in der Vergangenheit starke staatliche Bemühungen um die Elektrifizierung des Verkehrs gab - zu über 70 Prozent aus Kohlekraftwerken.
Die Sorge, dass für die Elektrifizierung des Transportsektors nicht genügend Energie zur Verfügung stünde, sei laut Ajanovic unbegründet. Der Anteil des Transports am Elektrizitätsverbrauch sei verschwindend gering - der elektrische Zugverkehr ist dabei mit eingerechnet. Der Großteil des Stromes fließe in die Industrie und den Wohnbereich.
Einkommenslücke
Was die Wissenschaft klar erkannt hat, ist, dass die Verbreitung von E-Fahrzeugen stark vom Bruttonationalprodukt eines Staates abhängig ist. 75 Prozent aller Ladestellen in Europa seien etwa auf die 4 Länder Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die Niederlande verteilt.
Die Corona-Krise könnte die Ungleichheit bei der E-Mobilität noch verschärfen, meint Ajanovic. Ihr Fazit: E-Fahrzeuge sind Teil der Lösung für die Defossilisierung des Transportsektors. Die Politik muss ihnen aber deutliche Vorteile bieten - etwa durch Steuererleichertungen, Gratis-Parkplätze, Busspuren-Nutzung etc. - um den Kostennachteil zu kompensieren.
Effizienz vs. Verhalten
Gerfried Jungmeier von der Forschungsgruppe Zukunftsfähige Energiesysteme und Lebensstile an der FH Joanneum überbringt die positive Botschaft, dass die Energieeffizienz von Fahrzeugen ständig besser werde. Allerdings steigt die Anzahl der durchschnittlich gefahrenen Kilometer noch stärker an, was den Endenergieverbrauch des Transportsektors in die Höhe treibe. Für ihn steht fest: "Technologien sind eine Sache, der Gebrauch dieser Technologien aber eine andere."
Im Zuge seiner Arbeit hat sich Jungmeier vor allem mit Biotreibstoffen beschäftigt. Was wenigen Menschen bewusst ist, meint er: Es gibt eine große Vielfalt an Biotreibstoffen, die wiederum aus einer Vielzahl an Rohstoffen (Biomasse) gewonnen und mit einer Vielzahl an Prozessen verarbeitet werden. Beispiele für Biotreibstoffe sind Biodiesel, Pflanzenöl, Bioethanol, Biomethan, synthetische Biotreibstoffe oder Wasserstoff. Biomasse werde nicht nur zu Treibstoff, sondern auch zu Nahrung für Mensch und Tier sowie zu Biomaterialien verarbeitet. Die Einsatzbereiche stehen teilweise in Konkurrenz zueinander.
Verhandlungssache Sauberkeit
In puncto Nachhaltigkeit schneiden Biotreibstoffe unterschiedlich ab. Insgesamt sei zu erkennen, dass die Treibhausgasemissionen von Biotreibstoffen sinken. Von CO2-Neutralität ist man aber oft weit entfernt. Als CO2-neutral werden E-Fuels oft bezeichnet. Dabei kommt es aber ganz darauf an, woher man das CO2 nimmt, das in Kombination mit Wasserstoff zu E-Fuels verarbeitet wird. Nimmt man das CO2 aus der Luft, kann man von CO2-Neutralität sprechen, allerdings ist diese Gewinnungsmethode relativ ineffizient. Aus Industrieprozessen erhält man etwa größere CO2-Mengen mit geringerem Aufwand.
Hier stelle sich die Frage, ob sich Industrieprozesse ein "sauberes" Image verpassen können, wenn das CO2 in die E-Fuel-Herstellung fließt. "Jede Industrie gibt den Schwarzen Peter an jemand anderen weiter. Am Ende weiß man nicht, was 'dreckig' und was 'sauber' ist", sagt Jungmeier.
Der sinnvollste Weg, um CO2-Emissionen zu reduzieren, sei eine Veränderung des eigenen Lebensstils. Als ideal sieht Jungmeier einen "Paris Lifestyle", der erfüllend ist und möglichst viele Bedürfnisse von Menschen abdeckt, aber den Pariser Klimazielen entspricht. Der Forscher ist überzeugt: "Man kann heute schon ein gutes Leben führen und dennoch wenig CO2-Emissionen aufweisen."
Wasserstoff-Wettstreit
Theresia Vogel, die Geschäftsführerin des Klima- und Energiefonds, kommt auf das Thema Wasserstoff zu sprechen. Österreich sei bei der Forschung an Wasserstofftechnologien vorne dabei und stehe in einem intensiven Wettstreit mit anderen Staaten. Aus heimischer Sicht seien vor allem die Synergien, die sich mit industriellen Anwendungen ergeben, ein Vorteil.
Wasserstoff werde heute aus verschiedenen Quellen gewonnen und bekomme entsprechende farbliche Bezeichnungen, etwa grauer Wasserstoff (aus Erdgas), blauer Wasserstoff (Erdgas und Carbon Capture), rosa Wasserstoff (aus Kernenergie) und grüner Wasserstoff. Bei letzterem gebe es wiederum Unterkategorien, weil man Wasserstoff aus Biomasse, Photolyse oder Elektrolyse in Kombination mit erneuerbaren Energien gewinnen kann. Jede Möglichkeit ist unterschiedlich weit entwickelt. Der österreichische Fokus liege aber klar auf grünem Wasserstoff.
Diesmal wirklich
Es gibt bereits eine Reihe von Forschungsprojekten, wo Wasserstoffanwendungen erprobt werden, etwa in Schneemobilen oder schweren Lastwägen. In den kommenden 20 Jahren müssen die Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen aber intensiviert werden, meint Vogel. Projekte müssen bis knapp zur Marktreife gelangen, um einen schnelleren Wandel des Transportsektors zu ermöglichen. Österreich verfolge ja immerhin das Ziel, bis 2040 klimaneutral zu sein.
Eine Zuschauerin merkt an, dass es um Wasserstoff in der Vergangenheit bereits mehrmals Hypes gegeben hat, die dann wieder im Sand versickert sind. Vogel versichert, dass es diesmal anders sei. Es werde viel mehr Geld in dieses Gebiet investiert und die Energiewende mit einem höheren Anteil erneuerbarer Energiequellen verlange nach einem Speichermedium für die langfristige Speicherung von Strom. Genau das sei trotz Energieverlusten ein klarer Vorteil von Wasserstoff, ergänzt Ajanovic. Im Verkehrsbereich sieht die Forscherin keinen Wettbewerb von Brennstoffzellen- und E-Fahrzeugen. Bei Ladezeiten und Reichweiten ergänzen sie einander.
Aufpreis für Verbrenner
Laut Jungmeier sei allerdings klar erkennbar, dass E-Fahrzeuge mit Batterie bei der Verwertung von Primärenergie gegenüber Brennstoffzellenfahrzeugen klar im Vorteil seien. Sie wandeln Strom aus erneuerbaren Quellen also am effizientesten in Bewegung um. Weit abgeschlagen in dieser Hinsicht seien E-Fuels, die daher vorerst eher Flugzeugen und Schiffen - deren Elektrifizierung schwierig ist - vorbehalten bleiben sollten.
Im Straßenverkehr hingegen sollte es künftig starken politischen Druck für einen Umstieg auf erneuerbare Energien geben, rät Jungmeier. Dabei sollte die ganze Bandbreite an Möglichkeiten ausgenutzt werden: "Dass positive Dinge unterstützt werden, kennen wir ja, aber jetzt müssen wir auch in eine andere Richtung denken." Neben der Motivation für einen Umstieg sollten auch Strafen überlegt werden. Vorstellbar sei es etwa, von Autokäufern einen Aufpreis zu verlangen, wenn sie zu einem Modell mit Verbrennungsmotor greifen.
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